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dezentralisierung der medien


19.07.2002 14:10 - Gestartet von guidod
In einer kleinen diskussion unter freunden und deren internet-nutzung ergab sich, dass das internet nachhaltig auch das wissensprofil der menschen beeinflusst - im wesentlichen muss heute das establishment nur die grossen medien in ihren bann ziehen, und kann auf diese weise ihre meinungen in den koepfen der menschen verankern, selbst wenn diese grundfalsch sind. Durch den internet-zugang werden auch verstaerkt andere informationsquellen benutzt, die viel staerker gruppenorientiert sind, und wo zumindest nicht gar so haeufig haarstraeubende fehlinformationen platziert werden, da redakteure und/oder mitwirkende vom fach sind, oder zumindest nah dran.

Hat man nun dazu noch einen breitbandzugang/flatrate, so ist zu beobachten, dass ein grossteil der informationsquellen derer nutzer nicht mehr ein grosse zeitung oder nachrichtensendung ist, sondern eine reihe spezialisierter, wie teltarif, die sehr regelmaessig gelesen werden. Fast alle breitband nutzer, die ich so kenne, haben dann ein aehnliches problem wie ich - schaut man in publikationen wie den spiegel oder sendungen wie tagesschau und aehnliche, so entdeckt man nunmehr in mindestens jedem zweiten beitrag handfeste recherche fehler, der schreiber/macher dort offensichtlich keine ahnung von der materie hatte und sich auch nicht wirklich erkundigt hat.

Umso mehr draengt es die leute zu den dezentralen quellen, die einem durch ihre spezialisierung kompetenter scheinen. Es ergibt, dass sich die staatliche dirigierung des volksbewusstseins immer schlechter durchfuehren laesst - dabei geht es gar nicht nur um ufo-maniacs und verschwoerungs-theoretiker, die erst durch das internet sich zu groesseren und durchaus einflussreichen gruppen finden konnten. Es geht auch um seiten wie indymedia.org, die video-streams ins netz stellen koennen, die so manche behauptung der staatlichen organe luegen strafen. In laendern wie israel, wo die grossen medien noch recht stark zensiert sind, sind es gerade diese unabhaengigen netz-quellen mit video-material, die eine besondere schicht in der gesellschaft stuetzt, die eine andere sicht der realitaeten erhaelt.

Doch wird dies erst durch entsprechenden netz-zugang ermoeglicht. Ein breitband zugang kann so einen entscheidenden unterschied in der sicht der welt machen, in meinen augen oft aufgeklaerter - die naehe zu gebildeten schichten passt da nochmal ins sammelsurium der attribute, kaum einer jener kann sich noch vorstellen, ohne breitband anschluss zu leben. Man haette das gefuehl, mangels informationen dem weltgeschehen dumm gegenueberzustehen, egal ob in wirtschaft, politik, wissenschaft oder anderen lebensbereichen.

Beste gruesse, guido
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[1] vickycolle antwortet auf guidod
20.07.2002 12:49
hi guido,

da die meisten guten beiträge in diesem forum meißt umkommentiert bleiben, will ich mit dieser "tradition" mal brechen und meine meinung zu deinem absolut gelungenen beitrag abgeben.
du hast es äußerst präzise beschrieben wo die vorteile liegen, zusammengefasst in einem wort: dezentralisierung und das die grossen massenmedien "mundgerechte" propagandamaschinen darstellen die weltweit zu fast 90% auf die daten einer einzigen nachrichtenagentur zurückgreifen (reuters).

allerdings begingt hier auch die katze sich in den schwanz zu beißen, denn nichts ist leichter als die elektronischen medien zu "zensieren".
dies passiert in der westlichen welt derzeit noch kaum, in china sieht das zb völlig anders aus, da die kritische masse einfach noch nicht erreicht ist.
sollte diese in den nächsten jahren (jahrzehnten) allerdings erreicht werden, ist es in diesem medium so einfach wie nirgends sonst bestimmte inhalte einfach auszublenden und somit den menschen unzugänglich zu machen.

dies ist leider die kehrseite der medaillie.

