Hintergrund

Call-Center: Schlechte Arbeitsbedingungen, spärliche Gehälter

Branche wächst, aber der Krankenstand der Angestellten auch
Von dpa / Björn Brodersen

Rund 300 000 Menschen arbeiten in Deutschland in dieser Branche - Tendenz steigend. Eine Ausbildung zum Agenten gibt es Bienzeisler zufolge nicht. Viele seien Hausfrauen oder Studenten, die sich etwas dazuverdienen möchten. "Jetzt geht der Trend in Richtung qualifiziertes Personal, die die Sache auch ernsthaft betreiben." Auch investierten mittlerweile immer mehr Firmen in schnelle Computersoftware, Klimaanlagen und Equipment wie Kopfhörer, um die Arbeitsbelastung für ihre Angestellten zu senken.

Darüber hinaus werden der Servicegedanke und die Kundenzufriedenheit zunehmend wichtiger als die schnelle Abwicklung eines Gesprächs. "Diese Neuorientierung wird sich mittelfristig in der Aufwertung des Images von Call-Centern und in der Verbesserung der Arbeitsplatzbedingungen widerspiegeln", so der Soziologe.

Enorme Belastung führt zu hohem Krankenstand

Die enorme Belastung der Call-Center-Beschäftigten schlägt sich auch im Krankenstand der Branche nieder. Im vergangenen Jahr habe die Quote der bei der AOK Versicherten bei 5,75 Prozent gelegen, sagt Klaus Pelster, stellvertretender Direktor am Institut für betriebliche Gesundheitsförderung in Köln. "Das ist ein Prozentpunkt mehr als der Rheinlandsdurchschnitt." Jeder Angestellte eines Call-Centers sei im Schnitt zwei Mal im Jahr bescheinigt krank gewesen. Gründe dafür sieht Pelster vor allem in dem Leistungsdruck und der Kontrolle durch die Uhr.

Die meisten Beschäftigten - etwa ein Viertel - litten unter Atemwegserkrankungen. "Dazu gehört der grippale Infekt, aber auch die Lungenentzündung", erläutert Pelster, der die Ursache im übermäßigem Gebrauch der Stimme vermutet. "Auf Platz zwei sind die Muskelskeletterkrankungen. Zwei Drittel dieser Diagnosen sind Rückenschmerzen."

Beate Beermann, wissenschaftliche Direktorin bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund, rät, nicht ununterbrochen nur am Computer zu sitzen und zu telefonieren. "Fünf bis zehn Minuten Pause pro Stunde müssen sein." Die Chefs sollten ihren Mitarbeitern regelmäßig Freiräume zur Entspannung geben. "Denn Kunden merken, wenn die Agents genervt sind." Auch regelmäßige Schulungen und Sprechtrainings förderten die Arbeitsmotivation.