Aufholjagd

Editorial: Minuten bald unwichtig

Die schwierige Konkurrenzsituation im Festnetz
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Letzte Woche meldete der Branchenverband VATM stolz, dass es den Telekom-Konkurrenten gelungen ist, dieser die Hälfte (Ferngespräche) bzw. ein Drittel (Ortsgespräche) aller Telefonminuten abzunehmen. Vergleicht man die Umsätze (T-Com: 13,9 Mrd. Euro im 1. HJ 2004 [Link entfernt] ; Konkurrenten: 9,8 Mrd. Euro in 2004 erwartet), erhält man jedoch lediglich einen Anteil von 26%, den die Konkurrenten am Festnetzgeschäft haben.

Dass der Minutenanteil der Konkurrenten höher als der Umsatzanteil ist, liegt zunächst einmal an den unterschiedlichen Minutenpreisen. Ebenso gibt es die Situation, dass jede per Call by Call oder Pre-Selection abgewickelte Telefonminute auch bei der T-Com die Kasse klingeln lässt, da die Konkurrenten Interconnect-Entgelte und teilweise auch Abrechnungs-Entgelte an diese bezahlen müssen.

Vor allem aber wirkt sich aus, dass es bei den eigentlichen Telefonanschlüssen weiterhin sehr wenig Konkurrenz gibt. Zu den monatlichen Kosten des allereinfachsten Analoganschlusses kann man mehr als 1000 Minuten Orts- oder Ferngespräche führen. Bei Nutzern von hochwertigen Anschlüssen (etwa ISDN und DSL kombiniert) dürfte es sogar schon die Regel sein, dass die monatlichen Grundentgelte höher liegen als die Verbindungsentgelte.

T-Com fest im Sattel des "richtigen" Pferdes

Diese Tendenz wird sich fortsetzen. Denn dank der immer weiter steigenden Kapazitäten der Backbone-Netze und neuer Technologien wie VoIP sinken die Kosten pro Telefongespräch auch künftig weiter. Aufwändig bleibt hingegen die Pflege der vorhandenen Kupferkabelnetze (auch die besten Kabel werden durch den Jahreszeitenwechsel irgendwann mürbe), deren Ausbau für neue Technologien (etwa DSL), und deren jeweilige Anpassung an das Kundenbedürfnis (Neuanschlüsse, Änderungen, Kündigungen, DSL-Aufschaltungen usw.). Hier müssen nämlich Techniker ran, deren Einkommen auch künftig eher zu- als abnehmen wird.

Zwar gibt es Telefonanschlüsse auch bei Tropolys oder Versatel. Und DSL-Zugänge kann man auch bei 1&1 beziehen. Doch die "Alternativen" greifen für ihre Angebote mehrheitlich auf die T-Com zurück. Mal ist es nur das Kupferkabel, das gemietet wird, mal der ganze Anschluss. Damit helfen die Konkurrenzprodukte sogar mit, die Vormachtstellung der T-Com zu festigen.

Echte Alternativen gefragt

Alternativen gäbe es genug. Gerade dort, wo der Glasfaseranschluss Opal die Nutzung von DSL verhindert, sollte sich das TV-Breitbandkabel als Ersatz eignen. Wird dieses mit einem Rückkanal ausgerüstet, können die Kunden nicht nur fernsehen, sondern über geeignete Kabelmodems auch surfen und mit VoIP telefonieren. Doch scheinen die Kabelunternehmen in Deutschland derzeit mehr mit der Aufteilung des Marktes beschäftigt zu sein, als mit technischen Innovationen. Natürlich wirkt sich hier auch der durch die T-Com verzögerte Verkauf der Kabelnetze negativ aus. Immerhin gibt es einige Lichtblicke wie ish.

Auch drahtlos gibt es etliche Alternativen. Zwar ist WLL wegen zu hoher Endgerätekosten weitgehend gescheitert. Doch haben sich in den letzten Jahren die Funkchips deutlich weiter entwickelt, und mit UMTS und WiMAX stehen mindestens zwei Technologien bereit, um Telefonanschlüsse inklusive breitbandigem Internetzugang zu konkurrenzfähigen Preisen anzubieten. Über surf@home von o2 hatten wir ja bereits berichtet. Jedoch dürfte sich hier die Markteinführung bis Anfang nächsten Jahres verzögern - das Technikmonster UMTS lässt grüßen. Schneller am Start war portableDSL, eine Art "Kreuzung" aus WLL-Frequenzen und UMTS-Technik. Jedoch stehen hinter dieser Technik nur vergleichsweise kleine Anbieter mit wenig Marktmacht.

Wichtig erscheint daher, dass die Regulierungsbehörde die Chancen von WiMAX für den Festnetzbereich erkennt, und relativ schnell entsprechende Lizenzen vergibt. Der Konkurrenz bei den teuren Telefonanschlüssen wäre das jedenfalls zuträglich - und der Verbraucher könnte hier endlich wieder auf sinkende Preise hoffen.