Erster

Vodafone schaltet 5G-Standalone ein

Als "erster Anbieter in Europa" hat Voda­fone heute den Netz­stan­dard 5G-Stan­dalone in seinem Netz frei­gegeben. Ein erstes Handy von Oppo ist in den Voda­fone Stores online und offline zu bekommen.
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Stolz meldet der Netzbetreiber Vodafone "als erster in Europa" 5G-SA in seinem Netz für Privat und Geschäftskunden freizugeben. Stolz meldet der Netzbetreiber Vodafone "als erster in Europa" 5G-SA in seinem Netz für Privat und Geschäftskunden freizugeben.
Foto: Vodafone
Heute startet Voda­fone für seine Privat- und Geschäfts­kunden die Tech­nologie 5G Stand Alone (SA) an zunächst 1000 Antennen, die auf 3500 MHz ("Band n78") funken.

"Erster Anbieter" mit 5G-SA in Europa

Stolz meldet der Netzbetreiber Vodafone "als erster in Europa" 5G-SA in seinem Netz für Privat und Geschäftskunden freizugeben. Stolz meldet der Netzbetreiber Vodafone "als erster in Europa" 5G-SA in seinem Netz für Privat und Geschäftskunden freizugeben.
Foto: Vodafone
Nach Angaben des Unter­neh­mens, sei Voda­fone Deutsch­land das erste Unter­nehmen in Europa, welches 5G-SA seinen Kunden anbiete.

Um mit 5G SA arbeiten zu können, benö­tigt der Kunde einen 5G-fähigen Mobil­funk­ver­trag bei Voda­fone, der um eine (kosten­lose) 5G-SA-Option aufge­wertet wird, und er braucht ein 5G-SA fähiges Mobil­telefon.

Das gibt es - Stand heute - nur bedingt. Als einziges verfüg­bares Gerät bietet Voda­fone das Oppo Modell "Find X3 Pro (5G)" in seinen Geschäften und im Online-Shop an. Wer das Handy kauft, kann aber 5G-SA noch nicht nutzen, denn der Käufer muss noch auf ein Over-the-Air-Soft­ware-Update für 5G-SA warten, das aber noch im April kommen soll.

NSA goes SA

Bisher wurde 5G in der soge­nannten NSA-Technik (Non-Stand-Alone) reali­siert. Das bedeutet: Um 5G betreiben zu können, ist an der glei­chen Stelle ein 4G-Netz notwendig, welches "Hilfe­stel­lung" bietet und die Vermitt­lung der Signale vornimmt. Übli­cher­weise ist das ein Träger, der in 5G-NR (New Radio) den Down­load liefert und der Upstream funk­tio­niert noch über 4G. Es gibt aber auch schon Stand­orte, wo 4G und 5G-Träger verbunden ("aggre­giert") werden und sogar der Upload mit 5G-NR erfolgt.

Bei 5G-SA (Stand Alone) ist kein 4G/LTE-Netz notwendig, die Signale werden direkt in einem 5G-Core (5G-Kern­netz) verar­beitet.

NSA und SA laufen parallel

Die Unterschiede von 5G-NSA und 5G-SA Die Unterschiede von 5G-NSA und 5G-SA
Grafik: Vodafone
An etwas über 300 Stand­orten (1000 Antennen) in 170 Orten in Deutsch­land, die schon auf 3500 MHz (Band n78) funken, hat Voda­fone die Technik von Ericsson aufge­rüstet, um 5G NSA und 5G SA parallel fahren zu können.

Ein passender Sende­mast steht in Frank­furt Sossen­heim in einem Indus­trie­gebiet. In der Stadt gibt es auch ein erstes 5G-Core-Rechen­zen­trum von Voda­fone, in dem eben­falls System­technik von Ericsson einge­setzt wird. In Berlin soll es noch in diesem Jahr ein zweites 5G-Rechen­zen­trum geben.

5G Stand Alone vs. 5G Non Stand Alone - Was sind die Vor/Nach­teile?

Wie ja schon bekannt ist, unter­scheidet sich 5G in drei Punkten von der bekannten Vorgänger-Tech­nologie LTE oder 4G.

5G erlaubt deut­lich nied­rigere Latenz­zeiten (Reak­tions­zeiten, Latenz oder Ping genannt). Bei 5G können außerdem jetzt Netze aufge­teilt ("Network Slicing") werden, wobei diese Teil­netze gegen­seitig "abge­schottet " sind. Wenn auf Slice 1 wich­tige Dinge passieren sollen, kann Slice 2 dabei nicht stören und umge­kehrt.

