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Editorial: IPv6: Mühsame erste Schritte

Neues Internet-Protokoll für manche Nutzer bereits Alltag
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Mühsame erste Schritte bei IPv6 Mühsame erste Schritte bei IPv6
Bild: teltarif.de
Im Optimalfall merken die User nicht einmal etwas davon: Wenn der Browser Inhalte über den "neuen" Internet-Standard IPv6 lädt, statt über den bisherigen Standard IPv4. Neu steht hier deswegen in Anführungszeichen, weil IPv6 schon vor über einem Jahrzehnt standardisiert wurde. Doch hatten in den Folgejahren nur wenige Nutzer und noch weniger Provider zu IPv6 gewechselt. Der Bedarf war gering, denn der bisherige Internet-Standard IPv4 funktioniert ja bekanntermaßen gut. Doch seit ein, zwei Jahren steigt der Druck merklich: Herkömmliche IPv4-Adressen werden knapp.

Am führenden deutschen Internet-Austauschknoten DE-CIX hat sich der IPv6-Traffic binnen Jahresfrist fast verfünffacht. Das ist eine deutlich höhere Wachstumsrate als für den Internet-Traffic insgesamt. Andererseits hat am DE-CIX IPv6 aktuell nur einen Anteil von drei Promille am Gesamttraffic. Selbst, wenn sich der Rückstand jedes Jahr um den Faktor drei verkürzt, würde es 5 bis 6 Jahre dauern, bis der Umstieg geschafft ist. Das ist zu lang, denn bis dahin würde der IP-Mangel harte Konsequenzen zeigen. Insbesondere Betreiber neuer Dienste wären nicht oder nur eingeschränkt erreichbar.

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Doch es gibt gute Gründe zur Hoffnung, dass das Umstellungstempo sich beschleunigen wird. Selbst große Provider wie die Deutsche Telekom nehmen sich des Themas an und fahren erste IPv6-Pilotprojekte mit echten Kunden. Bei der Deutschen Telekom erhalten beispielsweise Neukunden mit All-IP-Anschlüssen auch IPv6-Adressen für den Router, nicht nur IPv4. Und da die letzten beiden IPv6-Tage allen Unkenrufen und Spekulationen zum Trotz mitnichten zu vielen Problemen führten, werden auch immer mehr Serverbetreiber IPv4 und IPv6 parallel anbieten.

Größtes Hindernis bei der Einführung von IPv6 war lange Zeit die Diskussion um die Privatsphäre. Da die IPv6-Adresse viermal länger ist als ihre Vorgängerin, die IPv4-Adresse, ist es viel einfacher, die ganze Adresse oder zumindest Teile davon einem Nutzer dauerhaft zuweisen. Da genau das vorgesehen war, kam zu Recht die Befürchtung auf, dass mit IPv6 das bisher schon ungeliebte User-Tracking noch intensiviert werden könnte. Bei den Providern hat sich inzwischen jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Nutzer mit IPv6 ebenso viel Privatsphäre verdient wie mit IPv4. Insbesondere sollte der Provider auch künftig die Adressen dynamisch zuweisen. Zusätzlich müssen die Nutzer die so genannten Privacy Extensions aktivieren, damit der von ihnen selber vergebene Teil der Adresse regelmäßig neu ausgewürfelt wird. Auch das ist bei immer mehr Systemen die Voreinstellung.

Was bleibt, ist eine Menge Fleißarbeit: Nicht nur große Portale wie Google, Facebook oder Wikipedia sollten IPv6-Adressen aufschalten, sondern auch die Abermillionen mittleren und kleinen. Ebenso werden zahlreiche Nutzer die Firmware ihrer Router aktualisieren müssen, um von ihren Anschlüssen aus IPv6 nutzen zu können. So, wie es aussieht, stehen der Migration von IPv6 keine großen Steine im Weg. Aber viele kleine.

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