Editorial

IFA 2023: Nostalgischer Rückblick und subjektive Kritik

Vom 1. bis 5. September fand die Inter­natio­nale Funk­aus­stel­lung, pardon "IFA", in Berlin statt. Radio, Fern­sehen und Tele­kom­muni­kation waren eher Neben­sache.
Von der IFA in Berlin berichtet

Es war einmal eine Messe, die hieß "Inter­natio­nale Funk­aus­stel­lung". Dort gab es Radios und Fern­seh­geräte, Tonband-Maschinen, Plat­ten­spieler, High Fide­lity (Hi-Fi) und so weiter. Da konnte man Programm­macher von Radio und TV treffen, mit ihnen fach­sim­peln oder zuschauen, wie Programme gemacht werden.

Abge­kürzt wurde die Inter­natio­nale Funk­aus­stel­lung mit "IFA". Mit Funk hat sie längst wenig zu tun, dafür mit Haus- und Küchen­geräten, Apps und Zubehör. Die notwen­digen Netze und Geräte dafür? Weit­gehend Fehl­anzeige. Die sind ja "eh da". Am ersten Messetag pilgerten Fach- und Privatbesucher mit der S-Bahn zum Messeeingang Süd Am ersten Messetag pilgerten Fach- und Privatbesucher mit der S-Bahn zum Messeeingang Süd
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

Rund­funk und Fern­sehen: Verschwunden

Mit dem Start des Privat-Fern­sehens stellten sich neue Programme vor. Das stadi­onar­tige Areal ist ideal für TV-Shows und Konzerte, die dann live über­tragen wurden.

Spar­diktat der Rund­funk­bei­träge

ARD und ZDF stehen schon länger wegen ihrer "Zwangs­gebühren" im Kreuz­feuer der Kritik. Viele Leute würden diese gerne einsparen. Weil ARD und ZDF daher sparen müssen, haben sie die IFA komplett verlassen, anstatt sich dort aktiv ihren Zuschauern und Zuhö­rern zu stellen und zu erfahren, wie künftig Programme aussehen könnten, wofür die Menschen gerne ihre 18,36 Euro im Monat (oder was es auch in Zukunft sein möge) bezahlen würden. Zugang zum kleinen Stern, zum Funkturm oder dem ICC? Versperrt Zugang zum kleinen Stern, zum Funkturm oder dem ICC? Versperrt
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

Tele­kom­muni­kation? Beinahe verschwunden

Tele­kom­muni­kation war folge­richtig das nächste Thema der IFA: Nutzer, Kunden, Händler, Verkäufer und Hersteller trafen sich, bestimmten die Trends und tauschten sich aus.

Vor 40 Jahren hatten CB-Funker sogar einen eigenen Stand auf dem IFA-Gelände. Ein paar Hallen weiter infor­mierten lizen­zierte Funk­ama­teure über ihr Hobby, Kurz­wel­len­fans erklärten den Empfang von welt­weiten Radio-Signalen und stellten neue Geräte vor, welche die Hersteller gerne bereit­stellten. Das alles war einmal - aber nicht ganz, wir kommen später noch darauf zurück.

Nicht mehr alle Handy­her­steller da

Robuste Smartphones aus China mit Mediatek-Chipsatz und vielleicht seltenen Updates: Ulefone Robuste Smartphones aus China mit Mediatek-Chipsatz und vielleicht seltenen Updates: Ulefone
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Handy­her­steller wie Sony und Honor waren tradi­tio­nell da, aller­dings nutzte Honor kaum seine Chance, auf speziell für Europa gedachten Modelle oder Pläne genauer hinzu­weisen. Nokia/HMD lud die Fach­presse zum "Get Together" ein, außer­halb der Messe. Für die Messe­fach­besu­cher wäre HMD am Stand vom Distri­butor Brodos zu finden gewesen. Das neue Fair­phone 5 wurde hingegen allen Besu­chern gezeigt, zerlegt und ausführ­lich erklärt.

Weniger bekannte Marken wie Ulefone (aus China) suchten Vertriebs­partner, um ihre auf Android 12 oder 13 basie­renden Modelle für den rauen Einsatz zu präsen­tieren. Verwendet werden Chip­sätze von Mediatek, die in der Branche den Ruf haben, bei Android-Soft­ware­updates sehr "zurück­hal­tend" zu sein.

