Hintergrund

Anbieter von Telemedien setzen auf mehr Selbstkontrolle

Heftiges Kompetenzgerangel im Kinderschutz
Von Björn Brodersen

Mitglieder der FSM verpflichten sich, verbotene Inhalte wie etwa Pornografie oder volksverhetzende und jugendgefährdende Inhalte nicht zu verbreiten und etwaige Sanktionen durch den Branchenverband zu akzeptieren. Diese reichen von einem Hinweis mit der Aufforderung, das Angebot zu stoppen, über eine Rüge bis hin zu einer Geldbuße und einem Ausschluss des Anbieters aus der FSM. Ausgeschlossene Unternehmen unterstehen dann wieder direkt der staatlichen Kontrolle. Derzeit zählt die FSM 38 Mitglieder, darunter neben Anbietern von Internetinhalten auch Suchmaschenanbieter, Host- und Zugangsprovider sowie Mobilfunkanbieter.

In Deutschland sind die Unternehmen, die Internetinhalte entwickeln und verbreiten, für die Rechtmäßigkeit dieser Inhalte verantwortlich. Laut § 7 JMStV müssen zum Beispiel Unternehmen, die jugendgefährdende Inhalte anbieten, auch einen Jugendschutzbeauftragten einstellen. Diese Rolle können alternativ Organisationen der freiwilligen Selbstkontrolle wie die FSM übernehmen. Weitere Bestimmungen des JMStV: Es dürfen keine absolut unzulässigen Inhalte verbreitet werden - auch nicht an Erwachsene. Bei Erwachsenen-Angeboten muss ein ausreichendes Altersverifikationssystem (AVS) vorgeschaltet sein. Bei entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten muss die Wahrnehmbarkeit für Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersstufe durch den Einsatz eines anerkannten Jugendschutzprogramms, anderen technischen Mitteln oder einer zeitlichen Begrenzung begrenzt werden. Und Inhalte, die nach § 12 Jugendschutzgesetz gekennzeichnet oder für die jeweilige Altersstufe freigegeben sind (FSK oder USK- Kennzeichen), müssen einen entsprechenden Hinweis enthalten.

Jugendschutzprogramme wie etwa Verschlüsselungs- oder Altersverifikationssysteme und die digitale Kennzeichnung von Inhalten im Zusammenspiel mit Filtersoftware hält Gutachter Frey für "maßgeschneidert für das Internet". Jugendschutzprogramme stellen eine Alternative zu den aus dem Rundfunk bekannten traditionellen Sendezeitgrenzen dar und können vom Anbieter entweder programmiert oder ihren Angeboten vorgeschaltet werden. Zuvor müssen sie allerdings der KJM vorab zur Anerkennung vorgelegt werden. Bisher - so die KJM - erfüllt keines der vorgelegten Jugendschutzprogramme die Anforderungen des JMStV ausreichend, vor allem deshalb, weil sie ausländische Seiten nicht ausblenden. Eine Hoffnung auf Anerkennung dürften sich aber die als Modellversuch zugelassenen Systeme "ICRAdeutschland" des Konsortiums von Wirtschaftsunternehmen und -verbänden als auch das System "jugendschutzprogramm.de" machen.

"Jugenschutzprogramme spielen noch keine Rolle in der Praxis, da die KJM bislang noch keine Filtersoftware anerkannt hat", kritisierte Frey auch am Freitag. Er forderte, die Markmale solcher Programme technikoffen zu konkretisieren und Einrichtungen der Selbstkontrolle entsprechende Anerkennungen aussprechen zu lassen, da sie über größere Kompetenz verfügten.

Branche bringt sich in Stellung

Die Autoren der Studie und der BVDW kommen zu dem Schluss, dass mehr Selbsklassifizierung von Medieninhalten durch die Anbieter und eine stärkere Rolle des Branchenverbands FSM bei der Beurteilung solcher Angebote effektiver den Jugendschutz angehen können als Behörden und Gesetze. Sie würden ihrer Ansicht nach den deutschen Inhalteanbietern mehr Handlungs- und Rechtssicherheit bringen und damit die Benachteiligung deutscher Telemedien-Anbieter gegenüber Unternehmen im Ausland, wo die Vorgaben weniger streng gefasst sind, aufheben. Hierzu müsse allerdings die Selbstregulierung auch grenzübergreifend gefördert werden.

Ob Gesetzgeber und Verbraucher der Vernunft der Unternehmen vorbehaltlos vertrauen dürfen, darf bewzeifelt werden - das zeigen immer wieder Beispiele aus dem Bereich der Telekommunikations-Mehrwertdienste. Vor der anstehenden Überarbeitung der Gesetze zum Jugendschutz verspricht sich die Branche allerdings mehr Einfluss und bringt sich dazu in Stellung. Am kommenden Mittwoch berät das Bundeskabinett die geplante Novelle zum Jugendschutzgesetz.