Ratgeber: Gute Smartphone-Fotos bei schlechtem Licht
Bei schlechtem Licht gelingen Fotos mit der Smartphone-Kamera nicht immer so gut, wie erhofft. Nachts, bei Dämmerung oder in mäßig ausgeleuchteten Innenräumen kommen die vergleichsweise kleinen Bildsensoren und Objektive an ihre Grenzen. Mit den richtigen Einstellungen und diversen Alltagstricks steigern Sie die Wahrscheinlichkeit von qualitativen Aufnahmen unter suboptimalen Bedingungen.
Im nachfolgenden Ratgeber erklären wir diese Vorgehensweisen und schildern zum besseren Verständnis relevante technische Eigenschaften. So verstehen Sie Ihre Smartphone-Kamera und können bessere Ergebnisse erzielen.
Die Lichtempfindlichkeit von Smartphone-Kameras
Ein Foto mit dem Nachtmodus
Bild: Andre Reinhardt
Handys sollen möglichst kompakt sein und dennoch zahlreiche Komponenten beherbergen. Deshalb müssen die Hersteller Kompromisse bei der Fotografie eingehen. Der Kamerasensor von Smartphones ist meistens erheblich kleiner als jener von höherwertigen Kompaktkameras. Entsprechend haben auch die darüber befindlichen Objektive geringere Abmessungen. Physikalisch bedingt nimmt die Fläche eines Handy-Kamerasensors vergleichsweise wenig Licht auf. Die Hersteller kompensieren diesen Umstand bestmöglich. Etwa mit einer größeren Blendenöffnung des Objektivs, wodurch der Bildwandler mehr Licht erhält.
Außerdem nutzen viele Smartphones Pixel-Binning, was benachbarte Bildpunkte auf dem Sensor zu einem größeren vereint. Manche Firmen schaffen es zudem, 1-Zoll-Sensoren zu verbauen. Diese bieten merklich mehr Fläche als die gängigen Chips, was die Lichtausbeute erhöht. An Formate wie Micro Four Thirds (MFT), APS-C oder gar Vollformat reichen diese Chips dennoch nicht heran. Ein optischer Bildstabilisator, der längere Belichtungszeiten ausgleichen kann und ausgefeilte Autofokussysteme, wie multidirektionale Phasenerkennung, Dual-Pixel-Phasenerkennung und Laser-Autofokus, verbessern die Handy-Kamera ebenfalls.
Wichtige Low-Light-Features gibt es nur bei Flaggschiffen
Die zuvor genannten Maßnahmen nebst dedizierten KI-Chips und ausgefeilter Software für die Fotografie ermöglichen tatsächlich oftmals gute Ergebnisse bei schlechtem Licht. Das Problem dabei: Die Technologien sind teuer und entsprechend als Gesamtpaket nur in hochpreisigen Smartphone-Modellen vorzufinden.
Handys der Einsteiger- und Mittelklasse fehlen zum Großteil diese Vorzüge. Für diese eigenen sich unsere Tipps also besonders. Aber auch aus Premium-Mobilgeräten wie Samsung Galaxy S23 Ultra und iPhone 14 Pro Max lassen sich noch bessere Aufnahmen bei schlechtem Licht realisieren.
Belichtungszeit und ISO
Manuelle Einstellungen: Belichtungszeit
Die Kamera-Software agiert meist nach dem Prinzip "Hauptsache hell". Einschränkungen der menschlichen Motorik werden kaum berücksichtigt. Je nach Physis ist die menschliche Hand ein wenig unruhig. Belichtet das Handy ein Foto länger als eine Person das Smartphone ruhig halten kann, entsteht ein verwackeltes Bild. Um diesen Umstand zu vermeiden, rufen Sie die manuellen Einstellungen in Ihrer Kamera-App auf. Diese Option nennt sich oftmals "Pro".
Pro-Modus der Kamera-App
Bild: Andre Reinhardt
Es kann auch sein, dass die vorinstallierte Software diesen Modus nicht bietet. In diesem Fall sollte eine Drittanbieter-App wie Open Camera (Android) bezogen werden.
Manuelle Einstellungen in Open Camera
Bild: Andre Reinhardt
Besagte Anwendung bietet erheblich mehr Funktionen als die Standard-Kamera-Anwendung. In Open Camera müssen Sie zunächst folgende Schritte vollziehen, um den manuellen Modus zu aktivieren. Öffnen Sie die Einstellungen der App. Scrollen Sie nach unten zu "Camera-API" und wählen Sie "Camera2-API" aus. Nach der Genehmigung der erforderlichen Berechtigung ist der manuelle Modus einsatzbereit. Er wird mit einem Klick auf das "-/+"-Icon eingeschaltet. Jetzt sehen Sie zwei Schieberegler. Mit dem zweiten regulieren Sie die Belichtungszeit. Tasten Sie sich behutsam an Ihr Limit heran. Ein paar Empfehlungen unsererseits:
Einsteiger-Smartphone
- Handy mit optischem Bildstabilisator: Maximal 1/20 Sekunden
- Handy ohne optischen Bildstabilisator: Maximal 1/60 Sekunden
Mittelklasse-Smartphone
- Handy mit optischem Bildstabilisator: Maximal 1/15 Sekunden
- Handy ohne optischen Bildstabilisator: Maximal 1/40 Sekunden
Highend-Smartphone
- In der Regel mit optischem Bildstabilisator: Maximal 1/10 Sekunden
Je länger Sie belichten, desto heller wird das Foto. Dabei sollten Sie im Kamera-Sucher überprüfen, wie sich die aktuelle Einstellung auf das Ergebnis auswirkt. Die Belichtungszeit sollte stets mit der eingestellten Lichtempfindlichkeit (ISO) harmonieren. Besagten Wert erklären wir in folgendem Abschnitt.
