Editorial: Warum warten wir auf kostenlose Warteschleifen?
Warten auf kostenlose Warteschleifen
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Eigentlich ist die Sache klar: Wartezeit ist kein Service, und
so ist es eine Frechheit, dass die allermeisten Hotlines während des
Abspielens der "Bitte-bleiben-Sie-am-Apparat"-Endlosschleife auch noch
Geld kosten. Politisch ist bereits seit einem Dreivierteljahr der
nachhaltige Wille zu spüren, diesem
Anachronismus ein Ende zu setzen. Jetzt meldet die Branche aber
technische Probleme. Bis zu deren
Lösung soll es nur eine Schmalspurversion der kostenlosen Wartschleife
geben: Die ersten 120 Sekunden sind kostenlos, danach wird weiterhin
kassiert wie bisher.
Warten auf kostenlose Warteschleifen
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Richtig ist: Zahlreiche Telefoniesysteme trennen nach 60 oder
spätestens nach 120 Sekunden einen Anrufversuch, wenn bis dahin
kein erfolgreicher Verbindungsaufbau gemeldet wird. Sobald aber der
Verbindungsaufbau signalisiert wird, beginnen online-Billing-Systeme,
wie sie insbesondere für die beliebten Mobilfunk-Prepaid-Karten im
Einsatz sind, gnadenlos mit der Abrechnung des hinterlegten Minutenpreis.
Nur: Wie viel Aufwand wäre es, diese Verbindungsaufbauzeit eben konfigurierbar zu machen, so dass für bestimmte Rufnummerngassen wie 0180 oder 0900 auch längere Zeiten hinterlegt werden können? Wenn das die Anbieter wirklich wollten, wären die technischen Änderungen wahrscheinlich in zwei Wochen durch. Ohne Interesse der Anbieter wird es hingegen mindestens zwei Jahre dauern. Und die Politik scheint bereit zu sein, die Telekommunikationsindustrie gewähren zu lassen.
Insgesamt zeigt das Verhalten der Servicenummernbranche, wie sie das Wort "Service" wohl weiterhin versteht: Als Hilfestellung für halbseidene Inhalteanbieter (Gewinnspiele, Sex-Hotlines, Astrologie-Beratung etc.) beim Geldverdienen, aber eben nicht als Service und Mehrwert für den Anrufer. Denn ginge es wirklich um ihn, wäre es schon längst üblich, dass er nur für die Verbindungszeit mit einem Hotline-Agenten bezahlt. Auch ohne Einsatz der Politik. Vergleichbares gilt auch für die Mobilfunk-Netzbetreiber, die an Servicenummern-Aufschlägen ebenfalls gut verdienen.