Wettbewerb

Call by Call bei congstar komplett: Regulierer schaltet sich ein

Bundesnetzagentur startet am Mittwoch eine öffentliche Konsultation
Von Björn Brodersen

Bei der Frage, ob die Deutsche Telekom auch Nutzern des neuen DSL-Komplettangebots congstar komplett, Call by Call ermöglichen muss, geht es nicht nur um die Möglichkeit für den Kunden, mehrere Cent beim Telefonieren einzusparen. Nach Ansicht von VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner geht es um viel mehr - nämlich um die Frage, wie künftig der Wettbewerb auf dem deutschen Telefonmarkt aussehen wird. Wie berichtet hat sich der Verband, der unter anderem die Interessen der alternativen Telefonanbieter vertritt, an die Bundesnetzagentur gewandt und will das congstar-komplett-Angebot in seiner jetzigen Form wieder vom Markt nehmen lassen. Die Bundesnetzagentur startet jetzt dazu am kommenden Mittwoch eine öffentliche Anhörung unter den Marktteilnehmern.

Sollte die Marktanalyse und -definition zum sogenannten Markt 5 (Breitband-Zugang für Großkunden) ergeben, dass die Telekom hier eine marktbeherrschende Stellung inne hat, kann dies Konsequenzen für das DSL-Komplettpaket von congstar haben. Wie mögliche Folgen aussehen können, will die Bundesnetzagentur bislang nicht schildern. Sie weist lediglich darauf hin, dass es unter der aktuellen Fassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) keine Regelung zu einer Verpflichtung der Telekom gebe, Call by Call bei der IP-basierten Telefonie anzubieten. Vielmehr müsse die Telekom bislang laut TKG Call by Call und Preselection nur im herkömmlichen leitungsgebundenen Telefonnetz (PSTN) ermöglichen. Eventuell könnte am Ende aber dies aber auch bald für das IP-basierte Netz gelten. Technisch wäre die Umsetzung kein Problem, das zeigt das Beispiel Swisscom in der Schweiz.

Für den Telefonteilnehmer spielt die Anschluss-Technologie kaum eine Rolle

Für den normalen Telefon- und Internetkunden ist die Frage der Anschluss-Technologie zunächst einmal nicht wichtig. Ihm kommt es darauf an, dass er telefonieren und im Internet surfen kann. Allerdings wird die Frage der Anschluss-Technologie auch für den Kunden immer relevanter, denn die Telekom ist dabei, ihr herkömmliches Telefonnetz flächendeckend durch ein IP-basiertes Netz (Next Generation Network, NGN) vollständig zu ersetzen. Dem VATM schwant dabei nichts Gutes, er will aus diesem Grund frühzeitig die Weichen für mehr Wettbewerb bei den IP-basierten Telefonanschlüssen stellen. "Das wird bald das Produkt für ganz Deutschland sein, der Markt geht eindeutig dahin", erklärt Grützner gegenüber teltarif.de. Daher sei es "eine heikle Sache", hier Call by Call oder Preselection nicht anzubieten. Schließlich habe die EU-Kommission versprochen, dass sich durch die Technologie-Umstellung nichts für die Telefonteilnehmer verändere. "Die Frage ist, ob man die Telekom schützt oder für mehr Wettbewerb sorgt", sagt Grützner. Über congstar komplett greife nun die Telekom in den Großstädten die preisaggressiven Kabelnetzbetreiber an, die für mehr Wettbewerb sorgen sollen, und würge so den Wettbewerb ab. Dies sei eine Umkehrung des "Wettbewerbsmodells".

Als "falsche Sichtweise" bezeichnet Grützner diejenigen Standpunkte, die darauf verweisen, dass auch die alternativen Vollanschluss- und DSL-Komplett-Anbieter kein Call by Call ermöglichten und congstar ein eigenständiger Anbieter sei. Nach Ansicht von Grützner ist die Telekom marktbeherrschend, da sie 80 Prozent der Anschlüsse in Deutschland geschaltet habe. Sie starte nun über die kleine Tochter congstar einen "Versuchsballon" für ein Call-by-Call-loses Anschlussprodukt, das den herkömmlichen Telefonanschluss mit der Möglichkeit, Call by Call und Preselection zu nutzen, ganz ersetze. Aufgabe alternativer Anbieter sei es aus regulatorischer Sicht, für Wettbewerb auf dem Markt zu sorgen - beispielsweise über günstige Preise, die aber auf einer Mischkalkulation beruhten, die nur ohne Call by Call oder Preselection bestehen könne. Der Telefonteilnehmer hat so die Wahl, bewusst ganz zu einem Wettbewerber der Telekom zu wechseln oder bei der Telekom zu bleiben und bei Bedarf teilweise - per Call by Call oder Preselection - die Angebote der Konkurrenz zu nutzen.

Bei congstar versteht man dagegen die Aufregung nicht. "Beim congstar-komplett-Anschluss handelt es sich um einen Datenanschluss über den ebenfalls Telefonie mittels Voice over IP realisiert wird. Bei diesen Anschlüssen ist es auf Grund des Vorleistungsproduktes, welches durch die Bundesnetzagentur freigegeben wurde, technisch nicht möglich, Call by Call und Preselection anzubieten", sagte congstar-Pressesprecherin Ramona Stahl auf Anfrage von teltarif.de. Dies sei nicht nur bei congstar der Fall sondern auch bei anderen Anbietern im Markt. Sie verweist auf die Möglichkeit der congstar-komplett-Kunden, alternative VoIP-Dienste fürs telefonieren zu nutzen und die sogenannten Surfpakete vom congstar, die auf Resale-DSL basieren und einen herkömmlichen Telefonanschluss der Telekom voraussetzen.

IP-basierte Telefonie ist zu einer ernsthaften Alternative gereift

Dem VATM geht es konkret wohl weniger um das congstar-komplett-Angebot, vielmehr fürchtet der Interessenverband um den Wettbewerb auf dem deutschen Telefonmarkt und will eher über eine Grundsatzdebatte den Anfängen wehren. Wie der Streit um das Call by Call und Preselection bei congstar komplett ausgeht, wird sich erst in einigen Wochen oder Monaten zeigen. Eines zeigt diese Diskussion aber schon jetzt: Die IP-basierte Telefonie hat nichts mehr mit der "DSL-Telefonie" früherer Jahre gemein und ist zu einer ernsthaften Alternative für die herkömmliche Festnetz-Telefonie geworden.