BNetzA will systemübergreifendes Messaging
Die Bundesnetzagentur hat ein Papier zum Nachrichtenaustausch zwischen Messenger-Diensten veröffentlicht.
Montage: teltarif.de, Logos: Anbieter
Sicher haben Sie sich auch geärgert: Freund 1 ist bei Messenger A und Freund 2 bei Messenger B, Freundin 3 schwört auf Nachrichten vom Typ C. Um mit allen in Kontakt zu bleiben, müsste jeder mögliche Messenger installiert und dort vorher ein Konto registriert werden. Warum gibt's eigentlich keine Verbindungen zwischen den Diensten?
Bundesnetzagentur stellt Diskussionspapier vor
Die Bundesnetzagentur hat ein Papier zum Nachrichtenaustausch zwischen Messenger-Diensten veröffentlicht.
Montage: teltarif.de, Logos: Anbieter
Darum hat die Bundesnetzagentur heute ein Diskussionspapier zur Interoperabilität zwischen Messengerdiensten veröffentlicht. "Viele Menschen nutzen Messengerdienste wie WhatsApp. Gleichzeitig sehen wir eine starke Marktkonzentration bei diesen Diensten. Besonders beliebt in Deutschland sind die Dienste des Meta (früher Facebook)-Konzerns", erläutert Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur sein Projekt.
Interoperabilität belebt Wettbewerb
"Interoperabilität, also die Öffnung bisher geschlossener Kommunikationsnetzwerke zur Belebung des Wettbewerbs, ist ein Mittel zum Zweck. Die Auswirkungen von Interoperabilität auf Wettbewerb, Verbraucherinnen und Verbraucher sowie auf Datenschutz und Datensicherheit müssen zwingend gemeinsam gedacht werden, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Wenn wir Anbieter übergreifende Kommunikation ermöglichen, müssen wir sie sorgfältig vorbereiten und dauerhaft regulatorisch begleiten. Hier ist die Bundesnetzagentur in Zusammenarbeit mit anderen Regulierern in der EU erfahren und gut vorbereitet."
Nutzungsverteilung der OTT-Messenger-Dienste in Deutschland
Grafik: Bundesnetzagentur
Auswirkungen und Voraussetzungen genau prüfen
"Die Marktkonzentration im Messengerbereich und ein faktisches Abhängigkeitsverhältnis von dominanten Anbietern lässt sich auf die Wirkung sogenannter Netzwerkeffekte zurückführen", rechnet die Netzagentur heute vor. "So profitieren die Nutzer eines bestimmten Messengerdienstes von einer höheren Anzahl der Nutzer desselben Dienstes", da typischerweise nur diese untereinander kommunizieren könnten. Andererseits sei es ohne weiteres möglich, mehrere Messengerdienste parallel zu nutzen.
Wo bleibt die Datensicherheit?
Nach Einschätzung der Bundesnetzagentur könnten Interoperabilitätsverpflichtungen einerseits neue Wettbewerbsimpulse setzen. Andererseits können sich, je nach Ausgestaltung der Verpflichtungen, Herausforderungen beispielsweise im Bereich des Datenschutzes und der Datensicherheit ergeben. Welche Daten fließen zwischen den Systemen, wenn beispielsweise ein "Threema" Nutzer, dessen System als sehr sicher gilt, eine Nachricht in das "Netz" von Telegram oder WhatsApp verschickt?
Dies betrifft sowohl die Verarbeitung von Kommunikationsdaten als auch deren Verschlüsselung. Zudem sind mögliche Rückwirkungen auf stetige Weiterentwicklungen der Dienste und wünschenswerte Innovationen zu berücksichtigen.
Ziel einer Regulierung wäre, die Marktmacht dominanter Anbieter aufzubrechen und Abhängigkeiten zu reduzieren. Die Forderung geht dahin, die bisher überwiegend geschlossenen Kommunikationsnetzwerke auch für Anbieter konkurrierender Messengerdienste verpflichtend zu öffnen. Diese Interoperabilität zwischen verschiedenen Messengerdiensten ermöglicht Nutzern, Anbieter übergreifend zu kommunizieren.
Mit dem Diskussionspapier will die Bundesnetzagentur einen Überblick über verschiedene technische Interoperabilitätsansätze bei Messengerdiensten anbieten. Weiterhin analysiert das Papier anhand von Leitfragen den Bedarf nach Interoperabilität. Ebenso untersucht es die vielfältigen Auswirkungen möglicher Interoperabilitätsverpflichtungen.
Veränderte Telekommunikationsnutzung
Die Netzagentur hat untersucht, wieviele Nutzer mehrere Messenger verwenden.
Grafik: Bundesnetzagentur
Messengerdienste haben die Telekommunikationsnutzung in Deutschland stark verändert. Eine aktuelle Verbraucherbefragung der Bundesnetzagentur zeigt, dass 88 Prozent der deutschen Bevölkerung regelmäßig solche über das Internet erbrachten Dienste zur Kommunikation nutzen (2020 waren es 83 Prozent). Unter den deutschen Nutzern sind die Messengerdienste WhatsApp (mit 93 Prozent, von 96 Prozent abgesunken), Facebook Messenger (39 Prozent, zuvor 42 Prozent) und Instagram Direct Messages (25 Prozent, zuvor 30 Prozent) am weitesten verbreitet. Alle diese drei Dienste stellt der Meta-Konzern (ehemals Facebook) bereit.
