Einheit

Das neue Telefongefühl im Osten

Vor zehn Jahren wurde Deutschland telekommunikationstechnisch vereinigt
Von dpa / Marie-Anne Winter

Vor zehn Jahren hatte die Deutsche Telekom mit der Umstellung der ostdeutschen Vorwahlnummern begonnen. In einem Großakt versorgten Techniker in nur acht Wochen das Gros der Ost-Städte mit "bundeseinheitlichen Ortsnetzkennzahlen" zum Telefonieren. "Es war ein entscheidender Schritt hin zur gesamtdeutschen Integration", sagt der ehemalige Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU). 1993 war die Umstellung der rund 1 500 Vorwahlen der Ost-Ortsnetze abgeschlossen.

Mit dem 31. Juli 1992 startete die Telekom in eine neue Ära: Leipzig und Rostock waren die ersten beiden ostdeutschen Städte, die von überall in Deutschland über einheitliche Telefon-Vorwahlnummern erreichbar waren. "Wir haben die Einheit Deutschlands kommunikationsmäßig hergestellt", sagt Schwarz-Schilling. Noch monatelang habe er Dankesschreiben von Ostdeutschen bekommen. Schließlich hätten viele Bürger nach jahrelangem Warten endlich auch ihren ersten eigenen Apparat bekommen. "Telefonieren war damit jederzeit und ohne Aufwand möglich", erinnert sich der heute 71-jährige Bundestagsabgeordnete.

Dabei war der Anschluss der fünf neuen Bundesländer an das über Jahrzehnte gewachsene Telekommunikationsnetz auch für den dienstältesten Postminister (1982-1992) in der Geschichte der Bundesrepublik ein Kraftakt. Auf bis zu 4 000 Telefonleitungen zwischen Ost- und Westdeutschland schätzten die Techniker den Bedarf. Vorhanden waren gerade einmal 170. Die Technik entsprach vielerorts dem Stand der 20er Jahre. Der Aufbau Ost im Fernmeldewesen ging deshalb zunächst nur schleppend voran.

Als die ersehnte Telekommunikations-Infrastruktur auf sich warten ließ, entlud sich der Unmut der Ostdeutschen auf den Politiker. "Zunächst waren viele Menschen enttäuscht, dass nicht überall und sofort neue Anschlüsse zur Verfügung standen und die Umstellung schrittweise voranging", sagt Schwarz-Schilling. Die Techniker ließen sich von der Aufbruchstimmung in den Nachwende-Jahren mitreißen und bauten in Ostdeutschland ein modernes Glasfasernetz auf. "Mit einem Schlag wurde ein marodes Netz abgelöst. Viele gestandene Fernmeldetechniker aus dem Westen halfen dabei mit Begeisterung in den neuen Ländern", meint der Politiker.

Die Telefon-Vorwahlen waren eines der letzten Projekte unter der Ägide von Schwarz-Schilling. Nach zehn Jahren im Kabinettssessel warf der Mann, der die Umwandlung der Post in private Aktiengesellschaften eingeleitet und das digitale Fernmeldenetz ISDN eingeführt hatte, im Dezember 1992 das Handtuch. Gelieben ist das Vermächtnis der ostdeutschen Vorwahlen, die allesamt mit den Ziffern "03" beginnen.