Never ending

Scharfe Kritik an Regierung

Aufsichtsrat will offenbar nur "interner Lösung" zustimmen
Von dpa / Karin Müller

Im Streit um eine Ablösung des angeschlagenen Telekom-Vorstandschefs Ron Sommer hat der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende eine Einmischung der Bundesregierung in scharfer Form verurteilt. Bis heute habe niemand Sommer ein Fehlverhalten an der Spitze der Telekom nachweisen können, sagte Rüdiger Schulze am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. Daher gebe es keine Veranlassung, "die Telekom in eine völlig neue Situation zu stecken". Der 20-köpfige Aufsichtsrat will am Dienstag in einer Sondersitzung über Sommers Zukunft entscheiden. Die T-Aktie war bis Freitagmittag einer der führenden Werte im Aktien-Index DAX und legte um 4,6 Prozent auf 12,15 Euro zu.

Das Bundesfinanzministerium wies erneut den Vorwurf zurück, hinter den Kulissen eine Ablösung von Sommer zu betreiben. Die Bundesregierung sei mit Sitz und Stimme im Aufsichtsrat des Unternehmens vertreten, sie habe dort ihre Position beschrieben und werde dies auch künftig nur dort tun, sagte Ministeriumssprecher Jörg Müller in Berlin. "Wir kommen unserer Treuepflicht dem Unternehmen gegenüber als Anteilseigner und Aufsichtsratsmitglied nach", sagte er.

In Tageszeitungen erschien ein von rund 18 000 Telekom-Mitarbeitern unterzeichneter offener Brief "an die politisch Verantwortlichen". Darin wird die Sorge geäußert, die Telekom werde als "politischer Spielball" missbraucht. Jedoch werden Sommer und der Vorstand mit keinem Wort erwähnt. Die Unterzeichner verteidigen aber die Telekom-Strategie mit den von Politikern und Aktionären kritisierten Milliarden-Investitionen. Nach dpa-Informationen wurden die Anzeigen von der Telekom finanziert.

Unterdessen wurde der Telekom-Vorstand Gerd Tenzer als möglicher Sommer-Nachfolger ins Spiel gebracht. Der Nachrichtensender n-tv berichtete, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hätten beschlossen, nur einer internen Lösung zuzustimmen. Wie aus dem Umfeld des Unternehmens zu hören war, gehört der im Vorstand für Technik und Produktion zuständig Diplom-Ingenieur aber nicht zum engen Kandidatenkreis.

Bundeskanzler Gerhard Schröder ist informierten Berliner Kreisen zufolge seit Tagen auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten. Mehrere Top-Manager aus der deutschen Wirtschaft haben den angebotenen Job an der Spitze von Europas größtem Telekommunikationskonzern abgelehnt.

Aufsichtsratsvize Schulze sagte, der Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Manfred Overhaus, habe in einer Präsidiumssitzung bestätigt, "dass das, was durch Informationen in die Medien gekommen ist, in Übereinstimmung mit dem Finanzminister und dem Bundeskanzler geschieht" und gefordert, "dass die Ablösung Ron Sommers vorgenommen werden soll".

Die politische Einmischung füge dem Unternehmen Schaden zu, sagte der ver.di-Bundesfachbereichsleiter weiter. "Dann sollte die Regierung konsequent sein,.. und sagen, sie entlässt den Vorstand, entlässt den Aufsichtsrat, die Anteilseigner, die Arbeitnehmer werden ja eh gewählt in diesem Jahr, und dann sollen sie Ministerialbeamte einsetzen. Dann haben sie wieder die alte Behörde nach dem alten Strickmuster. Dann können sie bestimmen. Wenn sie das nicht wollen, dann sollen sie sich gefälligst raushalten", so Schulze.

In der Frage der umstrittenen Anhebung der Vorstandsgehälter bei der Deutschen Telekom war die rot-grüne Bundesregierung offenbar frühzeitig informiert. Der Bund, der 43 Prozent der Telekom-Anteile hält, habe gegen die Aufstockung von neun auf 17 Millionen Euro seinerzeit keinen Widerspruch angemeldet, berichtet die "Berliner Zeitung" unter Berufung auf politische Kreise in Berlin. Aktionäre hatten Sommer und seinen Vorstandskollegen angesichts tiefroter Zahlen und des Kursverlusts der T-Aktie Realititätsverlust vorgeworfen.

Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber hatte die Bundesregierung dafür verantwortlich gemacht, dass bei der Telekom die Gehälter um 90 Prozent gestiegen seien, während der Kurs der T-Aktie 90 Prozent seines Wertes verlor. Auf diese Vorwürfe hin habe sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Anfang der Woche erstmals öffentlich von Telekom-Chef Ron Sommer distanziert, schreibt die Zeitung weiter. Seitdem nehmen die Spekulationen um eine baldige Ablösung von Ron Sommer an der Spitze des Bonner Konzerns kein Ende.