verbarrikadiert

Editorial: Patente auf Ziffernfolgen?

Citydial versucht alternative Ortsgespräche für sich zu monopolisieren
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Nun ist es passiert: Auch Tk-Endanwender werden in ihrer Freiheit von einem - möglicherweise zweifelhaften - Patent eingeschränkt. Denn ein Anbieter von Tk-Dienstleistungen hat sich ein Verfahren zur Abwicklung von Ortsgesprächen patentieren lassen.

Die Medien sind voll mit der Diskussion um das Für und Wider des Patentschutzes. Besonders intensiv ist die Diskussion beispielsweise um Software-Patente oder um Patente auf Gene. Stellvertretend sei hier das Patent von Unisys auf den LZW-Komprimierungsalgorithmus genannt, der insbesondere das Grafikformat GIF betrifft. Die Folge war, dass einige kostenlose Grafikprogramme das Format GIF nicht oder nur noch eingeschränkt unterstützen.

Ohne Zweifel, die Entwicklung von neuen Produkten kostet oft viel Geld. Das hat aber zur Folge, dass derjenige, der nicht selber entwickelt, sondern nur die Ideen eines anderen kopiert, letztendlich besser dasteht. Um das zu verhindern, gibt es Patente. Sie sollen die Entwickler vor allzu flinken Nachahmern schützen.

Doch diese Schutzfunktion kann auch missbraucht werden. Im schlimmsten Fall findet Firma B per Industriespionage heraus, dass Firma A an einem neuen Verfahren arbeitet, und patentiert dieses schnell, um dann Lizenzgebühren verlangen zu können. Ein weiteres Problem ist, dass offensichtliche Verfahren patentiert werden, um dann später richtig abzuzocken. Wenn viele Firmen parallel an einer neuen Idee arbeiten, wird es auch mehr oder weniger zufällig, wer zuerst das Patent einreicht und den Zuschlag erhält.

Um den Missbrauch einzudämmen, gibt es zwei Grenzen für Patente: Ein Patent muss eine gewisse Erfindungshöhe aufweisen. Das, was patentiert wird, darf also nicht offensichtlich sein. Und ein Patent muss neu sein, das patentierte Verfahren darf also nicht bereits bekannt sein. Als "bekannt" gilt dabei im allgemeinen, was zuvor auf geeignete Weise veröffentlicht wurde. Darüber hinaus darf jeder, der nachweisen kann, das patentierte Verfahren bereits vor der Patent-Beantragung gekannt oder benutzt zu haben, dieses auch weiterhin benutzen.

Das anfangs zitierte Patent der Firma Gerdes auf Ortsgespräche ist wegen beider Punkte angreifbar. Letztendlich kombiniert es Least-Cost-Router (LCR) mit 0190-0-Nummern. LCR waren zum Zeitpunkt der Patent-Beantragung (Mitte 1999) aber alles andere als neu. Frei tarifierbare Service-Rufnummern steckten Mitte 1999 zwar in Deutschland noch in den Kinderschuhen, aber es gab ähnliche Nummern bereits in anderen Ländern, und die Einführung in Deutschland war öffentlich angekündigt. Diese Nummern dann wie Call-by-Call-Zugangsnummern zu gebrauchen, dürfte ebenfalls nicht allzu patentwürdig sein, schließlich sind die dafür notwendigen Verfahren (Wegschneiden bzw. Ergänzen von Prefixen) genauso alt wie das Selbstwählnetz.

Dass die einzelnen Teile des von Gerdes patentierten Verfahrens vermutlich nicht schützbar sind, heißt aber noch lange nicht, dass deren Kombination ebenfalls keinen Patentschutz genießt. Im Jahr 1960 benutzte Theodore Harold Maiman einen Rubin-Kristall, eine starke Blitzlampe und zwei Spiegel, um den ersten Laser zu bauen. Alles Komponenten, die zum damaligen Zeitpunkt für sich genommen wirklich nicht mehr patentierbar waren. Deren trickreiche Kombination zur Erzeugung von Laser-Licht war aber eine Sensation und selbstverständlich ein Patent wert, das übrigens nicht Maiman erhielt, sondern Theoretiker, die das Verfahren bereits vorher auf dem Papier entwickelt hatten.

Die Kombination der vorgenannten Tk-Verfahren (LCR, 0190-0-Nummer, Routing über 0190-0) ist zwar keine Sensation, könnte aber in der Summe eine ausreichende Erfindungshöhe haben. In der Praxis kommen nämlich noch einige Komplikationen dazu, beispielsweise die Ermittlung der korrekten Ortsvorwahl in der Vermittlungsstelle, wenn der Kunde ein Ortsgespräch ohne führende "0" wählt.

Die Einzelbestandteile des Patents scheinen jedoch nicht für sich alleine schützbar. Das dürfte positiv für die diversen 0190-0-Anbieter wie Teledump & Co. sein, die vermutlich nicht beeinträchtigt werden. Wer Ortsgespräche über einen LCR abwickelt, muss sich aber eventuell nach einem Weg umsehen, um das Patent zu umschiffen. Angesichts der Tatsache, dass man zur Einwahl in den Vermittlungsrechner nicht unbedingt 0190-0 verwenden muss, dürfte das nicht allzu schwer sein. Firmen mit Anmeldung wie Tele 2 könnten hierfür beispielsweise auch auf eine 0800-Nummer zurückgreifen.

Auf jeden Fall dürfte eine solche "Umschiffung" des Patents einfacher und sicherer umsetzbar sein, als ein unter Umständen jahrelanger Patentstreit vor Gericht.