ORF entscheidet sich beim Digitalradio gegen DAB+
DAB+ in Österreich wird es wohl so schnell nicht geben
Bild: wien.gv.at, Digital Audio Broadcasting
Es ist für Beobachter keine Überraschung: Der Österreichische Rundfunk (ORF) wird seine Radioprogramme dauerhaft nicht im Digitalstandard DAB+ ausstrahlen. Das kündigte ORF-Chef Alexander Wrabetz am Mittwoch laut der Tageszeitung Der Standard im Publikumsrat an. Wrabetz sieht die Radio-Zukunft in internetbasierten Audioboxen, die über WLAN und Mobilfunk Radioprogramme streamen. Dieser Trend werde sich verstärken, so Wrabetz, der etwa auf den intelligenten Amazon-Lautsprecher "Echo" mit der Sprachassistentin Alexa verwies, der gerade in Europa eingeführt wird. Der ORF-General begründete die Entscheidung zudem mit dem "mangelnden Erfolg von DAB+ in anderen europäischen Ländern", auch wenn Statistiken inzwischen eine andere Sprache sprechen. UKW sei der erfolgreichste Radio-Standard, bei dem wolle man bleiben.
Ein Grund für diese Haltung dürfte aber auch die deutliche Dominanz der ORF-Hörfunkprogramme auf UKW sein, hier ist der öffentlich-rechtliche Sender auf bundesweiter Ebene nahezu konkurrenzlos. Das geltende ORF-Gesetz erlaubt dem öffentlich-rechtlichen Sender zudem keine weiteren Radioprogramme im digitalen Bereich, daher sehe der ORF keinen Sinn in einem Technikumstieg. Paradox an der Lage ist, dass die ORF-Hörfunkprogramme bereits heute über DAB verbreitet werden, allerdings nicht in Österreich, sondern in Südtirol. Verantwortlich hierfür ist die Rundfunk Anstalt Südtirol (RAS), die öffentlich-rechtliche Programme aus dem Ausland für die deutschsprachige Bevölkerung ausstrahlt (Re-Broadcasting). Über diesen Umweg ist der ORF auch in kleinen Teilen Osttirols im digital-terrestrischen Radio zu hören, ab 2017 möglicherweise sogar in ganz Tirol, denn die RAS will ihre beiden Multiplexe für Pendler auch im Großraum Innsbruck ausstrahlen.
Auch ORF-Techniktochter überprüft weiteres Engagement in DAB+
DAB+ in Österreich wird es wohl so schnell nicht geben
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Das Nein zu DAB+ beim ORF hat dennoch weitreichende Folgen - nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen europäischen Ländern: Denn auch der österreichische Sendernetzbetreiber und ORF-Tochter ORS überprüft laut "Standard" nach der Absage des ORF ans terrestrische Digitalradio das weitere Engagement in DAB+. Die ORS sei durch die ORF-Absage in einer "diffizilen Situation", weil sie eine Bewerbung für einen nationalen Multiplex nur abgeben könne, wenn sich genügend Programmanbieter an einem solchen Mux beteiligen.
Die ORS betreibt aktuell das DAB+-Testensemble in Wien. 2017 will die Medienbehörde KommAustria einen nationalen Multiplex ausschreiben, der zunächst in den größten Städten des Landes starten soll. Denkbar ist, dass sich die deutsche Media Broadcast im Falle einer Absage der ORS um den Betrieb des Multiplexes bemühen könnte. Generell dürfte die Ausgangslage für digital-terrestrische Radioprogramme in Österreich aber, nach der definitiven Absage des ORF und voraussichtlich auch der größten Privatsender des Landes, weit schwerer als in Deutschland sein. Schon vor dem Start des Testbetriebes in Wien gab es von den Platzhirschen Versuche diesen zu verhindern.
DAB+-Boykott aus purem Egoismus
Insgesamt läuft alles bei der Digitalisierung des Hörfunks auf einen jahrzehntelangen Flickenteppich in Europa heraus: Während Länder wie Norwegen und die Schweiz schon ab dem kommenden Jahr die UKW-Sendernetze abschalten und andere wie Belgien dies anstreben, halten andere stur an der eigentlich technisch längst überholten analogen Technologie fest. Wiederum andere wie Polen denken sogar darüber nach wieder aus DAB+ auszusteigen. Diese Haltung ist zumeist weniger technisch begründet. Vielmehr geht es um eine Verteidigung der eigenen Marktposition: Die UKW-Frequenzen sind knapp, neue Konkurrenten kaum zu erwarten. Bei DAB+ gibt es dagegen theoretisch Platz für bis zu 200 terrestrisch verbreitete Hörfunkprogramme pro Radiomarkt. Das schmeckt den etablierten Sendern nicht. Oft sind es die großen Privatsender, die DAB+ ablehnen, in mehreren Staaten aber auch staatliche und öffentlich-rechtliche Programme.
Ohne die Platzhirsche ist eine Markteinführung des digitalen Radios schwierig. Eine Refinanzierung ist nahezu ausgeschlossen, und auch für Marketingmaßnahmen stehen ohne die Großen weniger finanzielle Mittel bereit. Die Hörerschaft bleibt zumeist bei UKW, nur wenige schaffen sich wegen neuer Programme Digitalradios mit DAB+ an. Ganz anders dort, wo etablierte und zum Teil neue Sender an einem Strang ziehen wie in Großbritannien, Norwegen, der Schweiz, zum Teil in Deutschland und zunehmend auch den Niederlanden: Hier setzt sich die digitale Technologie immer stärker durch.
Europäische Entscheidungen gefragt
Gefragt ist nun eine Entscheidung auf europäischer Ebene. Nur durch einen Beschluss den UKW-Hörfunk europaweit auslaufen zu lassen könnten auch bisherige Blockierer dazu aufgefordert werden auf die digitale Schiene zu springen. Im Moment ist dies aber nahezu ausgeschlossen. Umso wichtiger ist die Verpflichtung für Multichips vor allem in Fahrzeugen, damit künftig das Radio etwa bei einer Fahrt von Deutschland nach Italien durch die Schweiz nicht stumm bleibt.
Österreich setzt unterdessen auf ein anderes Pferd: Die ORF-Hörfunkprogramme und mehrere Privatradios, die DAB+ bislang blockieren, sind nun über die Technologie des digital-terrestrischen Antennenfernsehens, DVB-T2, zu hören. Bisher ist das in Europa weitgehend ein Alleingang.
In einer weiteren Meldung erklären wir Ihnen, wie sich DAB+ im Auto nachrüsten lässt.