Alle 5G-Netze können schon 5G-NSA

Die aktu­ellen 5G-Netze, welche die Betreiber Telekom, Voda­fone und Telefónica (o2) in Deutsch­land bislang aufge­baut und einge­schaltet haben, sind im Anten­nen­netz ("Radio") bereits auf 5G aktiv und werden im Kern­netz (Core) noch von bestehender LTE-Infra­struktur unter­stützt (5G-NSA).

5G-SA funkt im eigenen Kern­netz

Mit 5G Stan­dalone hat Voda­fone die 5G-Antennen jetzt direkt mit einem 5G-Kern­netz verbunden.

Der Vorteil der neuen Technik sind Ping­zeiten, die je in der Praxis zwischen 9 und 30 Milli­sekunden liegen können, dafür "sinkt" derzeit die maxi­male Daten­rate auf derzeit etwa 400-500 MBit/s.

Wenn ein Kunde mehr Wert auf hohe Down­load-Raten (600-800 MBit/s, teil­weise bis zu über 1 GBit/S) legt, kann er jeder­zeit diese 5G-SA Option kündigen und wieder mit 5G-NSA arbeiten. Ist für den Kunden eine nied­rige Ping-Zeit wichtig, kann er die 5G-SA Option (später erneut) akti­vieren.

Wofür braucht man schnellen Ping?

Nied­rige Ping­zeiten können für Spiele-Fans inter­essant sein, die über das Netz gegen oder mit anderen Spie­lern "tätig" sind, wo es auf schnelle Reak­tionen ankommt.

Voda­fone rechnet vor, dass Latenz­zeiten von 10 bis 15 Milli­sekunden etwa so schnell wie das mensch­liche Nerven­system sind.

Voda­fone sieht den "Daten­aus­tausch in Echt­zeit" als "wichtig für vernetzte und autonom fahrende Autos", die sich gegen­seitig vor Gefahren warnen können, für die Indus­trie (Steue­rung von Indus­trie­robo­tern) und wie schon erwähnt für schnelle Spiele ("Gaming") oder für Anwen­dungen der Augmented Reality (AR).

Ein Beispiel: Sie stehen vor einer Kirche und wollen wissen, wer sie gebaut hat, oder wann sie geöffnet ist oder wo der Eingang für die Sakristei ist. Das kann Augmented Reality leisten, das Handy liefert dann anhand des Fotos die notwen­digen fehlenden Infor­mationen in kürzester Zeit.

Mehr Platz im Netz für Menschen und Maschinen

Vodafone Sendemast in Frankfurt Sossenheim. Auf der untersten Plattform hängen die "kleinen Schuhkartons" mit 3500 MHz. Vodafone Sendemast in Frankfurt Sossenheim. Auf der untersten Plattform hängen die "kleinen Schuhkartons" mit 3500 MHz.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Der wich­tige Vorteil bei 5G ist die stei­gende Netz­kapa­zität. Längst sind mehr Geräte und Sensoren im Netz, als tele­fonie­rende oder surfende Menschen.

Die Zahl der vernetzten Gegen­stände wächst Jahr für Jahr und wird vor allem durch das Internet der Dinge (IoT) beschleu­nigt. Allein Voda­fone gibt an, welt­weit mehr als 100 Millionen Gegen­stände per Mobil­funk zu vernetzen. Das können Autos, Drohnen, Roboter oder smarte Uhren sein.

5G Stan­dalone kann an einem Ort noch mehr Menschen und Maschinen zeit­gleich vernetzen. Auf einem Quadrat­kilo­meter Fläche können mit 5G Stan­dalone bis zu einer Million (!) Gegen­stände einen Zugang zum Netz bekommen, das ist zehn Mal mehr als mit 5G Non-Stan­dalone. Das nicht nur in Indus­trie­hallen wichtig, wo viele tausende Sensoren gleich­zeitig funken sondern auch (nach Corona) in Fußball­sta­dien, wo dann tausende Fußball-Fans zeit­gleich mit ihren Smart­phones unter­wegs sind und die Lieben daheim mit Infor­mationen und Bildern versorgen wollen.

