Mehrwert?

OLG Stuttgart: 0190-Anbieter müssen Kunden nicht überwachen

Grundlage zur Beurteilung von Wettbewerbsverstößen ist das TDG, nicht das TKG
Von Marie-Anne Winter

Die Welt der Mehrwertdienste ist unübersichtlich. Immer wieder werden Wettbewerbsverstöße offensichtlich, doch noch ist nicht entschieden, wer letztlich verantwortlich gemacht werden kann. Häufig sind es noch die Kunden, die auf unseriöse 0190-Anbieter hereingefallen sind. Sofern sie nicht beweisen können, dass sie bestimmte Verbindungen unwissentlich hergestellt haben oder die Anbieter nicht in der Lage sind, nachvollziehbar nachzuweisen, dass diese Dienste in Anspruch genommen wurden, gilt "Dummheit schützt vor Strafe nicht". Sprich: Die Kunden müssen zahlen.

Nun sieht das Telekommunikationsgesetz vor, dass Netzbetreiber und 0190-Anbieter solche Mehrwertdienst-Nummern, die nachweislich missbraucht werden, um Kunden das Geld ohne die entsprechende Gegenleistung aus der Tasche zu ziehen, abschalten müssen. Das ist immerhin eine Möglichkeit, den Missbrauch einzuschränken, auch wenn ein Missbrauch ja erst öffentlich wird, wenn es Geschädigte gibt - die unter Umständen auf Kosten sitzen bleiben.

Nun hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart ein Urteil verkündet, das die Situation wieder komplizierter macht: Es entschied, dass Anbieter, die 0190-Nummern weitervermieten, nur beschränkt für die Wettbewerbsverstöße ihrer Kunden haften. Entscheidungsgrundlage sei bei inhaltlichen Fragen zu den Premium-Rate-Nummern das Teledienstegesetz (TDG) und nicht das Telekommunikationsgesetz (TKG).

Das hat enorme Konsequenzen: Nach § 9 TDG sind Diensteanbieter nicht dazu verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen. Sie müssen auch nicht nach Umständen forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit ihrer Kunden schließen lassen. Der Nachweis eines Wettbewerbsverstoßes wird dadurch sehr schwierig.

Interessant wird es besonders dann, wenn ein Wettbewerber gegen den anderen klagt. Im konkreten Fall, über den das Handelsblatt berichtete, hatte ein Anbieter von Telefon-Mehrwertdiensten, der unter der Bezeichnung "Power-Flirt-Line" einen Chat- und Flirt-Dienst betreibt, einen Reseller von 0190-Rufnummern auf Unterlassung verklagt. Die Kunden des Beklagten hatten auf Aufforderung des Beklagten hin innerhalb des Flirtdienstes des Klägers telefonische Nachrichten hinterlassen, die ihrerseits für eine 0190-Nummer warben - und zwar die Nummer des Beklagten. Damit sollte der Profit an den eigenen Premium-Rate-Nummern gesteigert werden. Das OLG lehnte es aus Mangel an Beweisen ab, den Weiterverkäufer wegen eines gezielten Abfangens von Kunden eines Wettbewerbers zu verurteilen.

"Der Mangel an Beweisen" kam auch dadurch zustande, dass das Oberlandesgericht es ablehnte, die übertragenen Sprachnachrichten als Beweis zuzulassen, da diese wegen dem Fernmeldegeheimnis nicht abgehört werden dürften.

Az: 2 U 47/01 DE .