Sorge

Bei den Motorola-Mitarbeitern liegen die Nerven blank

Reaktion auf Stellenabbau in Deutschland
Von dpa / Marie-Anne Winter

"Die Nerven liegen blank" - so beschreibt IG-Metall-Geschäftsführer Meinhard Geiken die Situation in Flensburg bei den Mitarbeitern des Handy-Herstellers Motorola. 1 150 Beschäftigte blicken mit Sorge in die Zukunft, da die Unternehmensleitung den Bereich Verpackung und Versand an einen externen Dienstleister übertragen will und die Produktion der UMTS-Geräte nach China gehen soll.

Die Gewerkschaft ist zuversichtlich, dass bei Verhandlungen mit dem Unternehmen an diesem Montag eine Einigung über einen Sozialplan erzielt wird. Die Arbeitnehmervertreter fordern eine Transfergesellschaft und eine davon unabhängige Abfindungsregelung.

Die Umstrukturierungen betreffen insgesamt 880 Beschäftigte. "Für den Rest wissen wir noch nicht, wie es weitergeht", sagt Geiken. Nach Angaben eines Unternehmenssprechers am Firmensitz im hessischen Taunusstein will Motorola am Standort Flensburg festhalten.

Die etwa 650 Motorola-Mitarbeiter im Bereich Service, Verpackung und Fracht hoffen auf eine Übernahme durch das neue Unternehmen. Den Namen des Dienstleisters will Motorola im Sommer bekannt gegeben. "Noch laufen die Verhandlungen", hieß es. In Flensburg ist in diesem Zusammenhang der Logistikriese DHL im Gespräch.

Trotz vieler Höhen und Tiefen der vergangenen Jahre hatte die Handy-Schmiede eine Erfolgsgeschichte in Flensburg geschrieben. 1998 stand hier die modernste Handy-Fabrik in Europa. 1999 wurde die Fertigung massiv ausgeweitet. Hierfür lief die Produktion an sieben Tagen rund um die Uhr, in einem Zwölf-Stunden-Schicht-Modell. In Spitzenzeiten waren im Werk 3 000 Beschäftigte tätig. 2003 kam dann mit der Ankündigung von 600 Entlassungen und einer Produktionsverlagerung nach China ein Rückschlag.

Rückbau eines Industriestandortes

Die Entscheidung des weltweit zweitgrößten Handy-Herstellers für einen Sitz an der dänischen Grenze hatte das 86 000 Einwohner zählende Flensburg zu einem wichtigen Industriestandort in Schleswig- Holstein gemacht. "Motorola hat über viele Jahre eine große Anzahl an Arbeitsplätzen hier gehalten und eine erhebliche Wertschöpfung gebracht", sagt der Geschäftsführer der Flensburger Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Klaus Matthiesen. Er rechnet damit, dass Teile des Unternehmens, wenn auch unter anderem Namen, bleiben werden. Die im Gefolge von Motorola entstandenen Zulieferbetriebe hätten sich zum größten Teil erfolgreich um andere Auftraggeber bemüht.

Noch nicht absehbar seien die Folgen für die vielen Leiharbeiter. In guten Zeiten waren 800 bis 1 000 Fremdarbeiter in die Produktion mit einbezogen. Bis auf wenige Werkverträge, die noch abgearbeitet werden müssen, sind die Fremdfirmen schon alle raus, berichten Matthiesen und Geiken.

Das Werk in Flensburg gehört zur Motorola Deutschland GmbH (Taunusstein) und ist nach Unternehmensangaben die größte deutsche Niederlassung. Sie konnte 2006 noch einen zweistelligen Umsatzzuwachs verbuchen. Die Motorola GmbH erzielte nach eigenen Angaben 2005 in Deutschland mit 2 500 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 5,5 Milliarden Euro. Weltweit lag der Umsatz 2006 bei 42,9 (2005: 35,3) Milliarden Dollar.