Hintergrund

Anbieter von Telemedien setzen auf mehr Selbstkontrolle

Heftiges Kompetenzgerangel im Kinderschutz
Von Björn Brodersen

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) tritt für eine Stärkung der freiwilligen Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter ein. Dies würde zu einer größeren Wirksamkeit bestehender gesetzlicher Regelungen im Bereich des Jugendschutzes führen, erklärte am vergangenen Freitag BVDW-Präsident Arndt Groth in Berlin. Dort stellte der Bundesverband Digitale Wirtschaft ein umfassendes Gutachten [Link entfernt] zum Thema Jugendschutz vor, mit der er sich im kommenden Jahr an der Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV [Link entfernt] ) und des Jugendschutzgesetzes (JuSCHG) konstruktiv beteiligen möchte. Fazit des Gutachtens: Eine Verschärfung bestehender Jugendschutz-Bestimmungen ist weder von den Diensteanbietern gewollt noch notwendig, Abläufe und Zuständigkeiten der beteiligten Institutionen müssten aber verbessert bzw. genauer gefasst werden. Eine stärkere Selbstkontrolle der Branche würde helfen, bisherige Vollzugsdefizite abzubauen.

Schon seit April 2003 gibt es im Bereich der Telemedien die per Gesetz festgeschriebene Form der "regulierten Selbstregulierung" in Deutschland, die ein Zusammenwirken von Staat und Industrie beim Jugendmedienschutz vorsieht. Der Staat schafft den gesetzlichen Rahmen und die entsprechenden Kontrollinstanzen, die Anbieter bewegen sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens in Eigenverantwortung und Eigeninitiative. Allerdings - so die Rechtsanwälte Dieter Frey und Matthias Rudolph, die das Rechtsgutachten zur Evaluierung des Staatsvertrags erstellt haben - sei eine schärfere Trennung der Kompetenzen der Selbstregulierungs-Institutionen und der staatlichen Aufsicht notwendig. Das bisherige Jugendmedienschutz-System leide neben der unklaren Kompetenzverteilung unter einer Intransparenz der Prüfverfahren und langen Bearbeitungszeiten beispielsweise bei Anerkennungsverfahren.

Gutachter: "jugendschutz.net ist ein Fremdkörper"

Kritisch sieht der BVDW die Rolle der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Ihr hat der Gesetzgeber die Aufsicht über den privaten Rundfunk und Telemedien übertragen. Die KJM versteht sich selbst aber nicht nur als Aufsichtsinstanz, sondern will auch gesellschaftspolitische Prozesse anstoßen. Instanzen der freiwilligen Selbskontrolle, die sich im Rahmen der regulierten Selbstregulierung bilden, müssen von der KJM anerkannt werden - so beispielsweise auch die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V. (FSM) im Jahr 2004 unter Bedingungen und Auflagen. Da die KJM mit der Aufsicht über das Internet Neuland betreten hat, arbeitet sie zudem mit Einrichtungen wie etwa jugendschutz.net oder der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) zusammen, die größere Erfahrung in bestimmten Bereichen mitbringen.

"KJM, FSM, jugendschutz.net - es ist für viele nicht klar, wer eigentlich was macht", sagte Gerd Fuchs, Referent Medienpolitik im BVDW, in Berlin. Zuständigkeiten seien teilweise diffus und Abläufe müssten optimiert werden, indem etwa feste Fristen und Veröffentlichungspflichten bei Aufsichts- und Genehmigungsverfahren für Jugendschutzprogramme eingehalten werden. Zurzeit komme es nicht selten zu einer faktischen Dopplung der Aufsicht bei Genehmigungsverfahren, weil Unternehmen zunächst jugendschutz.net, die seit 1997 bestehende gemeinsame Stelle der Bundesländer für den Jugendschutz in Mediendiensten, bemühen würden. Die Gutachter halten die bisherigen Aufgaben für jugendschutz.net zudem für nicht immer angemessen und fordern deshalb eine Eingliederung "des Fremdkörpers" in eine Behörde.

Wie der Ablauf von Prüfverfahren jugendschutzrelevanter Inhalte in Rundfunkprogrammen und Telemedien aussieht, beschreibt die KJM so: Die Beobachtung und Ermittlung jugendschutzrelevanter Inhalte obliegt bei den Telemedien jugendschutz.net und den jeweils zuständigen Landesmedienanstalten. Die Überprüfung und Bewertung möglicher Verstöße gegen die Jugendschutzbestimmungen übernimmt die KJM, die auch entsprechende Maßnahmen beschließt. Für die Durchsetzung dieser Maßnahmen sorgt im letzten Schritt wieder die zuständige Landesmedienanstalt.