Jolicloud 1.1

Trotz Wolken heiter: Linux-Distribution Jolicloud 1.1 im Test

Schlanke Linux-Variante mit Platz in der Internet-Wolke
Von Falko Benthin

Jolicloud 1.1 im Test - trotz Wolken heiter Jolicloud 1.1 im kurzen Test
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Jolicloud ist eine Linux-Distribution, die mit dem hehren Ziel entwickelt wurde, alten Computern neues Leben einzuhauchen. In der Leistungsfähigkeit sind Netbooks mit alten Computern gleichzusetzen, so dass das System in die Reihe der Kandidaten aufgenommen werden kann, die Microsoft Windows auf dem Netbook ersetzen können. Denn auch wenn es für "alte" Rechner gedacht ist, handelt es sich bei Jolicloud doch um ein modernes Betriebssystem, das sparsam mit Ressourcen umgeht. Die Sparsamkeit kommt dabei nicht von irgendwo her, sondern aus der Wolke, in die viele Jolicloud-Anwendungen ausgelagert wurden. Mobicroco hat einen Blick auf die aktuelle Version 1.1 geworfen.

Installation

Jolicloud 1.1 im Test - trotz Wolken heiter Jolicloud 1.1 im kurzen Test
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Jolicloud rennt als Livesystem, lässt sich aber auch schnell fest auf einem Rechner installieren. Nachdem das knapp 700 MB große ISO-Image [Link entfernt] heruntergeladen wurde, kann es entweder auf einen CD-Rohling gebraten oder einen USB-Stick übertragen werden. Letzteres soll sich mit dem Jolicloud USB Creator [Link entfernt] sehr komfortabel gestalten, wenn es denn funktioniert. Linux-Nutzer, die etwa mit dem Fehler 'Error: execvp() failed, cannot execute "/usr/bin/sudo ./x86_64/jolicloud-usb-creator': Datei oder Verzeichnis nicht gefunden" konfrontiert werden, können sich mit dem guten alten UNetbootin behelfen, um zu einem USB-Stick mit Jolicloud zu kommen.

Jolicloud 1.1 basiert auf Ubuntu 10.04 und wird mit einem Kernel 2.6.35.8 ausgeliefert. Die grafischen Oberflächen malt Xorg 7.5 mit einem Xserver 1.7.6, als Desktopumgebung ist Gnome 2.30 enthalten. Die Wolke ist Vorteil und Nachteil zugleich. Sie spart aufgrund der vielen Webanwendungen Ressourcen, aber ohne Webanbindung erscheint nur wenig auf dem Display. Läuft das Livesystem und macht einen akzeptablen Eindruck, sollte eine Installation auf die Massenspeicher des Netbooks in Betracht gezogen werden, denn der Betrieb von CD-ROM oder USB-Stick ist eine zögerliche Angelegenheit. Die Installation nutzt den Ubuntu-Installer Ubiquity, und ist daher so benutzerfreundlich, dass sie auch problemlos von Anfängern und Windows-Nutzern gemeistert werden kann. Als Dateisysteme sind Ext[234], ReiserFS, JFS und XFS verfügbar, Btrfs fehlt noch.

Nutzung

Jolicloud 1.1 im Test - trotz Wolken heiter Ohne Webanbindung erscheint nur wenig auf dem Display
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Das auf Festplatte oder SSD installierte Jolicloud wetzt innerhalb weniger Sekunden bis zum Login-Screen, um anschließend wie bei der Live-Variante nach einer Internetverbindung zu lechzen. Jolicloud verwendet mit dem Nickelbrowser eine eigene Nutzerschnittstelle für die Bedienung des Systems. Dieser ermöglicht es, die Oberfläche mittels HTML5 zu gestalten. Versuche, den Nickelbrowser abzuschießen, misslangen, stets wurde sofort eine neue Instanz gestartet.

