Mogelpackung?

Änderung der TKV hilft Dialergeschädigten nicht

Kritik von Rechtsexperten und Telekommunikationsanbietern
Von Marie-Anne Winter

Der Ärger über die kriminellen Machenschaften unseriöser 0190-Dienstanbieter ist, wie berichtet, inzwischen bei der Bundesregierung angekommen. Sie hat erkannt, dass es sich um ein ernstes Problem handelt und daraufhin eine Änderung der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung beschlossen. Genau diese Änderung aber, die Kunden künftig vor Schäden schützen soll, ist nun ins Zentrum der Kritik gerückt. So bezeichnete Rechtsanwalt Jan Weber, der den Internet-Rechtsratgeber www.dialerundrecht.de betreut, die geplanten Änderungen als "Mogelpackung". Nach seiner Auffassung statuierten die neuen Vorschriften nur die sowieso schon geltende Rechtslage und -praxis und würden den Dialergeschädigten keinerlei Vorteile bringen. "Ein wirksamer Schutz gegen Dialer kann mit diesen Änderungen nicht erreicht werden", sagt Weber, "noch immer können 0190-0-Nummern angewählt werden und pro Einwahl Gebühren von mehreren hundert Euro entstehen, noch immer obliegt dem Kunden die Beweislast, dass ein Dialer unbemerkt und nicht er selbst bewußt und gewollt eine 0190-Verbindung aufgebaut hat."

Auch Rechtsanwalt Jörg Hansen sieht das ähnlich. So sei die Sperrpflicht für Telekommunikationsanbieter, wenn sich herausstellt, dass 0190-Dienstleister gesetzwidrig handeln, schlicht blauäugig. "Die Nummern schießen so schnell aus dem Boden, dass die Telekom immer sagen kann, sie habe von nichts gewusst."

Auch der Hinweis auf das Einwendungsrecht sei völlig überflüssig, denn Forderungen anderer Telekommunikationsanbieter mache die Telekom schon seit einem Jahr nicht mehr geltend. Diese Forderungen tauchen nur noch auf der Telefon-Rechnung auf, nicht aber auf Mahnungen. Bei den 0190-Nummern, die die Telekom (oder ein anderer Anbieter) weiteren Anbieter überlässt, könne sich die Telekom (oder der andere Anbieter wie Talkline oder MCI WorldCom) immer darauf zurückziehen, dass sie von nichts gewusst habe und verlangen, dass für die Verbindungen die Gebühren bezahlt werden, die im Amtblatt der Regulierungsbehörde (RegTP) veröffentlich wurden.

Helfen würde nach Ansicht von Hansen nur, wenn man inhaltliche Einwendungen gegen die in Anspruch genommenen Dienstleitungen (oder eben Nicht-Leistungen, für die trotzdem Geld verlangt wird) den jeweiligen Telekommunikationsanbietern, die die Nummern vermietet haben, selbst engegenhalten könnte. Dann müssten sie sich nämlich dafür interessieren, was unter ihren Nummern angeboten wird. So lange das nicht der Fall sei, könnten sie sich immer darauf zurückziehen, dass sie nur die Leitung stellen und nicht für die angebotenen Inhalte und Leistungen verantwortlich sind.

Auch beim Bundesverband der regionalen und lokalen Telekommunikations-Gesellschaften (BREKO) ist klare Ablehnung zu hören. Allerdings weht der Wind hier aus einer Richtung. BREKO-Geschäftsführer Rainer Lüddemann: "Wieder einmal macht es sich die Politik zu einfach. Von unseren Mitgliedsunternehmen wird eine völlig unrealistische Hilfestellung verlangt.". Lüddemann bezieht sich damit auf die geforderten Angaben zu den Urhebern der 0190-Nummern, die die Telekomfirmen laut Beschluss auf jeder Rechnung ausweisen sollen. BREKO-Unternehmen hätten festgestellt, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit sei. Diese Diensterufnummern lassen sich im Gegensatz zu einer Rufnummer, die jeder normale Teilnehmer hat, weitervermieten - sogar im täglichen Rhythmus. Deshalb entstünde eine unüberschaubare Vielfalt an Vermietern und Untervermietern. "Selbst wenn man den verantwortlichen Letzten in der Kette ausfindig gemacht hat, ist es für entsprechende Angaben auf der Rechnung viel zu spät", erklärt der Geschäftsführer und weist zusätzlich auf die ungeklärte rechtliche Situation in Hinsicht auf die Weitergabe der Daten durch die Unternehmen hin. Einen möglichen Ausweg könne es geben, wenn die Anbieter von 0190er-Diensten von sich aus eine geeignete Form der Selbstverpflichtung fänden.

In Anbetracht dieser grundlegenden Unklarheiten bewertet der Verband den Kabinettsbeschluss als "aktionistischen Schnellschuss, der nur vordergründig die Verbraucher schützen soll.". Der Verband sieht die Unternehmen "aufs Ärgste belastet". Lüddemann: "Es ist nicht auszudenken, welcher organisatorische und finanzielle Aufwand durch diese unnütze Detektivarbeit entstünde.". BREKO macht auf die Eigenverantwortung jedes Telefon- und Internetnutzers aufmerksam. In den meisten Fällen könne unliebsamen Überraschungen vorgebeugt werden, etwa indem man bei seiner Telefongesellschaft die 0190er-Nummern sperren lasse. Dies schütze auch wirksam gegen die perfiden Internet-Dialer.

Allerdings verwundert dieser Vorschlag ein wenig, denn wenn alle Verbraucher diese gut gemeinte Warnung der BREKO-Geschäftsführers ernst nehmen würden, wäre das schlichtweg das Aus für die Anbieter von 0190-Nummern und -Diensten, unter denen es ja durchaus auch seriöse Anbieter gibt. Das kann erst recht nicht im Sinne des BREKO sein. Fakt ist, dass gerade die seriösen mit den schwarzen Schafen in ihre Branche schwer zu kämpfen haben. Um so wichtiger wäre tatsächlich eine wirksame Selbstkontrolle, die aber bisher schlicht versagt hat. Insofern bleibt zu hoffen, dass der zusätzlich Aufwand, den die Telekomanbieter fürchten, tatsächlich dazu führt, dass sie diesen meiden, in dem sie aufpassen, was unter den von ihnen vermieteten Nummern passiert.