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Editorial: Videotelefonie zum Zwanzigsten

Auch Arcor wird am Massenmarkt scheitern
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Das gemeine Telefon hat einen großen Nachteil: Man sieht sich nicht gegenseitig. Mimik und Körpersprache, eigentlich ein wichtiger Bestandteil der zwischenmenschlichen Kommunikation, gehen dadurch verloren. Es ist auch nicht möglich, seinem Gesprächspartner mal schnell etwas zu zeigen.

So ist es verständlich, dass das Videotelefon - das nicht nur Sprache, sondern auch Bilder überträgt - viele Protagonisten hatte. Und so ging am 01. März 1936, weniger als ein Jahr nach der Einführung des ersten regelmäßigen Fernsehbetriebs in Berlin, zwischen Berlin und Leipzig die erste Bildtelefon-Verbindung in Betrieb. Bildtelefonate kosteten "nur" das Doppelte eines normalen Gesprächs. Angesichts des zusätzlichen technischen Aufwands war dieses ein fairer Preis.

Während das Fernsehen längst zum wichtigsten Massenmedium geworden ist, darbt das Videotelefon weiter vor sich hin. Ein mit viel Tamtam und Werbung von der Telekom 1997 vorgestelltes Gerät floppte genauso, wie diverse Geräte zuvor und danach. Die Nutzung von Videotelefonaten auf UMTS-Handys oder Bildmitteilungen auf MMS-Geräten liegt bislang ebenfalls unter den Erwartungen.

Bildqualität ist nicht optimal

Dasselbe Schicksal dürfte das diese Woche vorgestellte Videotelefonie-Angebot von Arcor ereilen. Der Mensch hat nämlich ein instinktives Bedürfnis, sich nur von der "schönsten" Seite zu zeigen. Ein Videotelefonat wird die Mehrheit der Menschen nicht mal "so eben" führen, sondern erst nach angemessener Vorbereitungszeit vor dem Spiegel. Doch der Vorfreude und Vorbereitung folgt dann fast zwangsläufig die Enttäuschung, angesichts der alles andere als optimalen Bildqualität. Das wird auch vorerst so bleiben: 128 kBit/s, der Upstream aktueller DSL-Anschlüsse, reicht für ein gutes Bild einfach nicht aus, zumal der Sprachkanal noch parallel läuft.

Bei UMTS-Handys sorgen schon miniaturisierte Kameras und die kleinen Displays dafür, dass der Genuss nicht allzu groß ausfällt. All das treibt Leute dazu, doch wieder nur das normale Telefon zu benutzen - oder sich eben real zu treffen.