Rentner im Vodafone-Shop übervorteilt
Wer in einen Handyladen geht, um sich beraten zu lassen, muss - leider - mit unangenehmen Überraschungen rechnen. Einen aktuellen Fall greift die zur Funke-Mediengruppe gehörende Newsseite "news38.de" auf. Ihr Bericht beruht auf Informationen der Verbraucherzentrale Niedersachsen.
89-jähriger Rentner bekommt überdimensionierten Vertrag
Diesmal traf es einen 89-jährigen Rentner. Der wollte für längere Zeit nach Schweden verreisen. Während dieser Reise wollte der Kunde wie gewohnt sein Handy nutzen.
Er ging deshalb in einen Vodafone-Shop und zeigte dem verblüfften Verkäufer dort sein mittlerweile rund 20 Jahre altes Gerät, das nach wie vor tadellos funktioniert.
Er fragt nach einer Möglichkeit, wie er dieses Gerät auch im Ausland, genauer in Schweden für Telefonate nutzen könne. Der dortige Mitarbeiter des Vodafone-Shops empfahl dem Verbraucher einen Neuvertrag.
Doch mit den ganzen Fachbegriffen wie Datenvolumen und MBit/s konnte der 89-Jährige nicht viel anfangen. Er ging davon aus, dass es sich um ein passendes Produkt handeln würde und unterschrieb den vorgelegten Vertrag.
Nach dem Urlaub kommt die Überraschung
Der Urlaub war wunderschön, das Handy funktionierte tadellos, wie gewünscht.
Doch nach seiner Rückkehr nach Deutschland bemerkt er monatliche Abbuchungen auf seinem Konto durch Vodafone. Rund 470 Euro hatte ihn das Produkt „Smart XL“ (Flat fürs Telefonieren und SMS in alle deutschen Netze und im EU-Ausland, ferner 6 GB "Highspeed-Datenvolumen" in Deutschland und im EU-Ausland, Preis 46,99 Euro/Monat mit Basic-Phone) plus der "10 GB Datenturbo" (Extra Daten-Volumen für 5 Euro) und ein zusätzliches „sicher sorglos surfen“-Paket (Vodafone secure.net) für sein fast 20 Jahre altes Handy, das wohl gar nicht internetfähig ist, bis dahin bereits gekostet. Monat für Monat etwa 53 Euro. Das Angebot wäre für einen aktiven intensiven Nutzer in Verbindung mit einem aktuellen Smartphone mehr als ausreichend, wenn auch nicht unbedingt günstig gewesen, doch ein Smartphone bekam und wollte der Kunde nicht.
Reklamation erfolglos
Aufsteller vor einem Vodafone Shop. Das Bild zeigt nicht den Shop, wo der Rentner falsch beraten wurde.
Foto: teltarif.de / Daniel Molenda
Der Rentner suchte erneut den Vodafone-Shop auf und bat um Aufklärung. Doch weder im Shop noch bei der Vodafone-Hotline kam der Kunde weiter. Er wandte sich an die Rechtsvertretung der Verbraucherzentrale Niedersachsen.
Die Stellungnahme der Verbraucherschützer ist eindeutig: "Obwohl der Verbraucher sein Handy vorzeigte und klar war, dass er diese Leistungen mit seinem Modell nicht nutzen kann, unterbreitete der Vodafone-Mitarbeiter ihm bewusst einen überzogenen und unnützen Vertrag."
Und weiter: "Der Rentner glaubte, einen Tarif erhalten zu haben, mit dem er „sicher und sorglos“ in Schweden unterwegs sein könne. Der Vertrag ist aus unserer Sicht eindeutig zweifelhaft."
Verbraucherschützer lösen das Problem
Die Verbraucherschützer kontaktierten Vodafone. Der Telefonanbieter machte das einzig richtige: Der Abschluss wurde rückgängig gemacht und die rund 470 Euro wurden dem Verbraucher zurückerstattet und die monatliche Abbuchung von rund 53 Euro eingestellt.
