verfahren

Call by Call im Ortsnetz verzögert sich

Guter Wille allein genügt nicht
Von Marie-Anne Winter

Nachdem die Bundesregierung mit Ach und Krach beschlossen hat, das Call by Call im Ortsnetz doch noch in diesem Jahr einzuführen, verdichten sich die Hinweise darauf, dass es ein bisschen länger dauern wird, bis die Kunden tatsächlich die freie Wahl der Anbieter haben, wenn sie ohne den Umweg über einen 0190-Anbieter im Ortsnetz einen alternativen Anbieter wählen wollen. Verzögerungen waren bereits im September absehbar, als wir berichteten, dass die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) wenig Interesse bei den Anbietern registrierte. Die Anbieter ihrerseits klagten über die fehlenden Vorgaben der Regulierungsbehörde, die ja für Vorschläge für eine brauchbare Entgeltregelung verantwortlich sei. Harald Geywitz vom Berliner Büro des Verbandes der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiesneten (VATM) bestätigte gegenüber teltarif.de, dass der VATM davon ausgehe, dass die ersten Angebote erst im Frühjar 2003 kommen werden. So lange kein konsistentes Entgeltsystem vorliege, könne kein Anbieter seine Angebote kalkulieren.

Noch haben sich die alternativen Anbieter nicht mit der Deutschen Telekom über die technischen Details und die Kosten für die Umsetzung der freien Betreiberwahl im Ortsnetz auseinandergesetzt. Weit über 90 Prozent der Ortsnetzanschlüsse gehören noch immer zur Telekom. Die Wettbewerber sind also darauf angewiesen, zu erträglichen Bedingungen in die Ortsnetze gelassen zu werden. Uneinigkeit herrscht auch über die Anzahl der Übergabepunkte - die Telekom ist daran interessiert, dass die Wettbewerber möglichst viele Schaltstellen einrichten müssen, die Anbieter wollen ihre Kosten gering halten und beharren auf möglichst wenig Übergabepunkten.

Bis zum 22. November werden bei der RegTP Stellungnahmen der verschiedenen Anbieter gesammelt. Im Grunde hätte eine solche Bestandsaufnahme im Vorfeld schon stattfinden können - aber sowohl die Regulierungsbehörde, als auch die Telekommunikationsanbieter erklärten, dass die unklare Gesetzeslage wenig motivierend gewesen sei. Also wurde abgewartet - bis sich die ebenfalls in diesem Punkt sehr unentschiedene Regierung dem Druck aus Brüssel beugte und mit der im Eiltempo durchgezogenen "kleinen Novellierung" des Telekommunikationsgesetzes das angedrohte Vertragsverletzungsverfahren noch einmal abwendete. Denn auch wenn sich die Einführung der freien Betreiberwahl im Ortsnetz verzögert, hat die Regierung mit dem Gesetz doch guten Willen bewiesen.

Erfahrungsgemäß ist nicht davon auszugehen, dass sich die Wettbewerber und die Telekom direkt einigen werden. Deshalb ist ein so genanntes Beschlusskammerverfahren in Vorbereitung. In diesem Verfahren wird die RegTP die technischen Details für die Umsetzung des Call by Call im Ortsnetz festlegen. Die Telekom wird danach ihre Preisvorstellungen bekanntgeben, wobei davon auszugehen ist, dass diese den Anbietern nicht gefallen werden. In einem weiteren Beschlusskammerverfahren wird die Regulierungsbehörde dann die an die Telekom zu zahlenden Preise festlegen. Es wird also noch ein Weilchen dauern, bis die Anbieter ihre Angebote für Call by Call im Ortsnetz kalkulieren können. Und noch ein bisschen länger, bis die Endkunden auch in den Ortsnetzen die freie Wahl haben.