Pfiffe

Deutsche Telekom unter Beschuss

Pfiffe auf der Aktonärs-Hauptversammlung
Von dpa / Karin Müller

Aktionäre der Deutschen Telekom haben den Konzernvorstand um Ron Sommer wegen des Einbruchs der T-Aktie und der Anhebung der Vorstandsbezüge scharf attackiert. Auf einer turbulenten Hauptversammlung in Köln warfen sie heute der Telekom-Führung unter anderem Traumtänzerei und eine falsche Strategie vor. Zuvor hatte Vorstandschef Ron Sommer in einer eineinhalbstündigen Rede den Kursverfall als "in höchstem Maße unerfreulich" bezeichnet. Dies stehe im krassen Gegensatz zur operativen Entwicklung des Unternehmens. "Die Telekom ist breiter und solider aufgestellt als fast alle Wettbewerber", betonte Sommer.

Jella Benner-Heinacher von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) nannte die Kursentwicklung eine Katastrophe für das kleine Pflänzchen Aktienkultur. Innerhalb von gut zwei Jahren ist die T-Aktie von ihrem Höchststand (104 Euro) auf gegenwärtig rund 12 Euro abgestürzt. Am Tag der Hauptversammlung legte das Papier um 0,48 Prozent auf 12,51 Euro zu. "Wir haben in ein hochriskantes Zockerpapier investiert", sagte die Geschäftsführerin der DSW. Zugleich kritisierte sie die Erhöhung der Vorstandsbezüge um 90 Prozent auf 17,4 Millionen Euro.

Hierzu hatte Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus zu Beginn des Aktionärstreffens gesagt, dass der Anstieg der Bezüge vor allem durch Abfindungssummen für ehemalige Vorstandsmitglieder zurückzuführen sei. Die Vergütung des Top-Managements sei angemessen, leistungs- und erfolgsorientiert, sagte der oberste Kontrolleur der Telekom und erntete hierfür von den rund 9 000  Aktionären Pfiffe und Gelächter. Die DSW kündigten an, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Ein Kleinanleger forderte angesichts des Verlustes von 3,5 Milliarden Euro, die Dividende komplett zu streichen. Vorstand und Aufsichtsrat hatten eine Senkung von 0,62 auf 0,37 Euro vorgeschlagen.

Die Bundesregierung wies unterdessen einen Bericht der Wirtschaftswoche zurück, wonach Sommer nach der Bundestagswahl - im Falle eines SPD-Wahlsiegs - abgelöst werden solle. Dies sei "absoluter Schwachsinn", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums in Berlin.

Auf der Hauptversammlung forderten Aktionärsvertreter wegen der tiefroten Zahlen eine gewinnorientierte Strategie. "Entscheidend ist, was nach Zinsen, Steuern und Abschreibungen herauskommen wird", betonte Rolf Drees von der Union Investment-Gruppe. Wann sollen sich die Investitionen in Milliardenhöhe in den Mobilfunk der Zukunft und die US-Tochter auszahlen?, fragten Kleinanleger. "Es ist deprimierend für uns Aktionäre", fasste Klaus Martini von der Fondsgesellschaft DWS die Stimmung unter den Anlegern zusammen.

Auch Sommer nannte die Börsenentwicklung niederschmetternd. Doch er zeigte sich zuversichtlich, dass die Kapitalmärkte die unternehmerische Leistung der Telekom honorieren werden. Der Konzern habe Milliardensummen in den Ausbau des Mobilfunks und des Systemgeschäfts investiert. Hierfür habe man kurzfristig Verluste bewusst in Kauf genommen. Die Alternative wäre gewesen, sich einseitig auf das Festnetz zu konzentrieren. Dafür hätte sich die Telekom aber um Wachstumschancen in der Mobilkommunikation gebracht, unterstrich Sommer.

Trotz der derzeit düsteren Stimmung in der Telekom-Branche, sprach der Vorstandsvorsitzende von einem Wachstumsmarkt. "Nicht die Branche ist in die Krise geraten, wohl aber einige Marktteilnehmer". Einige Wettbewerber seien in eine dramatische Schieflage geraten, da sie nicht sauber durchfinanziert seien. "Trotz unserer Verbindlichkeiten sind alle unsere Aktivitäten solide finanziert", sagte Sommer.

Mit insgesamt 67 Milliarden Euro Schulden gehört aber auch die Telekom zu den hochverschuldeten Unternehmen in der Branche. Der Anstieg des Eigenkapitals relativiere die Verschuldung des Unternehmens, meinte der Telekom-Chef. Dennoch habe der Abbau höchste Priorität. Bis Ende 2003 will das Unternehmen seine Verbindlichkeiten auf 50 Milliarden Euro senken.

Einem Bericht der Telebörse zufolge startet die Telekom einen neuen Versuch, ihre Fernsehkabelnetze zu verkaufen. Rund 30 Interessenten sei eine Broschüre mit Angaben zu den Netzen in Nord- und Ostdeutschland, Bayern sowie Rheinland-Pfalz und dem Saarland verschickt worden. Der Verkauf an den US-Medienkonzern Liberty Media für 5,5 Milliarden Euro war an Auflagen des Kartellamts gescheitert.