derzeit jedoch stellt es die ultimative variante dar und darauf bezog sich ja dein beitrag :-)

gruss
vicky

Benutzer guidod schrieb:
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[1.1] guidod antwortet auf vickycolle
20.07.2002 14:03
da hast du voellig recht, doch bedeuten reaktionaere beschwernisse kein aufhalten der entwicklungen, die durch die veraenderung der unterliegenden technologien angetrieben wird. Gerade in china ist man sich durchaus bewusst, dass die dinge nicht aufzuhalten sind, jedoch sehr wohl gebremst werden koennen, unter dem gesichtspunkt, das system nicht zu erschuettern, in der hoffnung, einen sanften uebergang in neue zeiten zu finden. In der realitaet sind trotz manchenteils stark gebremster vorgaenge die abbrueche dennoch oft noch hart genug. Die komplexitaeten der chinesischen zukunft kann man dabei gut in der entwicklung shanghais verfolgen (nicht hongkong!).

Anderseits bestimmen staatliche zwaenge immer auch gegenbewegung ausserhalb der gesetzt oeffentlichkeit - gerade in laedern mit dem zwiespalt von ausgebautem internet und starker internet zensur (etwa china oder malaysia), finden sich in den groesseren staedten ueberall 'illegale internet cafe's, wo die surfer nicht identifiziert werden - achte mal darauf, in letzter zeit gab es berichte in unserem fernsehen ueber abgebrannte ill.int.cafes in diesen laendern, da dies besonders tragisch endete - keine fluchtmoeglichkeite (versteckte und vergitterte orte!) und viele menschen auf engstem raum.

In unseren breiten sind wir nur dahingegend verwoehnt, dass der breitbandzugang bis nach hause kommt und vergleichsweise wenig vorgreifend kontrolliert wird. Das macht den zugang zu vielfaeltigen informationsquellen natuerlich besonders einfach, gerade auch jene, die eben _nicht_ mehr oder weniger an den zentralen vorgaben haengen - man kann seine lieblingsseiten auch im minutentakt abrufen. Diese rate wuerde auf tageweise reduziert, muesste man sich einen externen zugang suchen, dieser jedoch wird sich immer finden, wenn in einem land das internet ausgebaut ist.

Im prinzip koennte also die umwaelzung der informationsstrukturen nur dadurch verhindern, dass man das internet selbst aufhalten wuerde - genau dieses ist jedoch praktisch nicht moeglich, da die wirtschaft stark davon profitiert. Dies ist etwa vergleichbar mit der diskussion die um die verschluesselung von daten gefuehrt wurde - einige laender wollten, dass uebermittelte verschluesselten daten nur so erfolgen, dass eine kontrollbehoerde diese dennoch lesen kann (key recovery). Es zeigte sich jedoch, dass dann viele unternehmen auf die moeglichkeiten des elektronischen datenaustauschs verzichtet haetten, und die dokumente (oder magnetbaender) eben per kurier ueberbracht haetten. Das geht dann eben langsamer und hemmt die wirtschaft, und hemmt letztlich die entwicklungsmoeglichkeit gegenueber anderen nationen, die diesen hemmschuh nicht einbauen.

Dennoch finden sich etwa zu letztem thema, zu den moeglichkeiten staatlicher kontrolle, immer und immer wieder politiker, die mit barschen vorschlaegen aufwarten, die eben nicht nur unliebsame oder gar gefahrenvollen entwicklungen hemmen wuerden, sondern auch die fortentwicklungsmoeglichkeiten der gesellschaft allgemein. Dem kann man nur durch stetiges gegensprechen begegnen, das ist muehsam, aber muss sein - und es zeigt sich, dass dies einfacher ist, wenn es institutionen gibt, die in der oeffentlichkeit ein gewisses ansehen besitzen - der CCC etwa hat schon mittels lobby arbeit (und pressearbeit mit sensationellen hacks) so einige naegel in den koepfen von politik und medien gezogen.

Nicht nur im grossen rahmen sollte man das allerdings machen, auch in kleinem rahmen kann man ein paar dinge klarstellen, und da das meist muehsam ist, kann man zumindest in unseren regionen mal schnell ein paar web-adressen dem anderen um die ohren hauen, wie eben etwa teltarif, heise/tp oder indymedia, die den menschen auch mal eine andere sicht verpassen koennen, als sie sonstens ueber die ticker kommen. Schon so manche (zentrale) dpa-meldung, die hier bei teltarif wiedergegeben wurde, haben die forumsteilnehmer ordentlich zerfetzt. Und das ist auch gut so.

auf gutes gelingen, cheers, guido