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Der Zeiss ist heiß: Nokia N90 im Test

Multimediales Schwergewicht mit sensationeller Bildqualität, aber auch einigen Macken
Von Lutz Herkner / Thomas Michel

Im Inneren des kantigen Klotzes schlummern 31 MB Speicher, von denen bei Auslieferung rund 24 MB frei sind. Hinzu kommt die mitgelieferte RS-MMC-Karte mit 64 MB. Lobenswert: Der Steckplatz ist von außen zugänglich, so dass die Karten auch während des laufenden Betriebs ausgetauscht werden können – leider keine Selbstverständlichkeit bei Nokia.

Nokia N90

Das N90 setzt nicht nur auf Multimedia, sondern möchte auch Business-Nutzer ansprechen. Diese werden die unbegrenzte Anzahl von Kontakten und Kalendereinträgen ebenso zu schätzen wissen wie die Word-, Excel-, Powerpoint- und PDF-Reader. Abgerundet wird das Angebot von den üblichen Applikationen wie Outlook-Synchronisation, Sprachnotizen, Rechner und Umrechner.

Beim Akku gibt Nokia die maximale Kapazität der Lithium-Ionen-Kraftzelle mit 288 Stunden Standby und drei Stunden Sprechzeit an. In der Praxis muss das Smartphone bei regelmäßiger Nutzung sämtlicher Features etwa jeden zweiten bis dritten Abend an die Steckdose. Das sind keine Spitzenwerte, aber man kann damit leben.

Zu den übrigen Merkmalen des Nokia N90 zählen unter anderem: LED-Blitz, MP3-Player, Radio, Triband, Bluetooth 1.2, USB 2.0, WAP 2.0, HSCSD, Internet (HTML 4.01), MMS, E-Mail, Instant Messaging, Sprachwahl, Sprachsteuerung und Push to Talk (PTT).

Vermisst wird hingegen die Infrarotschnittstelle. Da jedoch Bluetooth an Bord ist und neben dem Stereo-Headset ein Datenkabel zum Lieferumfang gehört, kann man das verschmerzen. Unverzeihlich ist aber das Fehlen eines Vibrationsalarms. Die Begründung des Herstellers: Das Rütteln wäre nachteilig für die empfindlichen Bauteile des N90. Ein zwiespältiges Argument: Immerhin lagert das Handy auch ohne Vibrationsalarm im Alltagsbetrieb in den seltensten Fällen erschütterungsfrei.

Handhabung - Fetter Finne

Das Wichtigste vorweg: Das Nokia N90 ist ein echtes Schlachtschiff. Mit 173 Gramm und den Maßen 51 mal 112 mal 24 Millimeter kann man das Modell nicht gerade als handlich bezeichnen. Da wirft die Hosentasche Beulen und das Sakko bekommt mächtig Schlagseite. Deshalb sollte jeder potenzielle Käufer das gute Stück vorher einmal in die Hand nehmen, um zu entscheiden, ob er sich das antun möchte.

Gleiches gilt auch fürs Telefonieren: Der am Scharnier angebrachte Kamera-Aufsatz ist nämlich bei aufgeklapptem Handy je nach Griffstellung mitunter im Weg. Interessenten sollten daher tunlichst prüfen, wie der fette Finne in der Hand liegt.

Hinsichtlich der Verarbeitung gibt es keine Beanstandungen: Gehäuse und Innenleben machen einen soliden Eindruck, alle beweglichen Teile halten auch unsachgemäße Handhabung aus. Einzig die kleine Plastik-Abdeckung vor der Datenkabel-Buchse stört das Gesamtbild, zumal sie nicht am Chassis befestigt ist und damit verloren gehen kann. Eine solide Klappe wie beim Speicherkarten-Slot wäre hier wünschenswert gewesen.

Um so mehr erfreut man sich am Keyboard, das in jeder Hinsicht gelungen ist. Angenehm harte Druckpunkte, hinreichend dimensionierte Tasten, ordentliche, gut beleuchtete Beschriftung. Selbst das Fünf-Wege-Navigationskreuz – bei vielen Mobiltelefonen die größte Schwachstelle – reagiert präzise und liegt gut erreichbar. Gleiches gilt auch für den seitlichen Joystick sowie die beiden Softkeys neben dem Display.

SymbianOS und Serie60-Benutzeroberfläche

Das Nokia N90 gehört zur "Serie 60" und ist dem entsprechend mit allen Vor- und Nachteilen behaftet, wie man sie von den übrigen Angehörigen dieser Kategorie her kennt. Dazu zählen unter anderem Modelle wie das Nokia 6680, 6670, 6630, 6260, 7610 oder das N-Gage QD. Selbst Dritthersteller wie Panasonic und jüngst Samsung setzen die auf dem Betriebssystem Symbian basierende Oberfläche bei einigen ihrer Smartphones ein. Nokia N90 zugeklappt

Zu den Vorteilen der "Serie 60" zählt vor allem die übersichtliche Benutzerführung anhand von Icons. Manche Einordnung der Funktionen ist zwar recht eigenwillig (so findet sich beispielsweise der MP3-Player unter "Persönlich" statt unter "Multimedia"), doch lassen sich sämtliche Ordner und Einträge beliebig editieren oder verschieben. Auf diese Weise kann sich jeder Nutzer das für ihn individuell optimale Menü zusammenstellen. Außerdem lassen sich die beiden Softkeys oberhalb der Tastatur beliebig belegen.

Typisch "Serie 60" sind aber auch die langen Wartezeiten. So benötigt das N90 allein vom Einschalten bis zur PIN-Abfrage 38,5 Sekunden. Bis dann das erste Gespräch geführt werden kann, vergeht also fast eine Minute. Geduld ist für Nutzer des N90 also zwingend erforderlich.

Misslungen auch die Favoriten-Funktion: Einträge in die Liste der meistgenutzten Features können nämlich nur umständlich aus den betreffenden Anwendungen heraus gespeichert werden – und das geht aus unerklärlichen Gründen noch nicht einmal bei allen Features. Wer Nokias andere Favoriten-Funktion etwa vom 6230i her kennt, dürfte manchen Fluch über die Programmierer solch antiquierter Benutzerführung ausschütten.