Hintergrund

Siemens-Chef Pierer geht mit gutem Gefühl

Sein Nachfolger muss über die Zukunft der Handys entscheiden
Von dpa / Björn Brodersen

Die Krise im Handygeschäft hat den Abschied des Siemens-Chefs Heinrich von Pierer überschattet. So wird Nachfolger Klaus Kleinfeld - in Absprache mit dem neuen Aufsichtsratsvorsitzenden - über die Zukunft der Handys entscheiden müssen.

Für die Mobilfunkgeräte hatte Pierer immer ein besonderes Faible. Auf Hauptversammlungen und Pressekonferenzen hielt er die neuesten Modelle in die Höhe und warb um Käufer. Doch spätestens seit dem vergangenen Sommer steckt der Geschäftsbereich tief in der Krise. Während bei den Konkurrenten das Geschäft im Weihnachtsquartal dank der hohen Nachfrage nach Foto-, Klapp- und UMTS-Handys boomte, musste Siemens einen Absatzeinbruch von 15,2 auf 13,5 Millionen Geräte hinnehmen. Zum Vergleich: Marktführer Nokia verkaufte im selben Zeitraum 66 Millionen Handys und vergrößerte seinen Marktanteil auf 34 Prozent.

Vielleicht noch schlimmer: Der durchschnittliche Verkaufspreis sank bei Siemens von 98 auf 86 Euro pro Gerät, während Konkurrenten leicht über 100 Euro kommen. Als Folge machte Siemens im Quartal mit Handys ein sattes Minus von 143 Millionen Euro. Der Verlust war damit nochmal so hoch wie im Vorquartal, als Sonderbelastungen durch eine Software-Panne anfielen.

Noch gut in Erinnerung: die Software-Panne der 65er-Handy-Serie

Die aktuelle 65er-Handy-Serie sei zwar technisch gut, aber etwas spät gekommen, sagte von Pierer nach Ursachen befragt. "Da waren die Regale schon mit anderen Produkten gefüllt." Zudem habe natürlich die Software-Panne das Image belastet. Siemens hatte die ersten 65er-Modelle wegen eines zu lauten Warntons zurückgerufen. Viele Experten bezweifeln, ob auch andere Hersteller so übereifrig reagiert hätten. Auch von Pierer sagt, dass sich das Problem im Nachhinein als eher unbedeutend herausgestellt habe.

Er sei überzeugt davon, dass sich das Handygeschäft sanieren lasse, meint ein hochrangiger Siemens-Manager. "Das ist einfach." Allerdings werde man als weltweite Nummer vier wohl nie die Margen erzielen können, die Marktführer Nokia und Aufsteiger Samsung verdienen. Für einen Konzern wie Siemens, der den Anspruch hat, in allen Geschäften möglichst die Nummer eins oder zwei weltweit zu sein, sind das keine guten Aussichten. So dürfte neben der Sanierung vor allem die Suche nach einem Partner für Siemens weiter eine Option sein. Eine Schließung ist dagegen unwahrscheinlich. "Wir haben eine gute Entwicklungsmannschaft, exzellente Werke und einen guten Markennamen. Diesen Wert gilt es zu erhalten", sagte von Pierer. In einem breit aufgestellten Konzern wie Siemens gibt es immer offene Baustellen. Heutige Ertragsbringer wie die Energieerzeugung und die Medizintechnik mussten in der Vergangenheit ebenfalls Krisen durchstehen. So konnte Pierer nach zwölf Jahren an der Spitze trotz der Handy-Probleme sagen: "Ich gehe mit einem guten Gefühl."

Mit Kleinfeld kommt der "Wunderknabe"

Sein Nachfolger Kleinfeld tritt nach von Pierers Einschätzung zwar den schönsten Job in der deutschen Wirtschaft an, aber auch keinen leichten. Die Situation sei vor allem im Arbeitsgebiet Information und Kommunikation sehr schwierig, sagte Kleinfeld am Rande der Hauptversammlung. "Das ist eine große Baustelle." Dabei gehe es nicht nur allein um die Sanierung des Handygeschäfts, auch im Festnetzbereich sei die Lage nicht einfach. Viele trauen dem Manager zu, die großen Fußstapfen von Pierers füllen zu können, der auch schon als "Wunderknabe" bezeichnet wurde. Im Konzern werden diese Vorschusslorbeeren nicht gerne gesehen. "Dafür ist es eigentlich zu früh, man nimmt ihm die Luft, zu atmen."

Der gebürtige Bremer trat seinen Dienst bei Siemens 1987 als Referent im Betriebsbereich an. Schnell stieg er auf und wurde unter anderem 1995 Leiter der Siemens-Unternehmensberatung. Ein wichtiger Karrieresprung war 2001 Kleinfelds Wechsel in die USA. Unter seiner Führung schaffte das US-Geschäft die Ertragswende. Seither gilt er manchen als Prototyp des alerten, aber eiskalt kalkulierenden Managers nach amerikanischem Vorbild. Arbeitnehmervertreter befürchten, dass Kleinfeld in Sachen Stellenverlagerung und Streichung von Jobs rücksichtsloser auftreten könnte als von Pierer.