IFA kann sich neu erfinden

Während der Pandemie zeigte die IFA, dass eine solche Messe auch mit verschärften Hygiene-Regeln möglich ist. Dieses Jahr war die Messe wieder ganz normal geöffnet, und es herrschte geschäf­tiges Treiben in den Hallen. Also war alles wie immer? Nein. Der rumänische Hersteller und Importeur "PNI" brachte nach jahrelanger Pause den CB-Funk auf die IFA zurück Der rumänische Hersteller und Importeur "PNI" brachte nach jahrelanger Pause den CB-Funk auf die IFA zurück
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

Wich­tige Anbieter fehlen

Wer nach den wich­tigen Tele­kom­muni­kati­ons­anbie­tern schaut, ist verloren. Zuletzt hielt noch die Deut­sche Telekom die Stange, zeigte in einer eigenen Halle, was sie kann und was ihre Konkur­renz nicht schafft oder sich schlicht nicht traut. Draußen im Frei­gelände rich­tete sich einst cong­star (im Telekom-Netz) an sein jüngeres Publikum. In diesem Jahr aller­dings nicht.

Wer erin­nert sich noch an Voda­fone, die in Halle 18 oder 20 ihre Kunden vorbild­lich betreuten (mit leis­tungs­fähigem Kunden­ser­vice direkt am Stand), die Händler infor­mierten, welche Produkte und Tarife sie bald verkaufen konnten und der Fach­presse bei hoch­karä­tigen Info­gesprä­chen tiefe Einblicke in die Netz­technik und die Zukunft der Branche gewährten? Noch länger ist es her, dass VIAG Interkom (heute o2) als Newcomer an direkten Kunden­kon­takten inter­essiert war. Service-Provider wie mobilcom-debitel, heute freenet, hatten wenigs­tens einen Truck im Frei­gelände. Nobelmarken unter sich: Jura (Schweizer Kaffeemaschinen) und Miele (langlebige Haushaltsgeräte) Nobelmarken unter sich: Jura (Schweizer Kaffeemaschinen) und Miele (langlebige Haushaltsgeräte)
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wo sind die Glas­faser­aus­bauer, die Inter­essen­ver­bände wie VATM, BREKO, Buglas etc.? Auch sie könnten in Berlin erfahren, wo den Endkunden der Schuh drückt.

Und wo war die Bundes­netz­agentur? Ist sie ein zahn­loser Tiger oder eine verkrus­tete Behörde oder ein wirk­sames Instru­ment des Verbrau­cher­schutzes? Diese Fragen könnten in Berlin beant­wortet werden.

CB-Funk wieder auf der IFA

Immerhin: PNI, ein neuer Hersteller/Impor­teur von CB-Funk­geräten aus Rumä­nien, traute sich auf die Messe und wurde von der Szene als Exot wahr­genommen. Der CB-Funk-Markt ist auf hohem Niveau derzeit recht ruhig. Das heißt, die Kunden kaufen Geräte, die sie viel­leicht im Falle eines Falles einsetzen zu können glauben, aber im Alltag eher dann doch nicht. Die "Social Media"-Funk­tion des CB-Funks scheint in Verges­sen­heit geraten zu sein.

Was war nun auf der IFA?

Hightech-Spülmaschine von Miele für schlappe 2200 Euro mit Handysteuerung, automatischer Dosierung und vielem mehr Hightech-Spülmaschine von Miele für schlappe 2200 Euro mit Handysteuerung, automatischer Dosierung und vielem mehr
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Seit Jahren sind Haus­halts­geräte von klein bis groß dort zu finden wie in der "x.1-er" Ebene der Messe­hallen 1-6. Da kann man sich einen Kaffee bei Jura zapfen oder bei Miele edelste Wasch­voll­auto­maten oder Spül­maschinen der abso­luten Ober­klasse bestaunen, bei Lieb­herr sich über futu­ris­tische Kühl­technik infor­mieren, alles zu Preisen, die einen frös­teln lassen. Dafür dürften diese Geräte (hoffent­lich) "ein Leben lang" halten, dann wäre der Preis sogar gerecht­fer­tigt.

Güns­tige Küchen­geräte aus China: Beliebt sind "Air-Fryer" (Heiß­luft-Frit­teusen), teil­weise in einer Qualität, die schon bei der Vorfüh­rung erahnen lässt, dass der Kunde daran nur wenige Minuten Freude haben wird, falls über­haupt. In der Halle der Expert-Handelskette gab es Infos und Entertainment In der Halle der Expert-Handelskette gab es Infos und Entertainment
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Eine eigene Halle gab es für die Händ­ler­kette "Expert". Dort war Leben, wie man es von früher gewohnt ist. Enter­tain­ment, Info - und auf kurze Distanz waren auch Gespräche in hohem Lärm­pegel möglich.

