Manieren 2.0

Stilfragen im Zeitalter von Handy und E-Mail

Wie die digitale Welt Umgangsformen verändert
Von dpa / Marie-Anne Winter

Handytelefonate in der U-Bahn, Anmachversuche in Online-Flirt-Communitys und Schlussmachen per SMS: Die digitale Welt hat jede Menge neue Kommunikationsphänomene hervor gebracht. Aber was gern als cool und trendy gefeiert wird, hat auch eine Kehrseite: Im digitalen Umgang miteinander bleiben Stil und Etikette oft auf der Strecke. Und manche Regeln ändern sich so schnell, dass viele nicht mehr hinterher kommen.

Das musste auch Adriano Sack feststellen. Private Erlebnisse in seiner neuen Heimat brachten dem Wahl-New Yorker viele neue Eindrücke über das Miteinander in der digitalen Welt, die er in dem Buch Manieren 2.0 zusammengefasst hat. In New York gefährden Handys zum Beispiel längst nicht mehr nur telefonierende Autofahrer. "Der Bürgermeister wollte Handys für Fußgänger verbieten, weil sich zu viele Menschen lieber auf das Gespräch anstatt auf den Straßenverkehr konzentrieren", erzählt Sack. Außerdem erinnert er sich an einen Medienprofessor, der während des gemeinsamen Lunchs mit dem Autor elfmal an sein Telefon ging.

Das Handy auch mal abstellen

Freiherr von Knigge würde sich wohl im Grab umdrehen. "Früher galten Menschen als cool und wichtig, die immer erreichbar waren", sagt der Stiltrainer Jan Schaumann aus Berlin. Er hat einen Imagewechsel der permanenten Erreichbarkeit ausgemacht: "Heute ist man interessant, wenn man es sich leistet, das Handy auch mal abzustellen." Gerade während einer Verabredung gehört es für Schaumann zum guten Ton, die Off-Taste zu drücken und sich ganz auf den Gesprächspartner zu konzentrieren. "Alles andere ist respektlos."

Glaubt man Adriano Sack, hat die junge Handy- und Internetgeneration durch den frühzeitigen Gebrauch der digitalen Technik Fundamentales verlernt. So sei es eine fast schon vergessene Kunst, mit der Hand zu schreiben. "Ein Kind aus normalem Haus lernt heute, eine Maus zu bedienen, bevor es mit der Hand schreiben kann." Und so sehen nach Einschätzung von Jan Schaumann dann oft auch die Inhalte der E-Mails und Kurznachrichten aus. Dabei gelten in der neuen Welt noch viele alte Regeln.