Zwang

Prepaid-Registrierung in Schweden: Folgen für Touristen?

2017 wurde hier­zulande heiß über die Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht gestritten. Nun hat Schweden sie einge­führt - und das sogar nach­träg­lich für alle bestehenden Prepaid­karten. Was bedeutet das für Schweden-Reisende?
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Neue Prepaid-Registrierungspflicht in Schweden Neue Prepaid-Registrierungspflicht in Schweden
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In Deutsch­land müssen schon seit vielen Jahren beim Kauf einer Prepaid­karte die persön­lichen Daten des Käufers erfasst werden. Weil das in der Praxis lange nur sehr locker gehand­habt wurde, verschärfte der Gesetz­geber die Regel und führte im Juli 2017 eine Akti­vie­rungs­pflicht ein. Welche Möglich­keiten der Prepaid-Akti­vie­rung es gibt, haben wir in einem Ratgeber ausge­führt.

Dieser Ände­rung ging eine lange Diskus­sion voraus: Sollte man die Prepaid-Akti­vie­rungs­pflicht nur für alle ab dem 1. Juli 2017 neu gekauften Prepaid­karten einführen? Oder wäre es zum Zweck einer effek­tiven Verbre­chens­bekämp­fung sinn­voller, auch für alle bereits seit 1996 jemals verkauften Prepaid­karten nach­träg­lich zwin­gend eine Akti­vie­rung mit persön­lichen Daten zu verlangen? In Deutsch­land entschied man sich damals für die einfa­chere erste Version.

Schweden hat nun aber eben­falls eine Prepaid-Akti­vie­rungs­pflicht einge­führt - und sich für die zweite Vari­ante entschieden. Das hat nicht nur Auswir­kungen auf Prepaid-Inhaber in Schweden, sondern auch auf alle Touristen. Ein aufmerk­samer teltarif.de-Leser hat uns umfang­reiche Infos für diesen Artikel zukommen lassen. Neue Prepaid-Registrierungspflicht in Schweden Neue Prepaid-Registrierungspflicht in Schweden
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Für neue Prepaid­karten seit 1. August

Die Schwe­dische Regie­rung hat schon im Früh­jahr ihre Gründe für die Einfüh­rung der Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht genannt: Nicht regis­trierte und anonyme Gutha­ben­karten für Mobil­tele­fone würden "sehr häufig im Zusam­men­hang mit krimi­nellen Akti­vitäten" verwendet. Nicht regis­trierte schwe­dische Prepaid­karten sollen sogar schon dazu verwendet worden sein, um den Terro­rismus unter anderem in Konflikt­gebieten in Syrien und im Irak zu unter­stützen. Dies führe dazu, dass "Straf­ver­fol­gungs­behörden wich­tige und manchmal entschei­dende Infor­mationen entgehen". Um die Sache den Straf­ver­fol­gungs­behörden zu erleich­tern und den Krimi­nellen zu erschweren, hat die Regie­rung auch eine Regis­trie­rungs­pflicht für bestimmte Prepaid-Dienste einge­führt, auf die beispiels­weise über Prepaid­karten zuge­griffen werden kann. Der Anbieter eines Prepaid-Dienstes muss Infor­mationen über den Kunden regis­trieren und die Iden­tität des Kunden über­prüfen, bevor der Dienst genutzt wird.

Darüber hinaus hat die Regie­rung geän­derte Vorschriften zur Weiter­gabe von Infor­mationen über elek­tro­nische Kommu­nika­tion an Straf­ver­fol­gungs­behörden beschlossen. Die Vorgaben sehen eine klarere Format­vor­gabe, eine erwei­terte Dring­lich­keits­vor­schrift und eine erwei­terte Entschä­digungs­rege­lung vor. Die Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht gilt für neue Prepaid­karten seit dem 1. August. Für alle bereits bestehenden Prepaid­karten muss sie spätes­tens bis zum 1. Februar 2023 nach­geholt werden. Eine Regis­trie­rungs­pflicht gab es in Schweden bislang nur, wenn man die Prepaid­karte im Roaming verwenden wollte.

Diese Daten müssen ange­geben werden

Laut einer Infor­mation der Schwe­dischen Post­auf­sicht sind die zu regis­trie­renden Abon­nen­ten­daten: Name und Post­anschrift des Abon­nenten, die Sozi­alver­siche­rungs­nummer, Koor­dina­tions­nummer, Orga­nisa­tions­nummer oder andere Iden­tifi­kati­ons­nummer des Abon­nenten sowie die Rufnummer, SIM-Karten-Nummer oder sons­tige Bezeich­nung des Dienstes. Darüber hinaus muss der Regis­trie­rungs­zeit­punkt ange­geben werden und die Daten müssen ab dem Datum der Regis­trie­rung bis einschließ­lich ein Jahr nach Been­digung der Leis­tungs­erbrin­gung beim Anbieter verfügbar sein.

Wird ein Prepaid-Dienst dauer­haft von einer anderen Person als dem regis­trierten Teil­nehmer genutzt, muss der Dienst grund­sätz­lich einge­stellt werden. Die dauer­hafte Weiter­gabe einer Prepaid­karte ohne Ummel­dung des Inha­bers ist also legal nicht mehr möglich.

