Manieren 2.0

Stilfragen im Zeitalter von Handy und E-Mail

Wie die digitale Welt Umgangsformen verändert
Von dpa / Marie-Anne Winter

"Private und geschäftliche E-Mails sollten ordentlich geschrieben sein. Der Verfasser sollte die Regeln von Orthografie und Grammatik beachten", findet Schaumann. Den permanenten Ausdruck der Gemütslage über Smileys und Textvorlagen findet er "katastrophal". An anderer Stelle haben die neuen Kommunikationsmöglichkeiten auch neue Verhaltensregeln hervorgebracht. Ein Brief lässt sich nicht von einem Moment auf den anderen beantworten - E-Mails und SMS haben die Wartezeit verkürzt. "Natürlich bekommen viele Leute jede Menge Nachrichten pro Tag. Trotzdem sollte so schnell wie möglich geantwortet werden."

Dabei lässt Schaumann eine Zeitspanne zwischen 24 und 48 Stunden gelten - eine schnellere Antwort fällt seiner Einschätzung nach positiv auf. Noch wichtiger ist allerdings der Inhalt der Antwort. Adriano Sack hat dazu ein paar Regeln aufgestellt: "Schreibe nichts in eine E- Mail, was justiziabel, beleidigend oder für dich selbst peinlich ist." Denn, so der Autor, E-Mails seien wie abgehalfterte Popsängerinnen: "Sie landen immer in den falschen Händen." Besonders am Arbeitsplatz, wo viele Informationen in hohem Tempo an viele Empfänger gehen, könne schnell etwas schief gehen.

Zwischen privat und geschäftlich unterscheiden

Das Beantworten privater Mails während der Arbeitszeit könnte daher nicht nur den Chef auf die Palme bringen - es ist den Experten zufolge auch stilistisch daneben. "Das ist ein absolutes No-Go", sagt der Kommunikations-Coach Rudi Rhode aus Wuppertal. "Man wird im Job schließlich nicht für die private Kommunikation bezahlt." Auch das Privathandy ist im Büro tabu, findet Rhode. "Sollte es doch klingeln, ist es besser, den Anruf wegzudrücken oder das Gespräch mit einem Hinweis auf die Arbeit schnellstens zu beenden." Eine Ausnahme seien zum Beispiel Anrufe der eigenen Kinder: "Da kann ja immer mal was sein."

Praktisch kann in Grenzfällen die schnell getippte Nachricht sein. Wenn es an die emotionale Substanz geht, sollte sie tabu sein: "Die Handygeneration setzt bei der Konfliktbewältigung aber immer öfter auf die beliebte SMS", hat Jan Schaumann beobachtet. Musste einst in ewig währenden Diskussionen der Beziehung mit der langweilig gewordenen Freundin ein Ende gesetzt werden, gibt es den Korb heute gern per Kurznachricht. Der Benimmexperte findet das billig und respektlos.

"Das hat genauso wenig Stil wie die Methode, sich während eines uninteressanten Dates von einem Freund anrufen zu lassen, um sich dann schnell zu verabschieden." Zwar wahre man so eher sein Gesicht als bei einer knallharten Abfuhr. "Aber man kann auch mit netten ehrlichen Worten das Date beenden", sagt Schaumann. Denn selbst im digitalen Zeitalter gelte die alte Regel: "Was du nicht willst, was man dir tu - das füg auch keinem anderen zu."

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