Pauschaltarife

Geht das Flatrate-Sterben weiter?

Vor allem die großen Internet-Provider sind zuversichtlich über den Fortbestand ihrer Tarife
Von Volker Schäfer

In den letzten Wochen haben mehrere Internet Service Provider ihre erst wenige Wochen oder Monate zuvor gestarteten Pauschaltarife wieder eingestellt. Aber auch Flatrate-Pionier Surf 1 musste die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen, so dass Surf 1, das am gestrigen Dienstag alle Flatrate-Zugänge abgeschaltet hat, über kurz oder lang vermutlich ganz von der Bildfläche verschwindet.

Missbrauch durch Poweruser, Mehrfacheinwahl mit gleicher Nutzerkennung und Nutzung der Flatrate als Standleitungsersatz führten die gescheiterten Unternehmen in der Regel als Gründe für die Abschaffung ihres "All in"-Tarifs an. Bedenken muss man jedoch auch, dass sich eine echte Flatrate in Deutschland für die Internet-Provider in der Regel nicht rechnen kann. Während man den Kunden nur eine monatliche Pauschale abverlangt, rechnet die Deutsche Telekom jede Minute ab, die ihre Leitungen zur Einwahl beim Internet-Provider genutzt werden. Folglich gerät der Provider bei Dauer-Surfern leicht ins Minus.

Selbst T-Online rechnete vor dem Start seines Pauschaltarifs am 1. Juni vor, dass sich die Flatrate für das Unternehmen nur dann rechnet, wenn die Kunden maximal rund 50 Stunden im Monat online gehen. Dennoch ist gerade T-Online einer der wenigen verbliebenen Anbieter, von dem wir ganz uneingeschränkt zu hören bekamen, es gäbe keinerlei Probleme, Einschränkungen seien nicht geplant und man sei mit der Entwicklung des Tarifs sehr zufrieden. Hier darf spekuliert werden, dass es zwischen T-Online und der Deutschen Telekom Sondervereinbarungen gibt, die von dem ansonsten üblichen Interconnect-Vereinbarungen abweichen.

In der Tat hat die Internet-Tochter der Telekom auch an anderer Stelle eine Vorreiterrolle im Bereich Flatrate übernommen. Seit 1. September zahlen T-DSL-Kunden nur noch 49 statt 79 Mark monatlich für den Internet-Zugang, der theoretisch 24 Stunden rund um die Uhr genutzt werden kann.

Ein ähnliches Angebot hat auch der Konkurrent Mannesmann Arcor, dessen Flatrate allerdings nur Kunden offensteht, die ihren gesamten Telefonanschluss von der Eschborner Telefonfirma haben. "Eine Flatrate, bei der Interconnection-Gebühren in Form eines Minutenpreises anfallen, ist nicht machbar", argumentiert Arcor.

Zweiter Branchenprimus neben T-Online ist AOL, die eine Flatrate unter den derzeitigen Umständen in Deutschland immer als nicht machbar dargestellt hatten und erst nach dem Flatrate-Start des Marktführers T-Online zum 1. August nachlegten. Heute zeigt sich AOL mit der Entwicklung zufrieden, wenn auch - aufgrund der Interconnection-Situation - nicht glücklich. Man habe zum 1. August ja auch weitere attraktive Tarife aufgelegt und die Kunden überlegten gut, ob sich die Flatrate für sie rechne. Außerdem habe man z.B. durch E-Commerce weitere Einnahmequellen und gegen Missbrauch durch die User sei AOL besser gewappnet als verschiedene kleinere Gesellschaften. Hier dürfte sich auch die proprietäre Einwahlsoftware von AOL auswirken.

Unter Missbrauch versteht man bei AOL vor allem die Mehrfacheinwahl mit der gleichen Nutzerkennung. Gegen Poweruser, die z.B. das ganze Wochenende über nonstop online gehen, werde man nicht vorgehen. Auch eine Zwangstrennung nach zwölf oder 24 Stunden gebe es bei AOL nicht. Allerdings trennt man nach mehr als 20 Minuten Inaktivität des Users die Leitung und folgt damit dem Vorbild von T-Online.

Nur abends, nachts und am Wochenende bietet Talkline seine Internet-Flatrate an. Zusätzlich gibt es eine Volumenbegrenzung auf 500 MB im Monat. Dadurch sieht sich der Elmshorner Anbieter in einer guten Position zur Fortführung seines Pauschaltarifs. Eine rund um die Uhr nutzbare Flatrate soll es dagegen bis auf weiteres nicht geben, da diese für das Unternehmen nicht kalkulierbar sei.

Genau den umgekehrten Weg geht der Internet-Provider AddCom, der anstelle seiner Teilzeit-Flatrate ab 30. September einen rund um die Uhr gültigen Pauschaltarif anbietet. Allerdings wird das Angebot vorerst auf 5.000 Kunden beschränkt.

NGI, das zeitgleich mit dem T-Online-Flat-Tarif mit seiner Pauschale auf den Markt kam, macht unter den kleineren Providern den bisher besten Eindruck. Hier gab es bislang weder Einwahlprobleme noch Kündigungen von Kunden, die die Flatrate angeblich missbraucht haben. Auch eine Limitierung der Kundenzahl ist nicht geplant. Da NGI auch bei seinen anderen Tarifen einen T-Online-ähnlichen Internetzugang über das Telekom-Backbone zu sehr günstigen Preisen ermöglicht, darf man hier einen besonderen Reseller-Vertrag vermuten.

Sonnet dagegen, das Internet-Produkt aus dem Hause Versatel, machte in den letzten Wochen immer wieder negative Schlagzeilen. Nicht nur, dass man Kunden, die das Produkt angeblich missbrauchten, von heute auf morgen kündigte. Auch Bestandskunden hatten und haben einen schweren Stand: Bis zu 100 Wahlversuche brauchte man in der Vergangenheit, um sich einwählen zu können. Hier hat der Anbieter sich offenbar kräftig verkalkuliert, die Kapazitäten sind viel zu knapp bemessen. Derzeit gibt es bei Sonnet einen Anmeldestopp. Ob und wann neue Kunden aufgenommen werden, konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen. Eine E-Mail-Anfrage wurde nicht beantwortet, ein Rückruf steht noch aus.

Keine Probleme sind dagegen von Digital Transfers bekannt, das seinen Pauschaltarif bereits seit dem Herbst letzten Jahres anbietet. Der monatliche Grundpreis von 249 Mark dürfte allerdings dank deutlich günstigerer Offerten nur noch wenige Kunden hinter dem Ofen hervorlocken.

Fazit: Die Netzbetreiber werden ihre Internet-Flatrates mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft anbieten, zumindest dann, wenn der Kunde direkt bei der jeweiligen Telefonfirma am Netz ist. Große Provider wie AOL haben darüber hinaus genügend Bestandskunden, die auch andere Tarife nutzen, um einen Pauschaltarif ggf. quersubventionieren zu können. Außerdem haben die "Großen" durch E-Commerce-Kooperationen weitere Einnahmequellen, die eine Finanzierung eines Pauschaltarifs, der unterem Strich zurzeit noch ein Verlustgeschäft ist, möglich machen.

Kleinere Internetfirmen, die teilweise nur mit dem Pauschaltarif auf den Markt kamen, wurden von Powerusern förmlich überrannt. Die Nutzungszeiten waren und sind so hoch, dass sich die Flatrate für diese Firmen nicht lohnten. Sicher hoffte das eine oder andere Unternehmen, dass sich in Punkto Interconnection-Gebühren schneller etwas ändert. Doch noch gibt es keinen Pauschal-Interconnect.