Konkurrierende Dienste von anderen Anbietern sind deutlich weniger verbreitet. Allerdings nutzen fast drei Viertel der Befragten mindestens zwei verschiedene Messengerdienste parallel, was die Netzagentur als "sogenanntes Multihoming" einstuft.
Hintergrund Messengerdienste
Messengerdienste werden im Gegensatz zu klassischen Telekommunikationsdiensten wie Telefonie oder SMS "over the Top" über das Internet erbracht. Sie ermöglichen die "interpersonelle Kommunikation" über Funktionen wie beispielsweise (Video-)Telefonie, das Versenden von Sprach- und Bildmitteilungen, Gruppenchats etc. Die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) bezieht Messengerdienste ab Dezember 2021 als sogenannte nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste in Teile des Regulierungsregimes ein. Ziel ist es, chancengleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen neuen Diensten wie Messengern und klassischen Telekommunikationsdiensten wie Telefonie und SMS herzustellen. Das Gesetz sieht zudem vor, unter bestimmten Voraussetzungen Interoperabilitätsverpflichtungen für Messengerdienste anordnen zu können.
Das Diskussionspapier der Bundesnetzagentur ist im Internet veröffentlicht. Alle Marktteilnehmer und "interessierten Kreise" seien eingeladen, ihre Einschätzungen beizutragen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
In der Anfangszeit des GSM-Mobilfunks konnten SMS-Nachrichten nur zu Kunden des eigenen Netzes verschickt werden, zu fremden Netzen ging das nicht. Dann wurden ausländische SMSC als "Schleichweg" entdeckt und Winfried Materna begründete seinen unternehmerischen Erfolg mit dem ersten SMS-Gateway zwischen den beiden damals existierenden Netzen. Heute sind nahezu alle Netze der Welt direkt per SMS erreichbar.
SMS sind out, Messenger sind in. Und wieder haben wir das gleiche Problem: Nachrichten zu fremden Messengern? Fehlanzeige. Die Lösung: Drei, vier oder fünf Messenger installieren und auf Nachrichteneingang zu prüfen. Vielen Nutzern graut es davor. Ergo schaut man oder Frau, wo die Kontakte schon sind, in der Regel bei WhatsApp. Ob Schulunterricht, Musikproben oder Wanderverein, ohne den Marktführer geht es kaum. In letzter Zeit sind einige zu Telegram oder Signal ausgewichen, aber dass jemand konsequent WhatsApp aus seinem Leben löscht, ist doch eher die Ausnahme.
Wenn der Vorstoß der Bundesnetzagentur eines Tages in die Realität umgesetzt würde, könnte ein WhatsApp-Nutzer könnte künftig Nachrichten an Threema schicken, ohne die Threema-App installieren zu müssen oder dort ein extra Konto zu eröffnen. Für Threema beispielsweise muss der WhatsApp-Nutzer eindeutig identifizierbar sein, weil Threema ja Wert auf authentifizierte Nutzer legt. Darf ein Nutzer "fremde" Nachrichten generell ablehnen, weil er Angst vor unsicheren oder unerwünschten Nachrichten hat?
Die nächste Frage lautet, ob alle Nachrichten zwischen Messengern durchgelassen werden müssen? Sie könnten ja auch unerwünscht oder schlicht SPAM-Nachrichten sein. Gleiches gilt für andere Messenger wie Signal, Telegram oder kleinere bislang kaum bekannte Angebote. Es braucht also eine definierte Schnittstelle, die von allen Anbietern genutzt wird. Einen Standard gäbe es, er heißt XMPP (auch bekannt als "Jabber") und wird von längst vergessenen oder wenig bekannten Diensten genutzt.
Wenn die Pflicht kommt, würde sie bei allen Anbietern massive Investitionen erfordern, die höchstens aus Werbung finanziert werden könnte. Dass Nachrichten zwischen den Messengern bepreist werden könnten, darf als völlig unrealistisch gelten, auch monatliche Kosten wären für die Mehrheit tabu, selbst ein einmaliger Download-Preis - wie bei Threema - schreckt viele Nutzer heute schon ab.
Somit ergibt sich die nächste Frage: Was passiert, wenn ein Anbieter sich bewusst "weigert" diese Schnittstelle einzurichten und anzubieten? Da der Anbieter eines Dienstes seinen Sitz irgendwo "weit weit weg" haben kann, ist durchaus denkbar, dass ihn deutsche oder europäische Befindlichkeiten "nicht die Bohne" interessieren. Könnten die deutschen Behörden in letzter Konsequenz diesen Anbieter wirksam blockieren? Wohl kaum.
Bleibt die Hoffnung, dass die Kunden draußen am Ende den Anbieter auswählen, der die meisten "Roaming-Abkommen" bietet, also von wo aus die meisten Ziele erreichbar sind. Und am Ende könnte die gute alte SMS oder der längst vergessen geglaubte Nachrichten-Dienst "RCS (Joyn)" wieder attraktiver werden.