Solange der Rechner nicht mit dem Internet verbunden ist, können mittels [Alt]+[F2] Kommandos abgesetzt und so zumindest einige sinnvolle Tätigkeiten offline durchgeführt werden. Für die Verwaltung der Netzwerkverbindungen bringt Jolicloud 1.1 den Networkmanager mit. Dieser listet erreichbare Funknetzwerke alphabetisch auf, so dass unter Umständen geblättert werden muss, um das stärkste Netz zu finden. Sobald eine Verbindung hergestellt ist, grüßt der Jolicloud-Loginschirm.

Nach einem Login wird Jolicloud um ein vielfaches benutzerfreundlicher und schickt Anwender ins Dashboard. Das bietet flinken Zugriff auf Googles Browser Chromium, Facebook, die Textverarbeitung Zoho-Writer sowie den BBC iPlayer und blendet Informationen zu ausstehenden Aktualisierungen und Synchronisierungen ein. Jolicloud 1.1 im Test - trotz Wolken heiter Dashboard
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Die Update-Funktion macht einen schwerfälligen Eindruck, hier würde ein "apt-get update", "apt-get upgrade" wahrscheinlich dynamischer wirken, aber es soll ja benutzerfreundlich sein. Der BBC iPlayer ist außerhalb des Vereinigten Königsreichs nur bedingt zu gebrauchen, da nur beitragszahlende Briten das Fernsehprogramm konsumieren dürfen.

Mit der Installation sind nur wenige Anwendungen auf die Festplatte gekommen, neben Chromium und dem BBC iPlayer sind hier ein Taschenrechner, ein Wörterbuch, die Fotoverwaltung F-Spot, der Medienplayer Mplayer, ein Editor und Programme für Audioaufnahmen und Screenshots zu nennen. Ein Klick auf das grüne Kreuz des Dashboards öffnet das "App Center", das es Anwendern erlaubt, eine Vielzahl zusätzlicher lokal und im Web laufender Anwendungen zu installieren. Die Apps sind in Kategorien unterteilt, so dass jeder schnell fündig werden sollte. Bei lokalen Anwendungen gilt: Wer weiß was installiert werden soll, kommt mit einem "apt-get install paketname" schneller ans Ziel.

Jolicloud gibt sich durchaus sozial, was mit einem Klick auf das "Radar-Symbol" im Dashboard ersichtlich wird. Hier öffnet sich eine Oberfläche, die Nutzern sozialer Netzwerke auf einen Blick zeigt, was die Freunde und Follower umtreibt. Neben Webanwendungen bietet Jolicloud auch schnellen Zugriff auf verschiedene Anbieter von Online-Festplatten. Hier sind Box.net, Dropbox und ZumoDrive [Link entfernt] zu nennen. Warum Ubuntu One in dem Speicherreigen fehlt, ist mir persönlich schleierhaft, ein "apt-get install ubuntuone-client" hilft dem ab und beschert Anwendern zusätzliche 2 GB kostenlosen Online-Speicher.

Fazit

Jolicloud 1.1 im Test - trotz Wolken heiter Jolicloud und Mobicroco
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Jolicloud 1.1 ist für all diejenigen einen Blick wert, die über eine permanente Internetverbindung verfügen und bereit sind, ihre Daten der Cloud anzuvertrauen. Die Hardware wurde tadellos erkannt, sogar ein 3G-Modem Qualcomm iCON 210, von vielen Systemen als CD-Laufwerk interpretiert, wurde korrekt eingebunden. Bei Anwendern, die nicht ständig online sind, dürfte die Freude früher oder später getrübt werden, so dass sie sich im Vorfeld für eine weniger wolkenabhängige Distribution entscheiden sollten. Auch wenn sich viele lokale Anwendungen installieren lassen, macht die Bedienung des Rechners mit der wegen fehlender Netzwerkverbindung nörgelnden HTML5-Oberfläche nicht wirklich Spaß.