mehr Leistung

Mathematik macht Akkus fit

Simulationsprogramme sollen teure Akku-Prototypen ersetzen
Von Marie-Anne Winter

Ob im Handy oder in der DigiCam, im Laptop oder im Elektroauto: Lithium-Ionen-Akkus sind derzeit das Beste, was es gibt. Und doch reichen ihre Lebensdauer und Leistungsfähigkeit nicht aus, um zum Beispiel Automobile mit Elektroantrieb wirklich konkurrenzfähig zu machen. Hinzu kommen technische Probleme, die im vergangenen Jahr zu immensen wirtschaftlichen Verlusten geführt hatten - wir berichteten über einige Rückrufaktionen großer Hersteller. Allein Sony bezifferte Medienberichten zufolge die Kosten für den Austausch von Laptop-Akkus auf rund 340 Millionen Euro. Einige Lithium-Batterien hatten sich gefährlich überhitzt, manche waren gar explodiert, und der Konzern musste Millionen davon zurückrufen. "Ich habe das damals nur als interessierter Zeitungsleser mitbekommen", erinnert sich Dr. Wolfgang Dreyer vom Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik (WIAS). "Von der fachlichen Seite her hatte ich von Lithium-Batterien keine Ahnung."

Das hat sich schnell geändert. Seit einigen Monaten grübelt der Leiter der Forschungsgruppe "Thermodynamische Modellierung und Analyse von Phasenübergängen" über das Innenleben der Lithiumbatterien nach. Für ein europäisches Forschungskonsortium mit Beteiligung slowenischer Kollegen, die Dreyer die elektrochemischen Daten liefern, ist er dabei, ein mathematisches Modell zu entwerfen. Das Projekt heißt ALISTORE, die Abkürzung steht für "Advanced lithium energy storage systems based on the use of nano-powders and nano-composite electrodes/ electrolytes".

Vereinfachtes Funktionsprinzip Lithium-Akku
Grafik: WIAS
Die Materie ist sehr komplex - vereinfacht gesagt geht es darum, dass die Leistungsaufnahme beim Laden und die Leistungsabgabe durch Entladen des Akkus nicht genau gleich erfolgen. Das haben Messungen der slowenischen Wissenschaftler ergeben. Im Modell sieht man das an zwei Linien, die am Anfang und am Ende übereinander liegen, in der Mitte des Diagramms jedoch parallel verlaufen. Dieser Verharrungszustand wird als Hysterese bezeichnet - und diese gilt es, zu vermeiden.

Das Modell an die reale Welt anpassen

Das Modell simuliert, wie Lithium-Ionen in einem Kristallgitter, das aus Eisenphosphat besteht, gespeichert werden. Das Eisenphosphat (FePO4) ist im Modell als Kugel dargestellt. "Es ist klar, dass sich der Radius der Kugel ändert, wenn Ionen aufgenommen oder abgegeben werden." Die modellierte FePO4-Kugel misst in Wirklichkeit 50 Nanometer, tausend davon würden hintereinander gelegt den Durchmesser eines Haares ergeben. In einem Akku sind unzählige dieser Nanokugeln am Minuspol, also der Kathode. Der Pluspol - die Anode - besteht aus Lithium oder Lithiumverbindungen. Entnimmt man elektrischen Strom, wandern Lithium-Ionen zur Kathode, die FePO4 -Kügelchen schwellen an, umgekehrt entleert sich das Kristallgitter wieder, wenn von außen eine Spannung angelegt wird, also der Akku aufgeladen wird. Die Lithium-Ionen kehren zur Anode zurück.

"Mein Modell bildet die Vorgänge trotz der erheblichen Vereinfachungen bereits recht gut ab", berichtet Dreyer. "Es zeigt sogar, was passiert, wenn ich eine Wechselspannung anlege." Jetzt komme es darauf an, die Simulation anhand der Messdaten genauer an die reale Welt anzupassen. "Dazu wird aber eine Kooperation nötig sein, die über das bisherige Maß hinausgeht", sagt der WIAS-Forscher. Denn diese Anpassung sei aufwändig. Jedoch könnten mit einem guten Modell zahlreiche teure Versuche eingespart werden. Nur besonders vielversprechende Experimente würden auch wirklich im Labor gemacht. Das spare Zeit und Geld. Am Ende seien wesentliche Verbesserungen zu erwarten: Die Ladezeiten könnten verringert und die Ladungsdichte deutlich gesteigert werden. "Und außerdem passt mein Modell auch auf andere Probleme, zum Beispiel wie man Wasserstofftanks in Autos besser befüllt oder wie sich harter Stahl in weichen Stahl umwandelt", sagt Dreyer. Das ist ein Effekt, den er und seine Kollegen vom WIAS immer wieder erleben: Angewandte Mathematik als Allzweckwerkzeug.