kontrovers

Handy-Notrufe ab heute nur noch mit aktiver SIM-Karte

Die Pro- und Contra-Argumente zur Neuregelung
Von Die Redaktion

Ab heute sind Notrufe per Handy nur noch mit eingelegter und betriebsbereiter SIM-Karte möglich. Dies geht aus der Notrufverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hervor. Mit der Änderung wolle man dem Missbrauch der Notrufnummer 112 Einhalt gebieten. In Spitzenzeiten waren über 80 Prozent aller Anrufe missbräuchlich gewesen, gaben die Notruf-Abfragestellen an. Wegen der fehlenden Karte seien die Anrufer aber nicht zu ermitteln gewesen.

Was Sie ab dem Stichtag 1. Juli 09 beachten sollten, lesen Sie im Ratgeber Notruf via Handy. Für die Neuregelung gibt es viele Für- und Gegen-Argumente. Auch die teltarif-Redaktion hat sich Gedanken über die neue Notrufverordnung und ihre Folgen gemacht.

Pro und Contra

Pro
Martina Eisinger
Können ausgemusterte Handys wirklich Leben retten oder liegen sie lediglich in verstaubten Schubladen und Handschuhfächern und sind wegen ungeladener Akkus absolut betriebsunfähig? Eine gesicherte Aussage gibt es darüber nicht. Mehr als sicher ist jedoch: Missbräuchliche Anrufe via SIM-loser Mobiltelefone richten Schaden an. Laut Auskunft der Berliner Feuerwehr gehen täglich etwa 500 "Spaßanrufe" ein. Die Zeit, die diese Anrufe in Anspruch nehmen, steht für echte Notfälle nicht zur Verfügung. Hilfe kann nur verzögert geleistet werden. Mit der Neuregelung ab 1. Juli ist das Absetzen von Notrufen mit Handys ohne betriebsbereite SIM-Karte nicht mehr möglich. Im Sinne von Hilfebedürftigen, Menschen in Gefahr, Unfallopfern: Gut so.

Rettungsdienste berichten weiterhin von zahlreichen mit Mobiltelefonen getätigten Notrufen, die in der Vergangenheit schwer oder gar nicht zu zuordnen waren. Etwa dann, wenn ein Notfallopfer nicht in der Lage ist, Namen und Ort durchzugeben. Hier können die Helfer unter bestimmten Voraussetzungen eine Ortung durchführen lassen. Das ist möglich, weil an eine SIM-Karte naturgemäß gewisse personenbezogene Daten gekoppelt sind. Jedes eingeschaltete Handy hat Kontakt zu den GSM-Funkmasten. Also weiß jeder Netzprovider, in welcher Funkzelle sich ein eingeschaltetes Mobiltelefon befindet. Die Ortsbestimmung über das GSM-Mobilfunknetz ist zwar weniger genau als über die GPS, allerdings besser als gar keine Ortung.

Ängste, dass ein Notruf möglicherweise nicht durchkommt, wenn man sich mit seinem Handy zufällig in einem Gebiet aufhält, in dem das eigene Netz nicht erreichbar ist, sind unbegründet. Im Notruffall wird eine Verbindung zu einem Mobilfunknetz hergestellt.

Und ein Notruf kann selbst dann abgesetzt werden, wenn die Prepaid-Karte leertelefoniert ist oder die Mobilfunkkarte gesperrt sein sollte.

Contra
Ralf Trautmann
Ein erfolgreich abgesetzter Notruf kann Leben retten. Das ist zwar lediglich ein Argument für die Möglichkeit, Notrufe weiterhin auch von Handys ohne SIM-Karte tätigen zu können, aber es sicherlich das gewichtigste gegenüber allen Gegenargumenten zu Scherzanrufen und ähnlichem: Auch wenn sich also hinter den Anrufern in den Notrufzentralen wie berichtet zahlreiche Fake-Anrufe verbergen, kann das die Möglichkeit, in Zweifel ein Leben mehr zu retten, nicht aufwiegen. Wenn Kinder, Jugendliche oder gar Erwachsene nichts besseres zu tun haben, als ständig vorgetäuschte Notrufe abzusetzen, lohnt sich es vielleicht, eher bei der Vermittlung der Problematik anzusetzen.

Wer bei den Notrufzentralen den Personalmangel beklagt, der nicht mit einer Vielzahl von Scherz-Anrufen fertig wird, und in Folge lieber Notruf in SIM-losen Handys unterbindet anstatt zum Beispiel auf eine bessere personelle Ausstattung zu setzen, spart am falschen Ende. Die gute alte Telefonzelle, über Jahrzehnte auch eine beliebte Möglichkeit für Scherzanrufe, fristet mittlerweile zwar ein Nischendasein, aber sicherlich nicht aufgrund eines Missbrauchs.

Auch das Argument, niemand nutze ein Handy ohne SIM-Karte, da nicht in Verwendung befindliche Mobiltelefone eh nur mit entladenem Akku in der Schublade liegen, kann so nicht gelten: Die aktuelle Regelung bietet eine preiswerte Möglichkeit, zum Beispiel ältere Menschen mit einem Handy und damit der Möglichkeit, einen Notruf abzusetzen, auszustatten. So sammelten in der Vergangenheit entsprechend zum Beispiel Altenheime gerne diese Schubladenhandys.

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