Ausblick

Mobilfunkmarkt: Warten auf die Exoten

Kommen jetzt der erste Frauen- und der erste Gay-Tarif?
Von Björn Brodersen

Die Ausgangslage für neue Billiganbieter ohne eigenes Netz scheinen gut zu sein. Die Netzbetreiber öffnen sich langsam den neuen Partnern, dazu ist mit der Materna-Tochter vistream der erste so genannte MVNE (Mobile Virtual Network Operator Enabler) auf dem deutschen Markt: Das Unternehmen übernimmt für neue Anbieter alle Aktivitäten und Funktionen im Bereich des operativen Managements eines Mobilfunkangebots von der Dateninfrastruktur über die Rechnungsstellung bis hin zum Kundenservice. Dem Partner obliegt somit nur noch das Marketing, der Vertrieb und der Verkauf seines Mobilfunkangebots. Hier bildet sich ein ganz neuer Geschäftszweig heraus.

Weitere vorteilhafte Gegebenheiten für kleine Start-ups in Deutschland sind eine hohe Mobilfunk- und Internet-Penetration und eine Akzeptanz von Online-Shopping-Angeboten. Wichtig für neue Anbieter ist es zudem, schlank und kosteneffektiv zu bleiben und schnell auf neue Entwicklungen reagieren zu können. Telmore beschäftigt zurzeit beispielsweise 86 Mitarbeiter bei einer Kundenzahl von knapp 500 000. Auch die Mitarbeiterzahl von simyo, dem ersten deutschen No-Frills-Angebot, bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich. Dafür müssen die Kunden aber auch einen Online-Kundenservice in Kauf nehmen. Das muss jedoch kein Nachteil sein: Beispielsweise kann bei simyo der Kunde durch die verschiedenen Bezahlarten selbst und von Fall zu Fall entscheiden, ob er das Angebot als Prepaid- oder Postpaid-Produkt nutzen will.

simyo 2.0: E-Plus-Marke arbeitet an weiteren Diensten

Als entscheidend für den eigenen Erfolg sieht simyo-CEO Rolf Hansen jedoch neben den einfachem und transparentem Tarif auch die Akzeptanz der deutschen Bevölkerung von Discountern wie etwa den Supermarktketten Aldi und Lidl. Im Mobilfunkbereich hat die E-Plus-Marke das Discount-Segment selbst erzeugt, bis zum Jahr 2010 erwartet Hansen einen Marktanteil der Mobilfunk-Discounter von bis zu 25 Prozent. Schätzungen zufolge seien zudem 50 Prozent aller bestehenden Mobilfunkkunden bereit, zu einem No-Frills-Angebot zu wechseln. Die erste Konsolidierungswelle erwartet der noch für dieses Jahr: "Dabei braucht man eine bestimmte Größe, um zu überleben", sagte er in Berlin.

Der Anbieter selbst arbeitet derweil an der Erweiterung seines Angebots. Unter dem Schlagwort "simyo 2.0" sollen zukünftig bestimmte Dienste angeboten werden, die immer wieder im Zusammenhang mit dem Konzept Web 2.0 fallen. So kann es gut sein, dass simyo-Kunden noch in diesem Jahr Mobile-Banking oder mobile Einkaufs- bzw. Bezahlangebote nutzen können. Dabei will der Anbieter jedoch die Fehler seiner Vorgänger nicht wiederholen und die Dienste an den Wünschen der Kunden vorbei einführen.

Die Mobilfunk-Exoten kommen

Brancheninsider erwarten jedoch gleichzeitig, dass künftig weitere und bislang in ihrer Form nicht gekannte Mobilfunkangebote auf dem Markt eingeführt werden. So könnte es schon bald einen speziellen Tarif für Fans von Bayern München oder Schalke 04 geben, ein solches Angebot gibt es beispielsweise in Belgien von Transatel für den Fußballclub RSC Anderlecht. Denkbar sind auch Produkte für andere Bevölkerungsgruppen oder Communities. Auch hier gibt es bereits Beispiele im Ausland: In Zusammenarbeit mit CBB Mobile wurden beispielsweise jüngst spezielle Tarife für Frauen (Kvindlers.net), Gays (Gay Mobile) oder jugendliche Nutzer mit Interesse an Download-Diensten (Arto). In Deutschland gibt es bislang solche Beispiele mit Ay Yildiz, das sich an türkischstämmige Kunden richtet, oder das an Jugendliche gerichtete Viva Mobile.

Solche Angebote können auch für Nicht-Mobilfunkunternehmen interessant sein: Sie können dadurch die Kundenbindung und Kundengewinnung stärken und zusätzlich einen neuen alternativen Vertriebskanal entwickeln. Kvindlers.net-Kundinnen können sich beispielsweise Artikel aus mehreren Frauenzeitschriften des Verlags Aller Press schicken lassen, der hinter dem Angebot steht. Wichtig für den Erfolg solcher Angebote ist es jedoch, dass die Anbieter nicht nur einfache und günstige Tarife herausbringen, sondern auch bereits über eine starke Marke oder eingeschworene Community verfügen. Dass solche Mobilfunkangebote dann sehr erfolgreich sein können, haben die Beispiele Tchibo und ALDI Talk gezeigt. Den Vorteil des Vorreiters werden die Nachfolger allerdings nicht mehr haben.