Mobil­funk ist ein Shared Medium

Mobil­funk ist ein geteiltes ("shared") Medium. Das bedeutet: Alle Nutzer, die sich im Umkreis einer Mobil­funk-Antenne befinden, teilen sich die verfüg­bare Band­breite unter­ein­ander auf. Je größer die Gesamt­kapa­zität, die eine Antenne bereit­stellt, desto größer ist auch die Band­breite für jeden Einzelnen.

Es gibt jedoch Sonder­fälle, bei denen garan­tierte Band­breiten und Latenz­zeiten benö­tigt werden, auch wenn viel los ist. Nehmen wir die Live-Über­tra­gung von TV-Bildern über Mobil­funk aus einem ausver­kauften Fußball­sta­dion.

Hier muss zu jeder Zeit sicher­gestellt sein, dass für die Live­über­tra­gung für das Fern­sehen immer genü­gend Band­breite verfügbar ist – auch wenn noch 50.000 Fans zeit­gleich in der Halb­zeit im Stadion mit dem Smart­phone die Spiel­stände auf den anderen Plätzen prüfen wollen. Diese Auftei­lung wird mit 5G Stan­dalone über Network Slicing möglich.

Was bringt Network Slicing?

Ein Mobil­funk­netz­betreiber kann für solche Spezi­alfälle für einen bestimmten Zeit­raum ein sepa­rates 5G-Netz mit garan­tierten Leis­tungs­para­metern (Band­breite, Latenz, Stabi­lität) zur Verfü­gung stellen. Diese Teil­netze sind dann unab­hängig von der Auslas­tung im über­grei­fenden Mobil­funk­netz.

Mehr Reich­weite: 5G SA funkt weiter

Am Messfahrzeug konnten die ersten Tests mit 5G-SA gefahren werden. auf dem Laptop Mess-Software von Rhode & Schwarz Am Messfahrzeug konnten die ersten Tests mit 5G-SA gefahren werden. auf dem Laptop Mess-Software von Rhode & Schwarz
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Jede Mobil­funk-Antenne versorgt einen Umkreis mit schnellen Signalen. Dabei gilt: Je nied­riger die Funk-Frequenz, desto größer ist die Reich­weite. Auf dem flachen Land reicht Mobil­funk beispiels­weise weiter als mitten in der Groß­stadt oder hoch in den Bergen.

Unab­hängig von all diesen bekannten Effekten vergrö­ßert 5G SA die Reich­weite von 5G-Antennen im Vergleich zu 5G NSA um etwa 20 Prozent, sofern keine Gebäude-Mauer oder Glas­scheibe dazwi­schen liegt. Damit möchte Voda­fone lang­fristig die neue Mobil­funk-Technik schneller in die Fläche bringen.

Ener­gie­bedarf: 5G-SA-Handys brau­chen weniger Strom

Wenn sich ein Handy mit dem Mobil­funk­netz verbindet, braucht es Energie. Bei 5G NSA wählt sich das Smart­phone immer parallel in zwei Netze ein: Einmal ins 5G und einmal ins 4G/LTE Netz. Bei 5G SA verbindet sich das Handys ausschließ­lich mit 5G und das spart Strom (und verrin­gert den Co2-Ausstoß). Voda­fone rechnet vor, dass der Strom­ver­brauch der Handys um etwa 20 Prozent bei 5G SA sinken könnte.

Was ist mit 5G-Bestands­handys?

Wer sich gerade ein 5G-Handy gekauft hat, wird nun sicher Bedenken bekommen, ob sein 5G-NSA-Gerät bald nicht mehr zu gebrau­chen wäre? Nein, so die klare Ansage von Voda­fone. Die 5G-NSA-Technik wird parallel zur 5G-SA-Technik ausge­rollt und bleibt auch in Zukunft bestehen.

Einige bereits an Kunden verkauften Geräte, werden ein Soft­ware-Update bekommen, um die Nutzung von 5G-SA zu ermög­lichen, beispiels­weise die "21"er Serie von Samsung. Ob auch andere Hersteller wie z.B. Apple ihren Kunden ein Update z.B. für das iPhone 12 bereit­stellen werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Da aber beispiels­weise in den USA auf 600 MHz bereit 5G-SA von T-Mobile-USA einge­setzt wird (und das dortige iPhone 12-Modell damit nutzbar ist) , ist davon auszu­gehen, dass auch Apple-Geräte hier­zulande diese Technik bald beherr­schen werden.

