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Der Zeiss ist heiß: Nokia N90 im Test

Multimediales Schwergewicht mit sensationeller Bildqualität, aber auch einigen Macken
Von Lutz Herkner / Thomas Michel

Die allgemeine Bedienung der Kamera geht schnell und einfach von der Hand: Objektiv beziehungsweise Display drehen, und schon startet die Software. Wie bereits erläutert, funktioniert die Navigation dann über einen Joystick in der rechten Gehäuseflanke.

Nokia N90

Die Sache hat jedoch zwei Haken. Erstens ist keine Einhandbedienung im Kamerabetrieb möglich. Wer beispielsweise über den Joystick am Rand Optionen wie Aufnahme- oder Blitzmodus angepasst hat, muss zum Beenden einen der beiden Softkeys betätigen, die links neben dem Display angebracht sind. Hier wäre durch eine optimierte Nutzerführung die Einhandbedienung durchaus machbar gewesen; statt dessen bleibt der Joystick im Optionsmenü horizontal unbelegt. N90 mit Camcorder-Feeling

Zweitens dient als Auslöser ein zweiter, separater Button. Wenn sowieso schon die beiden gerade erwähnten Softkeys neben dem Display zur Bedienung unerlässlich sind, könnte auch durch Druck auf den Joystick die Aufnahme geschossen werden: das wäre intuitiv. So aber bleibt die Handhabung doppelt unkomfortabel. Zumal sich der Auslöser an der äußersten oberen Kante befindet, eine angenehme Handhaltung also nur möglich wäre, wenn auch der rückwärtige Zeigefinger gleich weit oben läge. Dann verdeckt er jedoch das Objektiv. An dieser Stelle ist das Bedienkonzept eindeutig noch nicht ganz ausgereift.

Der Grund für das Dilemma dürfte der Autofokus sein. Denn zunächst muss der Auslöser wie bei einem herkömmlichen Fotoapparat nur angetippt werden, um die automatische Scharfstellung zu aktivieren. Das kann je nach Lichtverhältnissen bis zu einer Sekunde dauern – was Schnappschüssen abträglich ist. Erst dann darf der Auslöser ganz niedergedrückt werden, um die Aufnahme zu starten. Die Auslöseverzögerung ist für ein Foto-Handy recht kurz, doch um verrissene Motive zu vermeiden, sollte der Fotograf lieber das Ende des Verschlussgeräuschs abwarten, das die Aufnahme signalisiert. Das Speichern des Foto geht dann aber selbst bei maximaler Qualität relativ flott: Nach rund zwei Sekunden ist das N90 bereit für das nächste Meisterwerk.

Fazit - Foto finnisch

Unterm Strich ist das Nokia N90 ein Gerät für all jene, die schon immer wirklich ordentliche Fotos oder Videos mit ihrem Mobiltelefon aufnehmen wollten. Derzeit gibt es kein Kamera-Handy auf dem deutschen Markt, das eine solche Bildqualität bietet. Mit reinrassigen Digitalkameras kann aber auch das N90 mit seinem Zeiss-Objektiv nicht konkurrieren – wie bislang auch kein anderes Handy hierzulande. Doch der Abstand wird zunehmend geringer.

Die Ausstattung lässt kaum Wünsche offen, wenngleich der Akku mit einer Gesprächszeit von maximal drei Stunden etwas schwach auf der Brust ist. Für den Normalgebrauch sollte es aber reichen. Ärgerlicher ist da schon der fehlende Vibrationsalarm.

Wer das Gerät als MP3-Player intensiv nutzen möchte, sollte in eine größere Speicherkarte investieren: Die mitgelieferte 64 MB fassende RS-MMC bietet lediglich Platz für rund eine Stunde Musik.

Wer sich trotzdem für das erste 2-Megapixel-Handy aus dem Hause Nokia interessiert, sollte das Gerät vor dem Kauf unbedingt selbst in die Hand nehmen. Der fette Finne bringt nämlich nicht nur stolze 173 Gramm auf die Waage, sondern ist auch sonst in jeder Hinsicht üppig. Das dürfte nicht jedermanns Geschmack sein. Auch ist die auf dem Scharnier angebrachte Kamera beim Telefonieren im Wege, so dass potenzielle Käufer unbedingt ausprobieren sollten, ob sie eine ergonomische Haltung finden.

Die Handhabung ist typisch "Serie 60": Langsam beim Start, aber danach übersichtlich, weitestgehend intuitiv bedienbar und mit individuell anpassbarem Menü. Da finden sich auch Einsteiger schnell zurecht.

Verarbeitung und Tastatur sind einwandfrei, die Nutzerführung im Kamera-Modus ist jedoch noch nicht optimal. Auch lassen sich Videotelefonate nur unkomfortabel starten, die erforderliche Haltung beim Sprechen wird schnell ermüdend. Als vorteilhaft entpuppt sich hingegen die Möglichkeit, auch bei geschlossenem Deckel Schnappschüsse einfangen zu können.

Urteil: Multimediales Schwergewicht mit sensationeller Bildqualität aber auch einigen Macken. In jedem Fall etwas Besonderes.