Positiv: AVM

Positiv aufge­fallen in Halle 10.2 ist der Router- und Netz­werk­kom­ponenten-Hersteller AVM aus Berlin. Sein Stand war groß und hatte viel Platz. Inter­essierte konnten sich ausgiebig mit den Fach­leuten an den Demo-Geräten austau­schen, neue Ideen mitnehmen, wie das eigene Heim lebens­werter und auto­mati­scher werden könne. AVM hat verstanden, wie man seine Kunden erreicht. AVM hat die Messe verstanden: Ein richtig großer Stand mit viel Information und Austausch AVM hat die Messe verstanden: Ein richtig großer Stand mit viel Information und Austausch
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

Weitere Aussteller

Ansonsten gab es Hallen mit TV-Geräten, Kühl­schränken oder Display­schutz­folien oder Power­banks. Power­banks gibt es in klas­sischer, hand­licher Form, mit größeren kann man sein Camping­zelt versorgen oder sogar ein Auto starten, auch nicht gerade neu.

Panzer­glas­folien gab es hier und da zu sehen, um das kost­bare Handy zu schützen. Oder man nimmt eine beson­ders stabil entwi­ckelte Hand­hülle. Das Angebot ist unüber­schaubar.

Schnell­rund­gang in zwei Stunden?

Wer schnell ist, kann in einem 1-2-stün­digen Rund­gang die IFA-Messe locker erkunden. Oder man kann sich noch im Frei­gelände umschauen, wo der Auto­mobil­her­steller Genesis (gehört zum Kia/Hyundai-Konzern) seine neuesten Fahr­zeuge vorstellt.

Auspro­bieren zu Hause - ohne Händler?

Der Wasserhahn ist digital und wird möglicherweise über eine App gesteuert Der Wasserhahn ist digital und wird möglicherweise über eine App gesteuert
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Eine Probe­fahrt der Autos auf dem Messe­gelände war logi­scher­weise nicht möglich. Wer mag, kann sich das Auto nach Hause liefern lassen, um in bekannten Gefilden Probe zu fahren. Auch hier findet ein Para­dig­men­wechsel statt.

Auf die Handy­welt bezogen würde der Handy­her­steller dem Kunden das neue Handy nach Hause schi­cken, ihn vier Wochen testen lassen und dann ein Angebot machen, was der Kunde nicht ablehnen kann.

Eine Messe ergibt weiter Sinn

Die IFA zeigt, dass an Messen weiterhin Inter­esse besteht. Nur fehlt eine Tele­kom­muni­kati­ons­messe, wo Handy­her­steller, Netz­anbieter oder Service-Provider zum Anfassen vor Ort sind und nicht nur ihre neuen Geräte und Tarife anbieten, sondern auch mal im Gespräch mit echten Kunden zuhören, was die wirk­lich wollen. Die IFA war jahre­lang die ideale Gele­gen­heit dafür. Die CEBIT ist längst Geschichte. Bildschirmschutz durch Panzerglas-Klebefolien? Manche schwören drauf Bildschirmschutz durch Panzerglas-Klebefolien? Manche schwören drauf
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

Wo sind sie hin?

Die Deut­sche Telekom setzt große Stücke auf ihre Mega-Veran­stal­tung Digital-X, die am 19. und 20. September in großen Berei­chen der Innen­stadt von Köln statt­findet und auch für Privat­kunden geöffnet wurde. Wer Zeit hat, sollte vorbei­schauen, zumal der Eintritt kostenlos ist, aller­dings ist eine Voranmel­dung notwendig.

Voda­fone konzen­triert sich aktuell auf schicke TV-Werbe­spots, die super­güns­tige Geräte und Tarife und die Erfül­lung aller Kunden­wün­sche verspre­chen.

Telefónica (o2) brütet intern wohl noch über den drohenden Kunden­ver­lust von 11-12 Millionen ehema­ligen 1&1 Kunden. Auf einer Messe wie der IFA hätte man im Gespräch mit den Kunden sicher manche Frage beant­wortet bekommen.

1&1 wurde auf Messen bislang nicht gesichtet, auch hier wäre ein Para­digmen-Wechsel inter­essant. Elektroautos von Genesis im Freigelände. Die Probefahrt findet später zu Hause statt Elektroautos von Genesis im Freigelände. Die Probefahrt findet später zu Hause statt
Foto: Henning Gajek / teltarif.de

Haben Sie was verpasst?

Nein, Sie haben nichts verpasst - je nach Stand­punkt. Der Fach­besu­cher konnte auf ratlose Kollegen treffen, die sich beim leckeren Kaffee im Pres­sezen­trum darüber austauschten, was man alles nicht verpasst habe und was sich in der Branche noch so tut. Das kann die schöne Online-Welt weiterhin nicht: ein Gespräch im kleinen Kollegen- oder Freun­des­kreis, wo neue Projekte bespro­chen oder ausge­heckt werden.

Was es sonst noch von der IFA in Berlin zu berichten gab, lesen Sie bei uns.

teltarif.de Talk: Highlights von der IFA 2023

Mehr zum Thema IFA