Startschuss

15 Jahre digitaler Mobilfunk in Deutschland

Mit dem Start der D-Netze begann der Siegeszug des Handys
Von Marie-Anne Winter

Am 27. Mai 1994 griff der damalige Minister für Post und Telekommunikation, Dr. Wolfgang Bötsch, zum Handy und 500 Gäste verfolgten, wie er Henry Kissinger auf der anderen Seite des Atlantiks zum Geburtstag gratulierte. Das war der erste "offizielle" Anruf aus dem E-Plus-Netz. E-Plus hatte im Jahr zuvor die Lizenz für den Aufbau eines GSM-1800-Netzes erhalten. Das E-Plus-Netz wurde auch als E1-Netz bezeichnet. Die D-Netze funkten auf 900 MHz. Die E-Netze benötigen wegen der höheren Frequenz und der geringeren Sendeleistung ein engmaschigeres Netz an Basisstationen, um die gleiche Versorgung wie die D-Netze zu erreichen. Dafür boten sie eine bessere Sprachqualität - daher auch der E-Plus-Slogan "so nah als wär' man da".

1998 kam mit dem Netz von Viag Interkom (heute o2) das E2-Netz dazu. Seitdem kämpfen vier Netzbetreiber auf dem deutschen Markt um Kunden und Marktanteile. Die beiden D-Netzbetreiber liefern sich noch immer ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Marktführerschaft und haben jeweils mehr als 30 Millionen Kunden, die beiden später gestarteten E-Netz-Betreiber ringen jeweils mehr als zehn Millionen Teilnehmern um Platz drei. Nokia-Werbung aus dem Jahre 1992

Durchbruch per Prepaid-Karte

Zum Durchbruch des Mobilfunks für alle verhalfen vor allem die Prepaid-Karten, die 1997 auf den Markt kamen. Damit wurde die Handynutzung ohne Vertragsbindung möglich. Den ersten Versuch startete D1 mit dem Angebot Xtra Club im Februar 1997. Das Paket aus SIM-Karte und Handy enthielt 50 Mark Startguthaben und kostete 249 Mark, allerdings griffen bei diesen Preisen noch nicht allzu viele Kunden zu. Einige Monate später kam die Free & Easy-Karte von E-Plus auf den Markt, diese kostete 149 Mark und enthielt ebenfalls 50 Mark Startguthaben. Die Karte war 90 Tage gültig, Gespräche kosteten 1,39 Mark (etwa 70 Cent) pro Minute, zu anderen E-Plus-Anschlüssen konnte man für 89 Pfennig pro Minute telefonieren.

Im Oktober 1997 brachte D2 dann seine CallYa-Prepaid-Karte heraus. Die Minutenpreise lagen bei dieser Karte bei 1,99 Markt pro Minute in der Hauptzeit, in der Nebenzeit kosteten Prepaid-Gespräche 99 Pfennig pro Minute. Der Versand von SMS war mit den Prepaid-Karten der ersten Generation noch nicht vorgesehen. Zwar gab es in Deutschland seit 1994 die Möglichkeit, SMS zu versenden, aber erst 1999 gingen die Netzbetreiber dazu über, allen Kunden diesen Dienst anzubieten, also auch den Prepaid-Nutzern. Pro SMS wurde diesen 39 Pfennig vom Guthaben abgebucht.

Gratishandys und die nächste Mobilfunk-Generation

Zur Jahrtausendwende kam nicht nur ein neues Kürzel auf, unter dem eine neue Revolution für den Mobilfunk angekündigt wurde - UMTS wurde als neuer Standard der nahezu unbegrenzten Möglichkeiten angepriesen - sondern die Mobilfunk-Anbieter begannen im Rennen um Kunden und Marktanteile auch damit, Neukunden mit stark subventionierten Handys zu locken. Teilweise warfen Mobilfunk-Provider mit Gratis-Geräten nur so um sich, die kurz zuvor noch mehrere hundert Mark gekostet hatten.

Bei einigen Anbietern gab es sogar Mobilfunk-Verträge ohne Grundgebühr mit Gratishandys und Startguthaben oder weiteren Zugaben. Allerdings ging das auf Dauer nicht gut, einige Mobilfunkhändler ruinierten sich mit derartigen Angeboten. Auch die Minutenpreise wurden immer günstiger: Zur CeBIT 2000 senkten die Netzbetreiber die Preise für City-Gespräche bei Laufzeitverträgen auf sensationelle 15 Pfennig pro Minute.

In der allgemeinen Euphorie über die rasante Entwicklung der vergangenen Jahre - Mitte 1998 verzeichneten die deutschen Netzbetreiber gemeinsam 10 Millionen Kunden, Ende des dritten Quartals 1999 hatte sich die Teilnehmerzahl schon wieder verdoppelt - blätterten sechs Unternehmen insgesamt über 100 Milliarden Mark, also über 50 Milliarden Euro, allein für die deutschen UMTS-Lizenzen hin. Doch der Aufbau der neuen Netze und die Einführung der dritten Mobilfunkgeneration erwies sich in der Praxis als viel teuerer und komplizierter als der Aufbau der überaus erfolgreichen GSM-Netze. Katerstimmung machte sich breit, UMTS wurde als Milliarden-Flopp bezeichnet. Während die GSM-Telefonie und einfachste Dienste wie SMS boomten, drohten die schönen Multimedia-Seifenblasen zu platzen. Der Anbieter Quam, der eigens für den erhofften UMTS-Boom gegründet wurde, stellte nach knapp einem Jahr seinen Betrieb wieder ein.