Redtube und die Porno-Abmahnungen
Das bekannte Porno-Portal Redtube - immerhin im Dunstkreis der Top-100-Internetseiten in Deutschland und weltweit - geriet durch eine Abmahn-Welle in die Schlagzeilen: Die Kanzlei Urmann + Collegen (U+C) verschickte Abmahnungen an eine Vielzahl von Nutzer - etwa 36 000 Zahlungsaufforderungen sollen Ende 2013 verschickt worden sein. Das Besondere hierbei: Beim Redtube-Fall ging es nicht um Filesharing, sondern um Streaming. Außerdem gelangte der Abmahn-Anwalt Thomas Urmann über sehr fragwürdige und schlussendlich auch rechtswidrige Weise an die erforderlichen IP-Adressen der Internetnutzer.
So rieten Anwälte denn auch dazu, den geforderten Betrag nicht zu zahlen, die Unterlassungserklärung nicht zu unterschreiben und sich stattdessen an einen Anwalt zu wenden. Denn der Vorfall entfachte eine Frage: Ist das Streaming der Inhalte überhaupt ein Problem? Erstens werden beim Streaming Daten nur kurz zwischengespeichert, so dass hier keine Vervielfältigung geschieht. Zweitens ist bei Redtube nicht ersichtlich, dass es sich um eine "offensichtlich illegale" Quelle handelt - der Nutzer muss also nicht davon ausgehen, hier ein urheberrechtlich geschütztes Video herunterzuladen.
Redtube-Abmahnungen: So kamen die Anmahner an die Post-Adressen
Offen war zunächst auch, wie die Abmahner an die IP-Adressen der Betroffenen kamen - diese bei einem Streaming-Portal zu beschaffen ist nicht leicht. Sie sind aber erforderlich, um überhaupt an die Post-Adressen der Nutzer zu gelangen.
Zunächst sollte angeblich eine spezielle Software namens GLADII zum Einsatz gekommen sein, doch diese Lösung schien technisch nicht plausibel. In Wirklichkeit war dann alles auch ganz anders: Eine Briefkastenfirma registrierte sich die Domains retdube.net und movfile.net. Bei einem Porno-Werbenetzwerk wurde dann "skimmed traffic" eingekauft - dieser leitet Nutzer bei einem Klick auf einen Link statt auf den gewünschten Inhalt auf einen anderen Inhalt. So gerieten Nutzer dann zunächst auf eine der zuvor genannten Internet-Seiten und wurden von hier auf die jeweiligen Inhalte bei Redtube weitergeleitet. Durch diese Zwischenschaltung auf die genannten Seiten bestand dann die Möglichkeit, an die IP-Adressen der Nutzer zu gelangen, da sich diese im Logfile des Servers fanden. Mit diesen Adressen wurde anschließend beim Landgericht Köln der Antrag auf Herausgabe der Post-Adresse hinter den IP-Nummern gestellt.
Das Landgericht Köln, das dann zunächst die zu den IP-Adressen gehörenden Post-Adressen freigegeben hatte, ruderte übrigens in der Folge zurück und erkannte an, dass wohl Nutzerrechte verletzt wurden. Am Ende zeigt sich: Offenbar gibt es keinen Abgemahnten, der vor Gericht in der Redtube-Sache verloren hat.
Alles Wissenswerte rund um die Thematik finden Sie auch in unserem ausführlichen Hintergrundbericht sowie in der folgenden Newsliste.
Meldungen zu Redtube-Abmahnung
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17.12.15Verurteilt
Redtube: Urmann muss persönlich haften
Der wegen der Redtube-Abmahnungen umstrittene Anwalt Urmann hat die nächste juristische Schlappe erlitten. Gegenüber den damals geschädigten haftet er persönlich. Dies hat das Amtsgericht Regensburg entschieden. zur Meldung -
09.04.15Urteil
Redtube-Anwalt Thomas Urmann zu Schadensersatz verurteilt
Rechtsanwalt Thomas Urmann musste wegen der Redtube-Abmahnungen vor Gericht - er erschien aber nicht. Ein Rechtsanwalt hat nun erfolgreich Schadensersatz für einen betroffenen Mandanten eingeklagt. Wir berichten über den aktuellen Stand des Redtube-Skandals. zur Meldung -
21.02.15Infektion
Redtube infizierte Nutzer unwissentlich mit Malware
Hacker haben Redtube angegriffen und im Quellcode des Porno-Portals einen Schadcode hinterlegt, der für die Nutzer unsichtbar weitere Malware herunterladen konnte. Retube räumt den Angriff ein, betont aber, die Sicherheitslücke schnell geschlossen zu haben. zur Meldung -
09.01.15Abmahnungen
Redtube-Ermittlungen: Falsche eidesstattliche Versicherung wegen GLADII?
Die Abmahner im Redtube-Fall haben rund 600 000 Euro eingenommen - das berichtet eine Zeitung. Langsam aber sicher beginnt nun auch die juristische Aufarbeitung: Erste Hausdurchsuchungen gab es bereits - der Vorwurf: Falsche eidesstattliche Versicherungen. zur Meldung -
31.12.14Tiefer Fall
Porno & Wurst: Redtube-Abmahn-Anwalt Urmann und die verlorene Zulassung
Thomas Urmann ist seit November ohne Zulassung. Jetzt wurde bekannt, dass der Redtube-Abmahn-Anwalt seine Zulassung als Rechtsanwalt freiwillig abgebeben hat. Die Gründe hinter seiner Entscheidung und wie es dazu kam. zur Meldung -
22.12.14Anwaltskammer
Redtube-Skandal: Thomas Urmann ist nicht mehr als Rechtsanwalt registriert
Die Anwaltskammer Nürnberg hat bestätigt: Thomas Urmann ist dort nicht mehr als Rechtsanwalt registriert. Ein berufsrechtliches Verfahren habe sich damit erledigt. zur Meldung -
04.12.14Rotlicht
Ein Jahr Redtube-Abmahnskandal
Vor einem Jahr erhielten Zehntausende Nutzer Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen beim Porno-Streaming. Was ist seitdem passiert? Und welcher Anwalt ist demnächst möglicherweise wirtschaftlich ruiniert? zur Meldung -
14.09.14verzögert
Editorial: Die langsamen Mühlen der Justiz
Thomas Urmann - berüchtigter Anwalt in Sachen Abmahnungen - wurde jüngst wegen eines früheren Delikts zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Hätte eine schneller agierende Justiz die Redtube-Abmahnwelle verhindern können? zur Meldung -
27.05.14Urteil
Amtsgericht Potsdam: Streaming ist legal
Solange sich Internet-Nutzer einen Stream nur ansehen und ihn nicht dauerhaft auf ihrer Festplatte speichern, handelt es sich um eine zulässige vorübergehende Vervielfältigung. Weitere Details zu einem Urteil des Amtsgerichts Potsdam in unserer Meldung. zur Meldung -
19.05.14Hintergrund
Abmahn-Falle Popcorn Time: Filesharing ist kein Streaming
Die in den vergangenen Tagen aufgetauchten Abmahnungen gegen Nutzer von Popcorn Time zeigen das Dilemma und die Uninformiertheit vieler Nutzer. Denn nicht überall wo Streaming draufsteht ist auch Streaming drin - wir klären auf. zur Meldung