ProSiebenSat.1: Positive Zahlen beflügeln Übernahmefantasie
Mediaset-Zentrale in Cologno Monzese
Foto: ANSA/Daniel Dal Zennaro
Das Geschäft mit Werbekunden hat während der Corona-Pandemie kräftig gelitten, wovon auch ProSiebenSat.1 nicht unverschont blieb. Doch Konzernchef Rainer Beaujean konnte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung (Paid) zumindest von positiven Zahlen für November berichten. Insgesamt rechnet der Medienkonzern für 2020 mit einem operativen Ergebnis (Ebitda) von 600 bis 650 Millionen Euro.
Nun könnte man meinen, solche Zahlen hätten keine besondere Aussagekraft. Doch sie spielen eine besondere Rolle im Bezug auf die aktuelle Eigentümerstruktur des Medienkonzerns. Strategische Fragen und der wirtschaftliche Erfolg von ProSiebenSat.1 dürften letztendlich entscheiden, ob der italienische Großaktionär Mediaset seine Anteile an ProSiebenSat.1 weiter aufstockt. Über eben diese Möglichkeit spekulierte zuletzt auch "Der Aktionär". Vor allem eine Sperrminorität der Italiener hätte erheblichen Einfluss auf die künftige Strategie.
Ungeduld in Mailand
Mediaset-Zentrale in Cologno Monzese
Foto: ANSA/Daniel Dal Zennaro
Auch wenn Mediaset immer wieder betonte, sich zunächst nicht ins Tagesgeschäft von ProSiebenSat.1 einmischen zu wollen, ist die Ungeduld in Mailand offenbar groß. Vor allem zeigte sich Mediaset-Finanzchef Marco Giordani bereits mit der Strategie des in diesem Jahr geschassten Konzernchefs Max Conze äußerst unzufrieden. Zudem stand das Management der Sendergruppe den Ambitionen aus Mailand bislang eher reserviert gegenüber.
Ziel von Mediaset-Chef Pier Silvio Berlusconi ist die Schaffung einer europäischen Mediengruppe mit dem Namen "Media For Europe" unter Führung der Italiener. Diese stand allerdings auch vom französischen Mediaset-Großaktionär Vivendi unter starkem Beschuss. Der aktuell steigende Aktienkurs von ProSiebenSat.1 dürfte allerdings auch nicht gerade dazu einladen, dass Mediaset nun seine Anteile massiv aufstockt. Fakt ist: Sowohl die Corona-Krise als auch eine starke Konkurrenz durch US-Streamer wie Netflix und Disney+ haben dem italienischen Medienkonzern auf seinem Heimatmarkt erheblichen Schaden zugefügt. Das Geld sitzt also im Moment alles andere als locker.
Wenig Vertrauen in Streaming
Während der damalige ProSiebenSat.1-CEO Max Conze von Joyn überzeugt war, sieht der aktuelle Konzernchef Rainer Beaujean dies offenbar anders. Zwar befürwortet er grundsätzlich die zusätzliche Möglichkeit, Inhalte der Sendergruppe zu monetarisieren, dennoch steht er kostenpflichtigen SVoD-Diensten eher skeptisch gegenüber. So wären Nutzer seiner Ansicht nach kaum bereit, für viele verschiedene Dienste zu zahlen: "Wer kann sich 15 Abos leisten?", fragt er im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.
Interessant ist nun sicherlich die Frage, was dieser Schwenk von Conze zu Beaujean für die künftige Strategie von Joyn bedeutet. Immerhin stand das Streaming-Projekt in den vergangenen Monaten ganz im Fokus der Sendergruppe, insbesondere der kostenpflichtige Bereich "Joyn PLUS+" wurde Schritt für Schritt ausgebaut. Im Gespräch mit teltarif.de betonte Joyn-Geschäftsführerin Katja Hofem zudem, dass man im Bereich Streaming eine lokale Marktführerschaft anstrebe.
Diese könnte gefährdet sein, wenn ProSiebenSat.1 in Zukunft weniger Geld in das gemeinsame Joint-Venture mit Discovery investiert. Und auch Discovery selbst arbeitet gerade an anderen Baustellen, wie einem eigenen globalen Streaming-Dienst und der Integration des kürzlich von Leonine übernommenen Free TV-Senders Tele 5 in die Unternehmensgruppe.
Politische Vorbehalte
Alle zuständigen europäischen bzw. deutschen Kartellbehörden würden zweifellos einen sehr genauen Blick auf die potenzielle Mehrheitsbeteiligung von Mediaset an ProSiebenSat.1 werfen. Die Familie Berlusconi ist in Italien eng mit dem politischen System und der Medienlandschaft verwoben. Als Silvio Berlusconi Ministerpräsident von Italien war, konnte er Einfluss auf die staatliche Rundfunkgesellschaft RAI nehmen, während er gleichzeitig als Gründer von Mediaset die größte private Sendergruppe in Italien kontrollierte. Viele Italiener empfanden diesen massiven Einfluss Berlusconis auf die Medien sogar als Gefahr für die Meinungspluralität.
Mit "Media For Europe" könnte Berlusconi seinen Einfluss neben Italien auf weitere europäische Länder wie Deutschland, Spanien und womöglich sogar Frankreich ausdehnen. Die somit nicht ganz unberechtigte Kritik an dem Projekt wischt man in Mailand aber beiseite. So sei ein Zusammenschluss europäischer Medienunternehmen unausweichlich, um langfristig gegen die übermächtige Konkurrenz aus den USA bestehen zu können.
Mediaset-Finanzchef Marco Giordani äußerte sich bereits zur Strategie von ProSiebenSat.1.