Dies gilt jedoch nicht, wenn der Dienst nur vorüber­gehend von einer anderen Person verwendet wird, von einem Ange­hörigen genutzt wird oder wenn der Inhaber eine juris­tische Person ist und die Prepaid­karte in deren Auftrag genutzt wird. Prepaid-Dienste, die nur für Machine-to-Machine-Dienste verwendet werden können, sind übri­gens von der Verpflich­tung zur Regis­trie­rung von Teil­neh­mer­infor­mationen ausge­nommen.

Das neue Problem für Touristen

Proble­matisch in den gesetz­lichen Vorgaben der Schwe­dischen Regie­rung ist der Passus, dass die Sozi­alver­siche­rungs­nummer, Koor­dina­tions­nummer, Orga­nisa­tions­nummer oder andere Iden­tifi­kati­ons­nummer ange­geben werden muss - denn darüber verfügen in der Regel nur schwe­dische Staats­bürger. Damit stellt sich die Frage: Ist es für Touristen und Geschäfts­rei­sende in Zukunft unmög­lich, eine schwe­dische Prepaid­karte zu erhalten?

Laut einem Bericht der schwe­dischen Zeitung "The Local" haben einige schwe­dische Provider bereits mitge­teilt, dass sie auch Prepaid-Regis­trie­rungen für Touristen und Flücht­linge durch­führen werden, und zwar in ihren eigenen Mobil­funk­shops oder in Handels­ketten wie der beliebten Super­markt­kette 7-Eleven. Mitzu­bringen sind in diesem Fall der eigene Reise­pass des Heimat­landes und eben die entspre­chende Prepaid­karte.

Wer kein schwe­discher Staats­bürger ist, sich aber längere Zeit in Schweden aufhält, kann laut dem Bericht eben­falls eine Prepaid­karte regis­trieren. Außer der betref­fenden Prepaid­karte müssen dann vorge­legt werden: Die Sozi­alver­siche­rungs­nummer (z. B. Koor­dina­tions­nummer oder Samord­nings­nummer), die Aufent­halts­erlaubnis, das für Studenten ausge­stellte Auslands­stu­dien­zer­tifikat in Schweden, eine Arbeits­erlaubnis für Schweden oder der Nach­weis des Besitzes einer Immo­bilie in Schweden. Registrierungspflicht hat auch Auswirkungen auf unbescholtene Bürger Registrierungspflicht hat auch Auswirkungen auf unbescholtene Bürger
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Erste Bedenken wurden bereits geäu­ßert

Flücht­lings­orga­nisa­tionen sehen trotz der Ausnah­mere­geln Probleme auf Flücht­linge zukommen, die gerade eben erst in Schweden ange­kommen sind. Meist müssen die Flücht­linge recht schnell Kontakt mit den staat­lichen Behörden aufnehmen. Dies könnte dadurch erschwert werden, dass zunächst keine verwend­bare schwe­dische Prepaid­karte zur Verfü­gung steht, da die Flücht­linge ggf. erst einmal heraus­finden müssen, wo sie diese bekommen und wo und wie sie diese zu regis­trieren haben.

Auch die Betreiber von Frau­enhäu­sern sehen die Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht laut ersten Berichten kritisch. Bislang haben die Betreiber von Frau­enhäu­sern neu aufge­nom­menen Frauen, die beispiels­weise häus­licher Gewalt entkommen sind, in der Regel empfohlen, zunächst ihre Handy­nummer zu wech­seln und dafür eine anonyme Prepaid­karte zu besorgen. Das geht jetzt nicht mehr und man hofft, dass die Betreiber die Vorgaben für "Geheim­num­mern" befolgen und nicht die Daten regis­trierter Prepaid­karten (absicht­lich oder verse­hent­lich) ins Tele­fon­buch eintragen. Auch Behörden hätten sich dies­bezüg­lich in der Vergan­gen­heit schon "verplap­pert", was keines­wegs passieren dürfe.

Auch Jour­nalisten haben in Schweden - wie in anderen Ländern - teils anonyme Prepaid­karten verwendet, um beispiels­weise Whist­leblowern eine anonyme Kontakt­mög­lich­keit anbieten zu können. Inves­tiga­tiver Jour­nalismus könnte dadurch beein­träch­tigt werden, wobei gleich­zeitig gar nicht sicher­gestellt ist, dass die Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht wirk­lich ein posi­tives Ergebnis bei der Verbre­chens­bekämp­fung bewirkt. Es steht zu befürchten, das Krimi­nelle dann eben vermehrt auf anonyme VoIP-Apps oder sichere Messenger auswei­chen.

Eher weniger proble­matisch für EU-Bürger

Nicht ganz so proble­matisch ist die neue Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht in Schweden für EU-Bürger, die sich nur für kürzere private Reisen oder Geschäfts­reisen in Schweden aufhalten. Denn diese können im Rahmen des EU-Roaming ihren natio­nalen Tarif zu denselben Kondi­tionen in Schweden benutzen. Hierbei gilt aller­dings die Fair-Use-Grenze beim Roaming: Wird der Tarif inner­halb von vier Monaten den über­wiegenden Teil der Zeit im Ausland genutzt, ist der Anbieter berech­tigt, vom Kunden einen Nach­weis für die zukünf­tige Haupt­nutzung im Inland zu verlangen.

Andere Möglich­keiten, die Prepaid-Regis­trie­rungs­pflicht in Schweden zu umgehen, sind die Verwen­dung von inter­natio­nalen Roaming-SIMs und -Hotspots und das Tele­fonieren über Smart­phone-Messenger.

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