Wettrennen

Die Tchiboisierung des Mobilfunkmarktes

"Quer durch die Branche ist eine gewisse Panik zu spüren"
Von Marie-Anne Winter

Die bereits vor einigen Monaten angekündigte Tchiboisierung des Mobilfunkmarktes ist in vollem Gange. Mittlerweile heißt es gar, dass "quer durch die Branche eine gewisse Panik zu spüren" sei, wie Dan Bieler vom Marktforschungsunternehmen Ovum gegenüber dem Handelsblatt sagte. Vor allem bei T-Mobile wolle man nicht schon wieder zusehen, wie die Marktanteile verloren gehen - in den ersten Monaten dieses Jahres hatte die Telekom-Tochter vergleichsweise wenig Neukunden hinzu gewinnen können. Zwar hatte sich T-Mobile entschieden, nicht mehr jedem Kunden hinterher laufen zu wollen, mit der daraus resultierenden Entwicklung ist der Mobilfunker offensichtlich aber auch nicht zufrieden.

Nun hat sich die Situation durch den Markteintritt weiterer Mobilfunk-Discounter nicht gerade entspannt. In dem zunehmend gesättigten Markt müssen die Unternehmen mit immer härteren Bandagen kämpfen. Und der Neuling unter ihnen, ALDI, ist optimistisch, dass sein Angebot ALDI Talk die Massen erreichen wird: Bis Ende kommenden Jahres will der Lebensmitteldiscounter 750 000 Prepaid-Karten unter die Leute bringen. Zum Vergleich: Kaffeeröster Tchibo konnte in den vergangenen eineinhalb Jahren bislang 440 000 Kunden gewinnen. Das bedeutet andersherum aber auch, dass jeder fünfte Neukunde von o2 über Tchibo kommt.

Vor- und Nachteile der Branchenneulinge

Eingeführte Marken wie ALDI und Tchibo können im Mobilfunkgeschäft durch den Verkauf ihrer Produkte über ihre zahlreichen Filialen gegen die etablierten Unternehmen und Vertriebsschienen also durchaus punkten. Es heißt, dass auch LIDL vor der Einführung eines Mobilfunkproduktes stehe - allerdings bleibt abzuwarten, wie das tatsächlich aussieht. Es ist möglich, dass es sich auch hier letztlich weniger um ein neues Produkt, als um einen neuen Vertriebsweg für einen bereits eingeführten Discount-Tarif handeln wird, wie das beim Lebensmitteldiscounter Plus und dem "Plus-Tarif" debitel light der Fall ist.

Es gibt allerdings auch pessimistischere Bewertungen: Roman Friedrich von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton schätzt, dass die neuen Anbieter auf Dauer kaum erfolgreich sein könnten, weil sie immer am Tropf der Netzbetreiber hängen würden, bei denen sie Mobilfunkminuten einkaufen müssten. Das scheint die Discounter aktuell aber nicht zu schrecken - bisher können sie vergleichsweise hohe Gewinnmargen mitnehmen - es ist hier von zwanzig bis vierzig Prozent die Rede.

Die "natürlichen Grenzen"

Nach dem Einstieg von ALDI haben sich die Discounter bei Tarifen zwischen 14 und 16 Cent pro Minute eingepegelt. Untereinander telefonieren ALDI- und Tchibo-Kunden für 5 Cent. Die Konkurrenten simply, klarmobil und easyMobile lassen ihre Kunden bis Ende Februar sogar kostenlos miteinander plaudern. Das hat Branchenführer T-Mobile mit seinen seinen 28 Millionen Kunden offenbar dazu bewogen, ebenfalls Gespräche für 5 Cent anzubieten: Kunden im Xtra Click&Go-Tarif können ebenfalls für 5 Cent zu anderen T-Mobile-Kunden telefonieren. Das signalisiert den Kunden zum einen, dass sie nicht zu einem Prepaid-Discounter wechseln müssen, wenn sie günstig telefonieren wollen. Nebenbei bemerkt sind die Discount-Angebote nicht in jeder Hinsicht günstig - wie Sie auch in unserem aktuellen Editorial nachlesen können.

Doch die günstigen Netzintern-Angebote haben auch ihre Schattenseiten. Denn letztlich sind günstige Netzintern-Preise wettbewerbsfeindlich. Zum anderen liegt auf der Hand, dass der Preis für Gespräche in andere Mobilfunknetze die "natürliche Grenze" des Wettrennens um den günstigsten Discountpreis aufzeigt: Die Mobilfunknetzbetreiber verlangen für jeden Anruf, den sie in ihr Netz leiten, zwischen 11 und 12 Cent netto Terminierungsentgelt. Bei jedem Tarif, der unter diesen Preisen liegt, würden die Anbieter bei Anrufen in ein anderes Mobilfunknetz draufzahlen.