virtuelle Streife

Tatort Internet: Die Polizei ist oft mehr als einen Klick entfernt

Personelle und technische Ausrüstung häufig nicht ausreichend
Von dpa /

Die Zeiten, als Egon Olsen noch mit dem Schweißbrenner Tresore aufschnitt, gehören der Vergangenheit an: "Heute wird nicht mehr der Panzerschrank geknackt, sondern erfolgreich gehackt", sagt Volker Küster, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter in Thüringen. Mit dem Internet haben sich Betrüger auf neue Methoden wie Phishing oder Scams verlegt. Auch Kinderpornografie, Softwarepiraterie und Urheberrechtsverletzungen sind im weltweiten Netz verbreitet. Doch für die Beamten ist der Tatort Internet oft mehr als nur einen Klick entfernt. "In der realen Welt fährt die Polizei Streife, in der virtuellen hinkt sie hinterher", beschreibt Küster das Problem.

Die im Internet verübten Straftaten nehmen bundesweit deutlich zu. Die Kriminalstatistik führt unter "Tatmittel Internet" im vergangenen Jahr mehr als 179 000 erfasste Delikte auf und damit acht Prozent mehr als 2006. Rund drei Viertel der per Internet begangenen Straftaten sind Betrugsdelikte. Die Arbeit der seit 1999 beim LKA tätigen Internetermittler gestalte sich zum Teil schwierig, weiß LKA-Sprecher Uwe Geisler. Die Täter bedienten sich verschiedener Internetdienste. Und wegen des weltweiten Datenverbunds müssten auch die unterschiedlichen Rechtslagen in den einzelnen Ländern beachtet werden.

Häufig ungenügende technische und personelle Ausstattung zur Verbrechensverfolgung

"Es gibt einen Haufen von Straftaten im Netz, von denen viele unentdeckt bleiben", ist der Kriminalbeamte Küster überzeugt. "Unser Problem ist, wir können nicht mit dem Funkwagen durch das Internet fahren." Durch eine verstärkte Präsenz auf der Straße würden andere Felder wie eben die Verbrechensbekämpfung im Internet vernachlässigt. Auf einem Fachforum will der Bund Deutscher Kriminalbeamter an diesem Dienstag über Internetkriminalität und deren Bekämpfung diskutieren. Neben mangelndem Personal sieht der Bund Deutscher Kriminalbeamter ein weiteres Manko in einer ungenügenden Ausbildung. Hinzu komme, dass sich im Freistaat nicht selten zehn bis 15 Polizisten einen Internetanschluss teilen müssten.

"Die Täter haben sich zu 100 Prozent das Internet zu eigen gemacht, die Polizei ist da noch auf dem Weg", pflichtet Enrico Siemon von der Gothaer Polizeidirektion bei. Der Kriminalhauptkommissar hat die regionalen Beweissicherungseinheiten mit aufgebaut, die seit 2002 etabliert wurden. Inzwischen gibt es sieben derartige Einheiten in Thüringen, in denen insgesamt 17 Beamte Beweise von Festplatten oder Handys sichern und auswerten.

"Das Arbeitsaufkommen ist gestiegen, das Personal nicht", erklärt Siemon den Umstand, dass die Auswertung eines Computers schon mal ein bis zwei Jahre dauern kann. Was Fachwissen und Technik betreffe, hätten die Täter einen erheblichen Vorlauf. "Die Beamten müssen speziell geschult werden, doch die Ausbildung läuft noch zu schleppend. Learning by doing ist hier der falsche Weg."

Kriminologe: "Polizei ist nicht hilflos."

Der Kriminologe Frank Neubacher von der Jenaer Universität sieht dagegen die Polizei für die Strafverfolgung im Internet durchaus gewappnet. Zwar biete das Internet mit seiner Anonymität und dem riesigen Nutzerkreis "äußerst günstige Tatgelegenheiten". Doch stehe die Polizei dem - auch bezüglich der rechtlichen Handhabe - nicht hilflos gegenüber. "Das Internet ist die technische Verwundbarkeit der modernen Gesellschaft, wir werden auf Dauer damit leben müssen, dass wir da anfällig sind."