5G ohne Stütz­räder

Zwei Oppo-Testhandys zeigten Pings zwischen 9 und 30 ms und Downloadraten bei knapp 500 MBit/s (Ausführlicher Bericht folgt) Zwei Oppo-Testhandys zeigten Pings zwischen 9 und 30 ms und Downloadraten bei knapp 500 MBit/s (Ausführlicher Bericht folgt)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
"5G steht in Deutsch­land zum ersten Mal auf eigenen Beinen", freut sich Voda­fone-Chef Hannes Amets­reiter. "Als erster Netz­betreiber legen wir bei 5G die LTE-Stütz­räder beiseite [...] für unsere Kunden, die schon in diesem Monat an ersten Orten Echt­zeit erleben können“.

Und was machen Telekom und o2?

Die Deut­sche Telekom hatte schon ange­kün­digt, 5G-SA zu erproben, wollte aber noch keinen verbind­lichen Termin für eine Kunden­frei­gabe nennen. Das dürfte sich mögli­cher­weise in Kürze ändern. Auch o2 hatte schon ange­kün­digt, möglichst bald auf 5G-SA aufrüsten zu wollen.

Brauche ich 5G-SA?

Wer nun 5G-SA von Voda­fone nutzen möchte, muss in 170 Orten des Landes, in der Reich­weite von 300 Stand­orten auf 3500 MHz leben oder sich dort aufhalten. Diese Zahl sollte sich im Laufe des Jahres in etwa verfünf­fachen und wird auch darüber hinaus wachsen.

Dann braucht man das passende Handy und muss den rich­tigen (Lauf­zeit-)Vertrag im Voda­fone-Netz gebucht haben, inklu­sive der 5G-SA-Option. Mit Voda­fone CallYa (Prepaid) kann man zwar 5G-NSA nutzen (wenn man die Option gebucht hat, für 3 Euro pro 28 Tage), eine 5G-SA Option sei vorerst noch nicht geplant.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Wir konnten uns - als wohl erstes Online-Magazin - in Frank­furt/Main vor Ort von der Leis­tungs­fähig­keit der 5G-SA-Technik über­zeugen (detail­lierter Bericht folgt). 5G-SA funk­tio­niert wirk­lich und die ersten Werte können beein­dru­cken.

Die Technik schreitet in Riesen­schritten voran. Wie schon bei 3G oder 4G ging das nicht mit einem Urknall, sondern in genau defi­nierten Schritten, um die neue Technik phasen­weise einzu­führen und ihre Möglich­keiten zu testen und Kinder­krank­heiten zu besei­tigen. Mit Stand-Alone kann 5G jetzt die Geschwin­dig­keiten und Reak­tions­zeiten wirk­lich liefern, von der die Branche schon die ganze Zeit schwärmt.

Die nächsten Schritte sind klar: Durch das "Zusam­men­kleben" von Funk­trä­gern (Carriern) wird auch bei 5G-SA die maximal mögliche Geschwin­dig­keit steigen.

Nächster Schritt VoNR

Als nächster 5G-Evolu­tions­chritt wird VoNR kommen, was für "Voice over New Radio", also "Voice over 5G" steht. Im Moment tele­fonieren wir nämlich auch als 5G-Kunden noch über 4G. Kommt uns doch irgendwie bekannt vor, wie lange mussten wir ins 3G-Netz zurück, weil VoLTE noch nicht defi­niert, instal­liert oder frei­geschaltet war?

Wer einfach nur tele­fonieren und surfen möchte, sollte inzwi­schen ein VoLTE-fähiges 4G-Handy haben nebst passendem Tarif und Netz. Wenn das neue Handy schon 5G kann, ist das nicht verkehrt. Auch mit 5G-NSA und 5G-DSS wird man neue Möglich­keiten nutzen können. Und das nächste oder über­nächste Handy kann dann 5G-SA oder nach einem Soft­ware­update ist es einfach mit dabei.

Voda­fone kann nur kurz die Sekt­korken knallen lassen. Direkt nach der Party muss sofort intensiv weiter das Netz ausge­baut werden. Die Kollegen aus Bonn sind beim flächigen 5G-Ausbau in Deutsch­land um Licht­jahre voraus. Und 5G-SA wird es auch dort sicher in Kürze geben. o2 hat sein 5G-Ausbau-Tempo auch gewaltig gestei­gert. Und dann wäre da noch 1&1, deren genauen Ausbau­pläne nach wie vor im Nebel liegen.

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