schlechte Stimmung

Albtraum: T-Aktie im Dauer-Allzeitief

"Investment für Masochisten"
Von dpa / Marie-Anne Winter

Der unaufhaltsame Fall der T-Aktie wird für Telekom-Chef Ron Sommer zu einem Albtraum ohne Ende. Seit Tagen eilt das Papier von einem Allzeittief zum nächsten. Die schlechte Stimmung an den Kapitalmärkten und in der Telekom-Branche lasten wie ein Mühlstein auf der T-Aktie. Auch wenn die Aktien der Konkurrenten wie Vodafone oder France Télécom ebenfalls unter die Räder gerieten, die T-Aktie kratzt in besonderer Weise an den Befindlichkeiten der Branche.

Selbst erfahrene Telekom-Analysten können den dramatischen Absturz nicht mehr mit Fundamentaldaten erklären. "Der gesamte Markt geht runter", sagt Markus Glockenmeier von Delbrück Privatbankiers. Den Telekom-Konzernen traut keiner mehr über den Weg. Die Verschuldung - das gilt vor allem für die ehemaligen Staatsmonopolisten Deutsche Telekom, France Télécom und die niederländische KPN - und das UMTS- Abenteuer sorgen für Unsicherheiten in der Branche und bei Anlegern.

Seit ihrem Höchststand im Frühjahr 2000 hat die T-Aktie rund 90 Prozent an Wert verloren. Innerhalb von zwei Jahren wurde durch den Kursabsturz ein Aktionärsvermögen von 300 Milliarden Euro vernichtet. Kein Wunder, dass Aktionärsschützer die T-Aktie inzwischen als ein "Investment für Masochisten" bezeichnen und von einem Zockerpapier sprechen.

Möglich, dass Spekulanten jetzt versuchen, durch so genannte Leerverkäufe den Kurs weiter nach unten zu drücken. Sie verkaufen heute Aktien, die sie gar nicht besitzen, in der Hoffnung, sie später zu einem niedrigeren Kurs zu erwerben.

Zu den Verlierern gehören inzwischen auch die T-Aktionäre der ersten Stunde. Wer beim Börsengang 1996 beispielsweise 300 Papiere zum Ausgabekurs von 14,57 Euro (28,50 DM) erhielt, hat heute - ohne Treueaktien und Dividenden - 1300 Euro verloren. Wer bei der dritten Tranche Mitte 2000 für rund 65 Euro T-Aktien erwarb, hat mehr als 80 Prozent seines Einsatzes verspielt. Kassiert hat damals nicht die Telekom, sondern der Bund, der sich erstmals von Anteilen getrennt hatte.

Sauer sind die Kleinanleger vor allem über die vollmundigen Versprechungen Sommers: Die Aktie sei seine sichere Anlage für die Rente. Auf der letzten Hauptversammlung Ende Mai bekam der Telekom-Chef den geballten Zorn der Kleinaktionäre zu spüren. Erbost waren sie nicht über den Niedergang der T-Aktie. Auch die Aufstockung der Managergehälter angesichts tiefroter Zahlen und Dividendenkürzung löste bei ihnen Unverständnis aus.

Forderungen nach einem Rücktritt des 54-jährigen Managers werden wieder lauter. Aber sowohl der Aufsichtsrat wie auch Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) haben sich schützend vor Sommer gestellt. Er habe einen guten Job gemacht und sei nicht für das Debakel verantwortlich.

Der Bund ist mit rund 42 Prozent Hauptaktionär der Telekom. In einem Interview ging Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) unlängst aber auf Distanz zu Sommer und schlug sich auf die Seite der Aktionäre. Er könne deren Frust über den Kursverfall der T-Aktie gut verstehen. Berichte über eine mögliche Ablösung des Konzernchefs nach der Bundestagswahl wurden in Berlin aber heftig dementiert.

Eine Alternative zu Sommer ist derzeit auch nicht in Sicht. Der frühere Mannesmann-Chef Klaus Esser, der in der Presse schon einmal als ein möglicher Kandidat genannt wurde, kommt wegen eines noch laufenden Ermittlungsverfahrens derzeit kaum in Betracht. Bei einer internen Lösung gilt Mobilfunkchef Kai-Uwe Ricke als Favorit für den Posten. Aber was könnte ein Nachfolger schon besser machen, fragen Analysten.

Mit einem Verkauf von VoiceStream würden sich die Verschuldung (67 Milliarden Euro) und Verluste der Telekom zwar schneller verringern lassen. Doch für die US-Tochter wäre kein potenzieller Erwerber bereit, den Preis zahlen, den die Telekom seinerzeit auf den Tisch blätterte (35 Milliarden Euro). Und der Bonner Riese würde seine gesamte Strategie in Frage stellen.