Manuelle Einstellungen: Lichtempfindlichkeit (ISO)
Bildausschnitt: Foto mit hoher ISO
Bild: Andre Reinhardt
Mit dem ISO-Wert regulieren Sie die Lichtempfindlichkeit des Kamerasensors. Auch wenn es sehr dunkel ist, sollte diese Option nicht auf die höchste Stufe gestellt werden. Je höher der Wert, desto stärker ist das Bildrauschen ausgeprägt. Das führt zu verlorenen Details und einer körnigen Darstellung.
Größere Sensoren haben damit weniger Probleme. Pixel-Binning kompensiert diesen Umstand ebenfalls teilweise. Für optimale Ergebnisse sollte die ISO einen kritischen Wert nicht übersteigen. Die Einstellung finden Sie im Pro-Modus (falls vorhanden) Ihrer Kamera-App oder im manuellen Modus von Open Camera. Unsere Empfehlungen:
- Einsteiger-Smartphone: Maximal ISO 1600
- Mittelklasse-Smartphone: Maximal ISO 3200
- High-End-Smartphone: Maximal ISO 6400
Im Zweifelsfall ist es besser, eine etwas höhere ISO als eine zu lange Belichtungszeit zu wählen. Zwar leiden dann die Details ein wenig, aber das Foto wird schärfer.
Alltagstipps und weitere Features
Wichtige Alltagstipps für die Low-Light-Fotografie
Gute Fotos beginnen schon mit der Haltung des Smartphones. Sie sollten das Telefon nie mit einer Hand beim Fotografieren halten. Sie wollen es wie eine Kamera benutzen, also muss es auch so gehalten werden. Um schneller reagieren zu können und Verwacklungen zu vermeiden, empfehlen wir das Auslösen per Lautstärketaste. Meistens ist das ab Werk möglich, ansonsten dürfte sich eine Einstellung in der Kamera-App finden.
Zunächst die Haltung für horizontale Fotos: Stützen Sie mit den Daumen das Handy an der Unterseite ab. Zeige- und Mittelfinger sollten auf der Oberseite positioniert sein.
Handy richtig horizontal halten
Bild: Andre Reinhardt
Handy richtig vertikal halten
Bild: Andre Reinhardt
Bei vertikalen Fotos positionieren Sie einen Daumen seitlich rechts unten und den anderen seitlich links. Auf der gegenüberliegenden Seite umklammern Zeige- und Mittelfinger das Telefon. In beiden Szenarien sollte der linke Zeigefinger auf dem Auslöser (Lautstärketaste) liegen. Einstellungen lassen sich mit dem Daumen vornehmen.
Das Handy muss möglichst fest und stabil gehalten werden. Ist es zu dunkel, hilft aber auch die ruhigste Hand nicht viel. In diesem Fall bietet sich der Einsatz eines Stativs oder das Abstellen des Handys auf einem passenden ebenen Objekt wie einer Mauer an.
Weitere Features für Low-Light-Fotos und -Selfies
Viele Kamera-Apps der Hersteller haben einen Nachtmodus integriert. Dieser verspricht gute Aufnahmen bei schlechtem Licht. Bei statischen Szenen kann die Funktion tatsächlich praktisch sein. Allerdings wird in diesem Modus ziemlich lange belichtet, weshalb das Handy sehr ruhig gehalten werden muss.
Dann wäre da noch der gute alte LED-Blitz. Diese Art Blitz ist eher als Notlösung zu verstehen. Die Reichweite ist gering, die Ausleuchtung nicht homogen, und er arbeitet ziemlich langsam. Schlagschatten und Überbelichtung können außerdem zu künstlich wirkenden Aufnahmen führen.
Foto mit LED-Blitz bei schlechtem Licht
Bild: Andre Reinhardt
Foto mit manueller Belichtung und ISO bei schlechtem Licht
Bild: Andre Reinhardt
Wir empfehlen den Einsatz nur, wenn es zu dunkel für die obigen Tipps ist oder ein spontaner Schnappschuss keine vorherigen Einstellungen zulässt.
Bei Selfies steht oftmals ein sogenannter Display-Blitz zur Verfügung. Hierbei leuchtet der Bildschirm vor der Aufnahme kurz auf. Das funktioniert recht ordentlich und leuchtet oftmals homogener aus als ein LED-Blitz. Ansonsten offerieren manche Smartphones auch bei Selbstporträts einen Nachtmodus
Megapixel sind bekanntlich nicht alles, aber Samsung scheint 200 MP über einen längeren Zeitraum zu bevorzugen.