Getestet bei o2: Sprach- und Videotelefonie über 5G
o2 hat gestern Sprachtelefonie bei 5G (Fachbegriff „VoNR“) der verblüfften Öffentlichkeit vorgestellt. teltarif.de ist nach Potsdam (bei Berlin) gefahren, um sich die Geschichte anzuschauen. Man nehme eine 5G-Basisstation, die im Frequenzbereich 3,6 GHz (Band n78) funkt, passe die Software der Basis und im Vermittlungs-Kern-Netz („Core“) an und schalte 5G SA (Stand Alone) frei. Bei 5G SA kann die 5G-Station in Verbindung mit dem 5G-Core „alleine“ funken, braucht also keine Hilfe von 4G/LTE, wie es bei 5G-NSA (Non stand alone) der Fall ist.
Der Netzmonitor zeigt u.a. Band n78 (3,6 GHz) mit 60 MHz Bandbreite.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Beteiligt sind Smartphones des Herstellers Samsung vom Typ S21 5G mit einer speziellen Firmware, die Samsung an o2 für den VoNR-Versuch zur Verfügung gestellt hat.
Ganz normale Telefonie
Telefoniert wird ganz normal, an der Rufnummer (0176-21…) ist nichts auffälliges und die Verbindung natürlich - wie von VoLTE gewohnt - „sofort“ da. Als Sprachcodec wird EVS eingesetzt: Die Sprachqualität ist klar und deutlich, gut verständlich.
Das Samsung Handy erlaubt auch Video-Telefonie. Also haben wir das Kamera-Icon geklickt und schwups war die Gegenstelle auch „sichtbar“. Man kann die Kamera wechseln und Landschaftsaufnahmen übertragen oder über die Frontkamera die Gegenstelle sehen. Bei mehreren Testgesprächen in beide Richtungen war die Gegenstelle in München, wo ebenfalls eine 5G-SA Station unweit des o2-Hauptquartiers auf Sendung gegangen ist.
Bringt VoNR den Durchbruch der Videotelefonie?
Der Autor beim VoNR-Test in Potsdam
Foto: Jörg Borm / Telefónica o2
Möglicherweise bringt VoNR jetzt den „Durchbruch“ von Video-Telefonie, welche die Fachleute auf ViNR (Video over New Radio) getauft haben, die ja bislang ein Nischendasein führte. Anfangs waren die Verbindungen extra teuer oder umständlich oder die Normen passten nicht. Längst sind viele Nutzer auf OTT-Messenger-Angebote ausgewichen.
Bitte warten...
Doch bei aller Euphorie: Wann o2 in seinem gesamten Netz 5G-SA aktivieren und damit die Grundlage für VoNR schaffen wird, ist noch nicht bekannt. Einen Termin gäbe es dafür nicht, hieß es. Die Idee ist, möglichst gleich in einem Zug das gesamte 5G-Netz mit 5G-SA und damit auch VoNR auszustatten.
Welcher Geräte sind lieferbar?
Und welche Geräte kann man dafür verwenden? Außer dem Samsung S21 mit einer speziellen Software gibt es offenbar noch nichts. Samsung wollte auf Anfrage der Kollegen von Chip-Online auch noch nicht verraten, wann es soweit sein könnte. Branchenkenner berichten, dass bei Apple sowohl das iPhone 12, als auch das iPhone 13 für VoNR geeignet seien. Das iPhone 12 brauche dafür wohl ein Update, wobei nicht klar sei, ob Apple das zur Verfügung stellen werde. Das iPhone 13 könne es wohl jetzt schon, sofern der „Carrier“ (Netzbetreiber) sein Netz entsprechend konfiguriere und die Funktion für seine Kunden freigebe.
Da viele Hersteller auf die Snapdragon-Familie von Qualcomm setzen, kann davon ausgegangen werden, dass schnell weitere Modelle dafür vorbereitet sein werden. Und Chip-Entwickler "Mediatek" wird sicherlich dem nicht nachstehen.
Welches Netz kommt wann?
Mit VoNR kann man im 5G-SA-Netz parallel surfen und telefonieren.
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Unklar ist auch, ob die Netzbetreiber die Funktion 5G-SA und damit VoNR generell für alle Kunden freigeben oder das nur in bestimmten Tarifen (gegen Aufpreis?) tun werden. Dann braucht es internationale Roaming-Abkommen und ausführliche Tests aller Szenarien, wenn ein Anruf aus dem 5G-Netz in ein 4G- oder 2G-Netz (oder im Ausland nach 3G) "gehandovert" wird. Spannende Aufgaben für alle Beteiligten.
Und was ist mit Telekom?
Unsere Anfrage zum Thema VoNR an die Telekom wurde recht kurz beschieden: „Wir hatten bereits im Juni kommuniziert, dass wir als erster Netzbetreiber einen VoNR-Call durchgeführt haben.“ Stimmt. Der Unterschied zu o2 ist aber, dass die Telekom diesen Call in einem Labor-Testnetz der Kollegen von T-Mobile Polen durchgeführt hat, während o2 es im Wirknetz gezeigt hat.
Wann und wie es bei der Telekom mit 5G-SA und 5G-VoNR weitergeht bleibt weiterhin rätselhaft: „Der Status zum Standalone Netz ist unverändert zu unserem letzten Netze-Update am 30. August“.
Und Vodafone?
Vodafone bietet seinen Kunden jetzt schon die Option 5G-SA an, sofern sie passende Endgeräte besitzen. Eine Antwort zum Status von VoNR bei Vodafone liegt noch nicht vor, wir liefern sie nach.
Alle Netze können 5G-SA - für Campus-Nutzer
Alle drei Netzbetreiber können jetzt schon 5G-SA in sogenannten Campus-Netzen, die für die Industrie und ihre Anforderungen ausgerollt werden. Interessierte Privat-Kunden können sich vorerst entspannt zurücklehnen. 5G-SA wird bei allen Anbietern kommen und damit auch VoNR. 5G macht erst richtig Spaß mit hohen Bandbreiten und Geschwindigkeiten, die sich überwiegend im Frequenzbereich 3,6 GHz nutzen lassen, später wird Carrier-Aggregation ("Zusammenkleben" von Funkfrequenzen) auch bei 5G auf niedrigeren Frequenzen möglich sein. Parallel dazu wird und muss der Netzausbau von 4G (und hier und da auch noch 2G) weitergehen (müssen).
Eins ist sicher: Das Ausrollen von 5G und speziell 5G SA nebst VoNR wird sicherlich viel schneller vonstatten gehen, als beim Start von 4G vor rund 10 Jahren.
Alle Meldungen zur neuen Sprachtechnik lesen Sie auf unseren VoNR-Seiten.