Dumm gelaufen

Vorteil Talkline?

Weiterhin Unklarheiten zu Tariferhöhungen im Januar
Von Marie-Anne Winter

Am 19. Januar meldeten wir, dass Talkline eine bemerkenswerte Pressemitteilung herausgeben hatte: In dieser Mitteilung machte Talkline darauf aufmerksam, dass der beliebte Tarif "talknet by call" seit dem 8. Januar "nicht mehr aktiv vermarktet" werde. Bemerkenswert war aber in erster Linie die Tatsache, dass diese Pressemail erst am Abend des 18. Januar, welcher auch noch ein Freitag war, gesendet wurde. Damit wurden Kunden und Medien erst mit erheblicher Verspätung über eine bereits in Kraft getretene Preiserhöhung informiert.

Das bedeutet, dass ein Großteil der Kunden, die sich im günstigen Talkcity-Tarif wähnten, nach dem 8. Januar zu erheblich höheren Preisen surften, als sie ahnen konnten - nämlich für 2,49 Cent pro Minute. Je nach Tageszeit bedeutete diese Tarifumstellung eine Preissteigerung um bis zu 180 Prozent. Und dann gab es im Dezember ja noch den Aktionstarif talknet@night, bei dem man zwischen 21 und 9 Uhr für 0,86 Cent surfen konnte. Zum ersten Januar wurde die Abrechnung für diesen Tarif in die talknet-by-Call-Abrechnung umgestellt. Auch wird der eine oder andere Nachtsurfer nicht schlecht gestaunt haben, was aus seinem tollen Tarif später geworden ist.

Dass die Presseinformation über die Tarifumstellung fast zwei Wochen später kam, bedauert Talkline als ärgerliches, aber unbeasichtigtes Versehen - bei dem allerdings die Kunden das Nachsehen und die Talkliner den Vorteil haben. Dass so genannte virtuelle Internet-Service-Provider sich inspiriert fühlten und ebenfalls Preiserhöhungen vornahmen, die Kunden nicht mitbekommen sollten - wir mussten entsprechendes wiederholt über avisgo berichten - kann man Talkline aber nicht ankreiden. Talkline hat nichts mit der Preisgestaltung dieser VISPs zu tun, auch wenn die Infrastruktur von Talkline zur Verfügung gestellt wird.

Womit Talkline schon etwas zu tun hat, sind aber die Einwahlnummern, die von Talkline zur Verfügung gestellt und die über die Talklineplattform abgewickelt werden. Denn Ärger gab es ja auch mit Einwahlnummern von tlink und eXpressnet, diesen Providern für eine bestimmte Zeit überlassen wurden. Nachdem die Nutzungszeit am 30. November abgelaufen war, übernahm Talkline diese Nummern wieder und schaltete sie aktiv, nachdem sie am 19. Dezember auf die Talklineplattform "zurückgebaut" worden waren. Auch das war so ein seltsames Versehen, denn das Unternehmen bemerkte nach eigener Aussage nichts und schaltete die Nummern am 6. Februar ab, nachdem es darauf aufmerksam gemacht worden sei. Außerdem sei niemandem Schaden entstanden, weil man zu den alten Konditionen abgerechnet habe. Trotzdem verwunderlich, dass wochenlang über bestimmte Einwahlnummern gesurft werden kann und es nicht weiter auffällt. Denn abgerechnet wurden die Onlineminuten offensichtlich.

Alles in allem bleibt festzustellen, dass Talkline es in vielen Bereichen nicht so genau nimmt - zu welchen Bedingungen man über Talkline ins Internet kommt, ist für viele Kunden nicht unbedingt nachvollziehbar - und für Talkline offenbar auch nicht, wenn man an die vielen Versehen glauben will.

Unklar ist, wie die Sache rechtlich zu bewerten ist. Beim Internet-by-Call wird bei jeder Einwahl ein neuer Vertrag geschlossen. Ein Vertrag kommt dabei durch Angebot und Annahme zustande. Wenn sich nun das Angebot ändert, ist unklar, welche Informationspflichten bestehen. Zwar verlangt das Wettbewerbsrecht klare Preisauszeichnungen, doch können im Fall der Zuwiderhandlung nur Wettbewerber klagen, nicht Endkunden.

Einige Leser schreiben, dass auch nach der Preiserhöhung die alten, niedrigen Preise auf der Homepage von Talkline bzw. Talknet zu finden waren. Sollte sich das bestätigen, dürfte die Situation eindeutig sein: Dann müssen auch die niedrigen Preise abgerechnet werden.