unklar

Editorial: Wie lang denn nun?

Widerrufsrecht bei Online-Shops und eBay-Shops widersprüchlich
Von

Durch ein Rundschreiben einer Rechtsanwaltskanzlei wurde ich auf ein Urteil aufmerksam gemacht, über welches wir zwar bereits vor etlichen Monaten berichtet hatten, welches mir aber bis dahin entgangen war: Gewerbliche Händler müssen bei Verkäufen über eBay ihren Kunden nicht nur zwei Wochen, sondern einen ganzen Monat als Widerrufsfrist gewähren. Für die Verbraucher sicherlich ein Vorteil: Entsprechend länger haben sie Zeit, einen Fehlkauf doch noch rückabzuwickeln.

Andererseits stellt sich sofort die Frage, was an "eBay" so speziell ist. Bei Online-Shops, auch bei großen und namhaften, wird das Widerrufsrecht in der Regel auf zwei Wochen beschränkt. Ob man nun bei eBay auf "Sofort Kaufen" oder bei einem Online-Shop auf "Kaufen" klickt, was macht den Unterschied?

Ein Blick in die Begründung der Urteile (Kammergericht Berlin mit Aktenzeichen 5 W 156/06 oder OLG Hamburg mit Aktenzeichen 3 U 103/06) zeigt, dass im Gesetz die Verpflichtung des Händlers zur Belehrung des Verbrauchers über das Widerrufsrecht nach § 312c BGB doppelt vorhanden ist: Zum einen muss gemäß Absatz (1) dieses Paragraphen vor dem Vertragsabschluss eine Belehrung "in einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich" erfolgen, zum anderen muss nach Absatz (2) spätestens bis zur Lieferung eine Belehrung "in Textform" folgen, was wiederum laut Gesetz i.d.R. "gedrucktem Text auf Papier" entspricht.

Das Problem liegt nun in § 355 BGB, der gar noch eine dritte Form der Belehrung einführt, nämlich "eine deutlich gestaltete Belehrung [...] entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels [...] in Textform". Dies ist letztendlich ein Mischmasch aus den beiden Regelungen des § 312c, mit der Folge, dass die genannen Gerichte fordern, dass alle Anforderungen gleichzeitig erfüllt werden müssen. Insbesondere die Anforderung an die Textform als "ausgedrucktes" Dokument ist aber bei Online-Abschluss des Vertrages nicht erfüllbar, und folglich urteilen die Gerichte, dass die korrekte Belehrung frühestens mit der Lieferung erfolgt, und damit die verlängerte Frist (ein Monat statt zwei Wochen) gilt.

Kleine eBay-Händler können sich nur schwer gegen Abmahnungen wehren

Das Problem trifft aber alle Onlinehändler gleichermaßen, egal ob die Waren über eBay oder die eigene Webseiten vertrieben werden. Die Besondere an eBay ist aber sicher, dass dort viele vergleichsweise kleine Händler aktiv sind, die sich gegen Abmahnungen nicht oder nur eingeschränkt zur Wehr setzen können, und sei es deswegen, weil sie zwar das Geld für einen Rechtsstreit hätten, aber in der Kürze der Zeit keinen kompetenten Anwalt finden. Bei großen Online-Händlern würden diejenigen, die Serienabmahnungen wegen angeblich oder tatsächlich falscher Widerrufsbelehrungen verschicken, hingegen ein großes Risiko eingehen, am Ende einen kostspieligen Prozess zu verlieren. Deswegen dürften hier Abmahnungen entsprechend seltener erfolgen, und die unterschiedliche Widerrufspraxis zwischen eBay und Online-Händlern daher noch eine zeitlang weiterexistieren.

Praktisch ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber wirklich gewollt hat, dass ein Händler, der nach § 312c korrekt belehrt, dennoch die 1-Monats-"Straffrist" des § 355 aufgedrückt bekommt, weil die dort formulierten Anforderungen nochmals härter sind als die von § 312c. Der bezüglich der unklaren Situation von uns befragte Anwalt Dr. Peter Schmitz von Piepenbrock Schuster [Link entfernt] formulierte dazu:

Die Regelungen zu den Fernabsatzwiderrufsbedingungen sind unzweifelhaft so schlecht und irreführend formuliert, dass selbst der Gesetzgeber diese nicht versteht - wie seine irreführenden und unzurreichenden Belehrungsmuster gem. BGB-InfoVO zeigen. Es fragt sich sehr, ob Gericht von Wirtschaftsunternehmen bessere Rechtskenntnis und Gestaltung der Widerrufsbelehrung als vom Gesetz- und Verordnungsgeber erwarten dürfen und mögliche Verstöße tatsächlich als wettbewerbswidrig ansehen können.
Dem kann man nicht mehr viel hinzufügen, außer vielleicht dem Hinweis, dass es auch helfen würde, wenn Abmahnungen kostenmäßig beschränkt würden. Das würde so manchem "Abmahnverein" die Geschäftsgrundlage entziehen.