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Der Zeiss ist heiß: Nokia N90 im Test

Multimediales Schwergewicht mit sensationeller Bildqualität, aber auch einigen Macken
Von Lutz Herkner / Thomas Michel

Mit seinem ersten 2-Megapixel-Handy startet Nokia die neue N-Serie, die speziell High-End-Multimedia-Modelle repräsentiert. Der Clou des N90: Das Objektiv aus dem Hause Zeiss, unter Fotofreunden seit jeher Inbegriff qualitativ hochwertiger Optik-Produkte. Doch der Klapp-Finne empfiehlt sich auch Business-Nutzern. Neben der bekannten "Serie 60"-Benutzeroberfläche wartet das UMTS-Gerät mit Office-Anwendungen wie Word-, Excel- und PDF-Reader auf. teltarif hat das N90 unter die Lupe genommen.

Scharfe und farbtreue Fotos und Videos

Nokia N90

Klappen, drehen, kippen: Das Nokia N90 ist trotz seiner strammen 173 Gramm Gewicht ein bewegliches Kerlchen. Da wäre zum einen das auf dem Klappscharnier montierte Tessar-Objektiv von Carl Zeiss, das um knapp 360 Grad rotiert. Ein Dreh startet automatisch den Aufnahme-Modus, so dass auch bei geschlossener Klappe Schnappschüsse möglich sind. Dabei dient das 27 mal 27 Millimeter große Außen-Display mit 65 000 Farben als Sucher. Zum anderen lässt sich aber auch der gesamte Deckel um 90 Grad kippen, was dem Smartphone ein Camcorder-Feeling verleiht. Die Bedienung erfolgt in dieser Position über einen kleinen Joystick, der leicht aus der rechten Gehäuseflanke ragt. Der Auslöser liegt separat darüber. Somit findet sich für praktisch jede Aufnahmesituation eine geeignete Konstellation. Bewegliches Kerlchen
Nokia N90

Natürlich sind inzwischen auch hierzulande erste Handys mit mehr als drei Megapixel erhältlich, so zum Beispiel das Sharp 903. Doch Fotofreunde wissen: Auflösung ist nicht alles. Gerade in Mobiltelefonen können aus Platzgründen meist keine hochwertigen Objektive eingebaut werden, Kostengründe drücken oftmals zusätzlich aufs Qualitätsniveau. Insofern zeigt das N90, dass es auch anders geht: In puncto Schärfe und Farbtreue stellt der Foto-Finne das Beste dar, was derzeit auf dem deutschen Markt erhältlich ist. Und für die meisten Schnappschüsse reicht die Auflösung von 1 600 mal 1 200 Pixel allemal, selbst wenn Abzüge davon gedruckt werden sollen. Je intensiver das digitale 20-fach-Zoom genutzt wird, desto mehr nimmt die Qualität freilich ab. N90
seitlich

Gelungen sind auch die Optionen zur Bildbearbeitung. Hier stehen dem Nutzer sage und schreibe 15 Optionen zur Auswahl, darunter Helligkeit, Kontrast, Drehung, Ausschnitt, Rahmen sowie Schriften. Wer jedoch wirklich hochwertige Bilder verewigen möchte, sollte zu einer regulären Digitalkamera greifen, denn deren Resultate sind nach wie vor sichtbar besser – ganz gleich ob man zum N90 oder zum Sharp 903 greift. Das Eis für Fotoapparate wird aber eindeutig dünner: Zumindest Kompakt-Geräte dürften bald von den Top-Modellen der Handy-Branche eingeholt werden. Da ist das N90 lediglich ein erster Vorbote.

Videotelefonie kompliziert und etwas unpraktisch

Noch beeindruckender sind die Aufnahmen im Bewegtbild-Modus, die das N90 mit 352 mal 288 Pixel in MPEG-4 aufnimmt. Diese Auflösung ist derzeit top unter den Handy-Cams. Geradezu sensationell ist die Geschmeidigkeit, mit der selbst schnelle Schwenks festgehalten werden. So machen Telefon-Videos endlich Spaß! Allerdings hinkt hier das Display ein wenig nach: Vor allem dunkle Szenen ruckeln leicht, und die Darstellung erfolgt sichtlich zeitverzögert. Interessanterweise ist die anschließende Wiedergabe auf dem selben Display jedoch einwandfrei. Zur weiteren Bearbeitung der Filmchen steht die Software "Movie Director" zur Verfügung.

Wer Gespräche mit Bildübertragung führen möchte, muss beim N90 mitdenken, da sich die Bedienungsanleitung in diesem Punkt bedeckt hält. Zum Starten eines Videotelefonats sollte nämlich zunächst die Rufnummer gewählt und dann die Option "Videoanruf" selektiert werden. Nachdem der Anruf aufgebaut ist, muss das Display wie im Kameramodus gekippt und das Objektiv zum Nutzer gedreht werden. All das hat binnen zwei Sekunden zu erfolgen, da der Angerufene sonst unerwünschte Motive sehen würde.

Dieses Procedere ist reichlich kompliziert, und der Anwender muss erst einmal darauf kommen. Außerdem wird es schnell anstrengend, das Handy in der richtigen Position zu halten, denn das Handy ist wie bereits erwähnt sehr schwer. Für einen Schnappschuss oder ein paar Sekunden Film stellt das kein Problem dar, aber ein Telefonat kann ja bekanntlich auch mal etwas länger dauern. Außerdem zeigt die Kamera in nativer Position den Kopf des Nutzers am rechten Rand an. Um diesen zu zentrieren, muss das Gerät leicht abgewinkelt werden, doch dann lässt sich das Display nicht mehr so gut ablesen.

Die Hauptanzeige des multimedialen Nordmannes verdient eine ausführliche Erwähnung. Nicht wegen der 262 000 Farben - die sind mittlerweile ja Pflicht in der Champions-League -, sondern wegen seiner 352 mal 416 Pixel auf 35 mal 41 Millimeter, die eine fotorealistische Darstellung ermöglichen. Das bloße Auge nimmt die einzelnen Bildpunkte nicht mehr als solche wahr. Ergebnis: Brillante, kristallklare Anzeige selbst kleinster Details. Vorbildlich!