Schweden im EU-Roaming enthalten
Ein Blick auf die Vodafone-Webseite hätte dem Kunden gezeigt, dass Schweden im Europa-Roaming ohne Aufpreis enthalten ist.
Möglicherweise hätte sein Altvertrag oder eine schlichte CallYa-Prepaid-Karte mehr als ausgereicht. Doch davon hätte der Shop wohl nichts gehabt.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Regelmäßig erhalten wir Nachrichten von betroffenen Lesern und genauso regelmäßig werden uns sehr detaillierte Einblicke in die raue Welt des Mobilfunkhandels geliefert. Dabei taucht fast permanent der Markenname Vodafone auf. Das Strickmuster ist fast immer das gleiche: Unerfahrene Kunden suchen Rat im Shop und verlassen den Laden mit überdimensionierten Verträgen, gerne auch mehrfach.
Kein Wunder: Für eine vernünftige Beratung bekommt der Shop vom Netzbetreiber wohl keinen Cent. Stattdessen drängeln regionale Vertriebsbeauftragte ihre "Handels-Partner" immer wieder, mehr Umsatz (z. B. 20 Prozent mit TV-Empfangs-Optionen) zu erzielen.
Dem ahnungslosen Kunden aus Niedersachsen wurde ein Rundumvertrag für 53 Euro mit 16 GB Datenvolumen aufs Auge gedrückt, eigentlich hätte ihm dazu noch ein passendes Handy "mitgegeben" werden müssen. Wo das abgeblieben ist, lässt sich nicht mehr genau nachvollziehen.
Insider könnten sich durchaus vorstellen, dass das im Vertrag vorgesehene Handy "unter der Ladentheke" an jemand anders "weiter verkauft" wurde. Ähnliche Fälle, wo ein Kunde regulär ein neues Handy haben wollte und dann erfahren musste, dass auf seinem Vertrag kurz zuvor bereits ein neues Handy in einem weitabgelegenen Shop an "unbekannt" ausgegeben worden war, sind der Redaktion namentlich bekannt und konnten mit Vodafone im Sinne des Kunden geklärt werden.
Ob Vodafone den Shop rückwirkend in Regress nimmt, sei nach Auskunft von Brancheninsidern unwahrscheinlich. Die Shops werden unter ständigen Druck weiterhin alles unternehmen, um ihre "Zahlen" zu stabilisieren. Ein rigoroser Durchgriff würde wohl die schönen Wachstums-Zahlen beschädigen. Ein Dilemma.
Ich wiederhole mich: Die Branche müsste ihr Geschäftsmodell komplett auf den Kopf stellen. Provisionen sollte es nicht nur für Neuverträge oder Zusatzpakete geben, sondern für gute Beratung. Doch wie kann die bewertet und beziffert werden?
Noch besser: Neuverträge sollten beispielsweise erst nach 2 Jahren rückwirkend provisioniert werden, wenn der Vertrag bis dahin "unfallfrei" gelaufen ist. Das würde vieles im Markt durcheinander wirbeln, aber den Druck auf die Beteiligten, ihre Kunden anständig zu behandeln, deutlich erhöhen.
Vodafone könnte als vertrauensbildende Maßnahme alle bestehenden und zukünftigen Verträge auf monatliche Kündigungsfrist umstellen und dabei die Handyfinanzierung vom Kartenvertrag abkoppeln. Wie das geht, zeigt Telefónica (o2) mit der "My-Handy"-Option.
Mancher Shopbetreiber hat längst seinen Laden geschlossen, weil der Markt übersättigt ist und faire Angebote für Kunden und Händler immer schwieriger werden. Hohe Listenpreise müssen regelmäßig mit Rabatten und "Aktionen" aufgehübscht werden, weil der Kunde das "Handy für 1 Euro" gelernt hat, und das geht regelmäßig schief.
Aufmerksame Kunden informieren sich vorher genaustens (z. B. auf teltarif.de) und holen erst mehrere Angebote ein, bevor sie irgendetwas unterschreiben.