Schmusekurs?

Call by Call im Ortsnetz: Entschiedenes Hin und Her

Wirtschaftsausschuss beschließt Netzbetreibervorwahl noch in diesem Jahr - BREKO äußert Unverständnis
Von Marie-Anne Winter

Nachdem der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages gestern beschlossen hat, in diesem Jahr die Einführung der Netztreibervorauswahl im Ortsnetz (Call by Call) doch noch zu ermöglichen, tut der Bundesverband der regionalen und lokalen Telekommunikationsgesellschaften (BREKO) "völliges Unverständnis" kund. "Am Montag noch haben alle Fraktionen übereinstimmend Kritik an einer vorschnellen Einführung im Rahmen der kleinen Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) geübt, gestern konnten die Abgeordneten offensichtlich dem massiven Druck der Regierung doch nicht widerstehen", stellte BREKO-Geschäftsführer Rainer Lüddemann verärgert fest.

Vor gut zwei Wochen hieß es noch, dass die SPD offenbar ein Vertragsverletzungsverfahren riskieren wolle, in dem sie die von der EU vorgegebene Einführung des Call by Call im Ortsnetz über das Ende dieses Jahres hinaus verzögere. Einer Sachverständigenanhörung vom vergangenen Montag folgend, kamen die teilnehmenden Politiker nach Einschätzung von Lüddemann zu der Einsicht, dass das Thema zu wichtig sei, als dass es von sachfremden Argumenten überlagert werden dürfe. "Nun hat die Furcht vor Europa den wirtschaftlichen Sachverstand betäubt", kritisiert der Verbandsgeschäftsführer und bezieht sich damit auf die Forderung der Europäischen Union, die Betreibervorauswahl zwingend einzuführen. Nach Lüddemann sei das unnötig, denn gerade in der Expertenanhörung sei diese Notwendigkeit bestritten worden. Langfristige Arbeitsplatz-, Infrastrukturargumente und Innovationsdenken seien über Nacht einem "aktionistischen Europa-Schmusekurs" gewichen. Lüddemann sarkastisch: "Offensichtlich spielen bei der aktuellen Arbeitslosenquote die 60 000, die bei den alternativen Anbietern bedroht werden, keine Rolle mehr. Wer soll denn jetzt noch in echte Infrastruktur investieren, wenn ihm über Nacht die Geschäftsgrundlage entzogen wird?"

Kleinere, rasch noch eingeflochtene Ergänzungen im Gesetzesvorschlag seien lediglich ein Feigenblatt. So die neue Forderung an künftige Call-by-Call-Anbieter, die Netzzusammenschaltung im jeweiligen lokalen Einzugsbereich vorzunehmen. Dies sei keine wirklich infrastrukturfördernde Maßnahme, wie sie allenthalben gewünscht werde. Die Berücksichtigung des viel wichtigeren Entgeltregulierungskonzeptes sei zudem immer noch nur ein frommer Wunsch. BREKO sieht keine realistische Chance mehr, dass der Bundestag am kommenden Freitag in 2. und 3. Lesung doch noch den Weg zur Behandlung dieser Punkte im Rahmen der großen TKG-Novelle im kommenden Jahr weist. Weitere Informationen zum Thema "Call by Call" finden Sie auch in unserem aktuellen Call-by-Call Special.