Frei Sprechen
09.02.2008 12:20

Beunruhigend: Handy-Klingeltöne nehmen immer größeres Ausmaß an

Geh endlich an dein Handy ran, du I****!
teltarif.de Leser bergmannschulze schreibt:
Muss ich mich denn wirklich so von meinem Handy ansprechen, ja sogar anschreien lassen? Ich zum Glück nicht, aber der 16-jährige Junge, der gestern im Supermarkt vor mir stand. Traurig, aber wahr. Er zückte sofort sein Handy, als es anfing zu schreien. Mein Handy soll mich niemals so anschreien. Als ich in dem Alter war, hatte mein Handy gerade mal zehn Klingeltöne, monoton versteht sich. Ein paar simple Töne reichten und ich wusste sofort: mich ruft jemand an. Das hat mir vollkommen genügt. Ich muss mir auch keinen Horst Schlämmer auf mein Handy laden, der mir dann sanft „Schätzelein, du hast ne Nachricht“ ins Ohr säuselt. Ein Handy ist ein Handy, kein Mensch. Ich finde, durch Klingeltöne, die dem Handy eine menschliche Stimme verleihen, wird das Handy regelrecht personifiziert. Es befiehlt mir, den Anruf anzunehmen. Es ist nicht einfach nur ein Handy, das klingelt, es ist ein Handy, das zu einem, spricht. So wird das Handy auf penetrante Weise ständiger Begleiter im Alltag und gewinnt eine immer zentralere Bedeutung in unserem Leben.

Ursprünglich sollte es doch nur ein Mobiltelefon sein, mit dem man unterwegs erreichbar sein sollte. Wer hat denn schon bei seinem Festnetztelefon einen Realtone? Niemanden, den ich kenne. Bei denen macht es auch immer noch „piep piep piep“. Aber gut, ich gebe zu, die oben zitierten Klingeltöne sind natürlich extrem. Und es ist ja auch jedem selbst überlassen, ob er ihn sich bestellt oder nicht. Ich habe absolut nichts gegen einen schönen Song, den man sich auf sein Handy lädt und als Klingelton benutzt. Ich finde es sogar schöner sich von seinem Lieblingslied anklingeln zu lassen, als von einem einfachen monotonen Klingelton. Aber ein Muss ist das für mich trotzdem nicht.

Wenn ich mir aber die ganze Werbung auf VIVA und MTV anschaue, treibt mich das regelrecht in den Wahnsinn. Es ist unglaublich, wie viele verschiedene Klingeltöne es gibt. In der Regel werden ungefähr 2-3 Musikclips gespielt und danach erstmal 5 Minuten Klingeltonwerbung gezeigt, immer wieder die selbe, rund um die Uhr. Das geht mir wirklich ziemlich auf die Nerven. Man kann sich dieser Werbung einfach nicht entziehen, sogar auf Pro 7 und SAT 1 ist man nachts diesen nervigen Werbespots ausgeliefert.

Die junge Generation...

Kurz vor Weihnachten habe ich mit meiner 14-jährigen Nichte eine Show auf MTV geschaut. In der Werbepause haben wir eine Klingeltonwerbung gesehen, in der ein betrunkener Elch durch den Wald läuft und „Oh du fröhliche“ leiert. Meine Nichte wollte sich den Klingelton sofort zuschicken lassen. Sie erklärte mir, dass alle in ihrer Klasse solche Klingeltöne benutzen. Es gibt sogar Jugendliche, die ein Klingelton-Abo für 2,99 Euro pro Woche abgeschlossen haben. Als Gegenleistung erhalten sie dafür 30 Klingeltöne. Hochgerechnet auf einen Monat wären das ca. 120 neue Klingeltöne, in einem Jahr sogar ca.1440. Sie würden also jährlich ungefähr 150 Euro dafür ausgeben. Ziemlich viel Geld wie ich finde, vor allem wenn man bedenkt, dass mit Sicherheit nicht mal ein Viertel der Klingeltöne benutzt werden. Oft ist es so, dass man nur eine SMS an den Anbieter schicken muss und mit ein bisschen Pech hat man schon ein Abo an der Backe. Wir man da nicht einfach nur über´s Ohr gehauen?

Für mich wird diese ganze Klingelton-Geschichte völlig überbewertet. Wie ich schon sagte, ist es natürlich schöner, wenn bei einem Anruf mein persönliches Lieblingslied anfängt zu spielen. Das ist schon ein netter Service, wenn ein Handy so etwas kann. Allerdings brauche ich nicht wöchentlich neue Klingeltöne und anschreien lassen will ich mich von meinem Handy schon gar nicht!

Bei der jüngeren Generationen haben die Realtones aber anscheinend eine ganz andere Bedeutung. Es sind Statussymbole. Handys, die keine polyphonen Klingeltöne oder Realtones abspielen können, werden schon gar nicht mehr gekauft. Je aktueller und hipper der Klingelton ist, desto angesehener ist man bei den anderen.

Ich finde es traurig, dass eine so banale Sache eine relativ große Rolle in der jüngeren Gesellschaft spielt. Außerdem ist es erschütternd, dass Kinder und Jugendliche die zum Teil sehr vulgären Klingelton-Parolen immer mehr in ihren normalen Sprachgebrauch aufnehmen.

4x geändert, zuletzt am 09.02.2008 13:38