Fragmentierung

Google-I/O-Nachlese: App Permissions vorerst nutzlos

Die Keynote der Google I/O war zwei Stunden lang - viel Neues gab es aber nicht. Mit den App Permissions bringt Android M ein langerwartetes Feature. Aber das Problem der langsamen System-Updates führt dieses aber ad absurdum.
Ein Kommentar von Hans-Georg Kluge

Google setzt auf die Cloud, um neue Android-Funktionen zu realisieren. Google setzt auf die Cloud, um neue Android-Funktionen zu realisieren.
Screenshot: teltarif.de
Mit der langerwarteten Keynote zur Google I/O wollten wir, wollten viele Nutzer, einen Blick auf die Zukunft von Android und anderen Google-Plattformen erhaschen. Aber der Konzern zeigt Schwächen. Sundar Pichai und seine Mitarbeiter hatten kein echtes Highlight zu bieten. Viele Themen und Ankündigungen kamen seltsam bekannt daher - kein Wunder, denn die Worte zu Android Wear und Android TV waren schon vorher bekannt. Zweifelsohne: Die Keynote enttäuschte.

Android M: Google zementiert die Fragmentierung der Plattform

Google setzt auf die Cloud, um neue Android-Funktionen zu realisieren. Google setzt auf die Cloud, um neue Android-Funktionen zu realisieren.
Screenshot: teltarif.de
Die Android-Plattform hat zwei Kern-Probleme, die Nutzern und Entwicklern gleichermaßen zu schaffen machen: App-Berechtigungen und Firmware-Updates. Firmware-Updates sind bekanntermaßen komplex und Google hat keine Kontrolle über die Hersteller. Alle Versuche, an der langsamen Verbreitung der Updates etwas zu ändern sind gescheitert. Und dabei bleibt es wohl auch. Insgesamt kommt der Verdacht auf, Google habe in puncto Plattform-Fragmentierung die Flinte ins Korn geworfen.

Ein Blick in das Apple-Universum macht Android-Nutzer also auch weiterhin neidisch: Dort gibt es zwar nur wenige Smart­phone-Modelle und Tablets, dafür aber sofortige Updates. Bei Android: Myriaden Devices, deswegen aber auch schleppende oder sogar ausbleibende Updates.

Selbst für Firmen, die Googles Einfluss auf Android zurückdrängen möchten - zum Beispiel CyanogenMod Inc. - ist Googles Taktik ein Problem: Viele Android-Features sind proprietär und Schnittstellen zu Android Wear, TV oder Auto bleiben der Konkurrenz verschlossen.

App Permissions: Nur eine langfristige Lösung

Warum die Fragmentierung der Plattform ein so großes Problem darstellt, lässt sich an Googles prominentester Neuerung für Android M studieren: Den App Permissions. Die erfordern Android M - technisch ist das kaum anders zu lösen, da umfangreiche systeminterne Umstrukturierungen nötig sind. Soweit so gut.

Weniger deutlich sprach Google aus, dass Apps diese Technik unterstützen müssen - indem sie spezifisch auf Android M optimiert sind (und damit auf älteren Versionen nicht mehr ausführbar sind). Noch viel schweigsamer gab sich Google zu einer weitreichenden Einschränkung: Apps, die für ältere Versionen konzipiert sind, verhalten sich auch unter Android M wie gewohnt. Bei der Installation gibt es dann also erneut die Abfrage nach den Rechten, die eigentlich unterbleiben sollte. Diesen Apps kann der Nutzer zwar bestimmte Rechte entziehen, aber es ist ungewiss, wie die Anwendung darauf reagiert. Im ungünstigsten Fall mit einem Crash.

Entwickler müssen also eine zweite App-Version für Android M anbieten, um vom neuen Rechte-System zu profitieren. Aber wer macht das schon, wenn die Verbreitung der notwendigen Haupt-Version auch ein halbes Jahr nach der Vorstellung nur bei knapp 10 Prozent liegt? Langfristig werden sich die App Permissions sicher durchsetzen und große Player haben kein Problem damit, mehrere Versionen zu unterstützen. Für kleinere Entwickler-Studios sieht das ganz anders aus. Wer also glaubt, schon bald einzelnen Apps Rechte entziehen zu können, dürfte sich täuschen.

Cloud-Computing, Machine Learning, Virtual Reality

Technik, die begeistert, hatte Google durchaus zu bieten. Google Photos beispielsweise, das Personen und Orte auf den hochgeladenen Bildern erkennt. Und auch Google Now profitiert von neuen Machine-Learning-Entwicklungen. Nur bleiben Fragen bezüglich der Privatsphäre offen.

Cardboard war im Jahr 2015 ein Überraschungshit. Warum? Die günstige Bastellösung ist eine Virtual-Reality-Brille, die dank des günstigen Preises VR für ein breites Publikum verfügbar machte. Zwischenzeitlich punktete Microsoft mit der HoloLens - wie würde Google nun kontern? Gar nicht. Jump hat zwar großes Potenzial für Content-Producer, aber den großen Durchbruch wird’s nicht bringen. Jump benötigt immerhin 16 Kameras - letztlich ist das eine Profilösung.

Android ist der Schlüssel zum User

Google fehlt für Android eine Vision, die ohne massives Cloud-Computing auskommt - vielleicht fehlt dem Konzern aber auch einfach die Bereitschaft. Denn in der Datenwolke liegt die Zukunft des aktuell erfolgreichsten Smart­phone-Betriebssystems. Wer sich um seine Privatsphäre sorgt, ist spätestens seit dieser Google I/O gewarnt.

Warum aber Google über beinahe zwei Stunden so wenig Neues vorstellte, bleibt rätselhaft. Rauchte manchem Zuschauer nach einer langen Keynote der Kopf, war in diesem Jahr eher ein Gefühl der Erleichterung zu spüren - endlich überstanden.

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