Grabmahl 2.0

Wer ruht hier?: QR-Codes auf Grabsteinen geben Auskunft

Im digitalen Zeitalter verschiebt sich auch die Trauerkultur mehr und mehr ins Internet. Mit QR-Codes können die Erinnerungen an Verstorbene festgehalten werden. Kritik gibt es kaum.
Von Rita Deutschbein mit Material von dpa

Wer ruht hier?: QR-Codes auf Grabsteinen geben Auskunft Grabsteine mit Link ins Internet
Bild: dpa
7 000 historische Grabsteine stehen auf dem Zentralfriedhof in Aschersleben (Salzlandkreis). 7 000 Leben, die auf einem der größten Friedhöfe in Sachsen-Anhalt weitgehend anonym ihre letzte Ruhe gefunden haben. Doch vor 21 Grabsteinen des 1860 angelegten Friedhofes kann man mit Smartphone mehr erfahren als nur den Namen und die Lebensdaten des Verstorbenen. QR-Codes, weiß-schwarze Pixelcodes auf kleinen Tafeln, können mit der Kamera des Smartphones eingescannt werden. Das ist der Weg zu mehr Informationen über die Toten. Der Trend kam über Südostasien nach Deutschland.

Wer ruht hier?: QR-Codes auf Grabsteinen geben Auskunft Grabsteine mit Link ins Internet
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In Aschersleben sind bislang nur Grabsteine historischer Persönlichkeiten mit diesen Scan-Codes ausgestattet. Das Leben und Wirken der Fabrikanten-Familie Bestehorn, Architekt Hans Heckner oder Arbeitssportler Herrmann Gieseler soll die Stadtgeschichte erlebbar machen. An dem sogenannten Erinnerungspfad [Link entfernt] sind sowohl die Friedhofsverwaltung als auch die Geschichtswerkstatt und die Werbeagentur "Layoutzone" beteiligt.

"Schulen machen Projekte zur Stadtgeschichte auf dem Zentralfriedhof. Aber auch interessierte Bürger sind begeistert", sagt der Leiter des Bauwirtschaftshofes Aschersleben, André Könnecke. Auch die Betreiber der Werbeagentur, die für die technischen Abläufe zuständig ist, bestätigen den Erfolg des vergangenen Jahres. "Durchschnittlich 5 000 Aufrufe können wir pro Monat aufweisen", sagt Uwe Hennig.

Die Friedhöfe "Stadtgottesacker" in Halle und der "Neue Begräbnisplatz" in Dessau sind durch ein ähnliches, bundesweites Projekt auch mit QR-Codes versehen. Aber auch in Berlin gibt es Friedhöfe, die den Trend mit den QR-Codes aufgegriffen haben. Darunter die drei jüdischen Friedhöfe.

Vernetzte Friedhöfe

Wo sie ruhen vernetzt 37 national bedeutsame historische Friedhöfe in Deutschland mit rund 1 000 kulturhistorisch bedeutenden Grabmalen in einer App. Auf das Informationsangebot kann man via QR-Code zugreifen. "Es gibt einen Schaukasten mit einem QR-Code, der einen dann an die jeweiligen Grabstellen leitet", sagt Halles Stadtsprecher Drago Bock. Die Grabstellen von Georg Händel, Vater des berühmten Komponisten Georg Friedrich Händel, in Halle oder von Friedrich von Anhalt in Dessau können so gefunden werden.

QR-Codes auch für Privatpersonen

Doch nicht für alle Kommunen kommen solche Projekte in Betracht. Die Hansestadt Stendal und die Lutherstadt Wittenberg lehnen es nach Aussagen der Stadtsprecherinnen aber nicht ab, wenn Privatpersonen QR-Codes auf Grabsteinen anbringen möchten. Auch separate, neben dem Grab aufgestellte Stelen mit QR-Code sind möglich.

Anfragen von Privatpersonen gibt es aber selten. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Hinterbliebenen dem Verstorbenen eine Webseite einrichten müssen, auf der die entsprechenden Informationen über den Toten gesammelt sind. Das Einrichten der Webseite stellt für viele aber eine (technische) Hürde dar. Der QR-Code, den der Steinmetz dann graviert, führt direkt zu dieser Webseite. Alternativ zur eigenen Webseite wäre auch ein Verweis auf eine Verlinkung auf das ehemalige Facebook- oder Twitter-Profil des Toten denkbar. Letztlich muss aber jeder Angehörige selbst entscheiden, inwieweit er öffentlich werden wolle.

"Trauer ist etwas sehr Persönliches. Somit kann auch der Umgang mit dem Verlust eines nahestehenden Menschen unterschiedliche Formen haben", sagt der Sprecher der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, Friedemann Kahl. Den Trauernden müsse es helfen, die Form sowie die Art und Weise seien dabei zweitrangig. Kahl gibt außerdem zu Bedenken, dass Trauer neben der individuellen auch eine öffentliche Dimension habe. Er befürworte, dass Leiden, Sterben und Tod mit solchen Möglichkeiten stärker in die Öffentlichkeit kommen.

Könnecke vom Zentralfriedhof in Aschersleben schließt sich dieser Meinung an. "Immerhin ist der Friedhof nicht nur ein Ort der Trauer, sondern auch der Erinnerung." Der "Erinnerungspfad" solle deswegen auch noch weiter ausgebaut werden. "Hinweise von Bürgern haben noch drei weitere Namen gezeigt. Jetzt sind wir am Recherchieren", sagt Könnecke. Auch die Werbeagentur "Layoutzone" teilte mit, dass sieben weitere Kommunen in Sachsen-Anhalt bereits in Gesprächen mit Hennig seien, um ähnliche Projekte zu realisieren.

Köln scheitert mit QR-Code-Verbot

Ganz ohne Kritik geht es aber nicht: Die Stadt Köln hatte ein Verbot für QR-Codes auf den Friedhöfen der Stadt erwägt. Als Begründung wurde angegeben, dass die Inhalte der verlinkten Seiten nicht kontrollierbar seien. Letzendlich konnte Köln das Verbot aber nicht durchsetzen, denn die gestalterische Einbindung des QR-Codes in das Grabmal ist grundsätzlich möglich, da der Code in seinem Aussehen als Element der Grabgestaltung gesehen werden kann.

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