Irrweg

Editorial: Der Irrweg

Mobilfunkbranche rennt in die falsche Richtung
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Man stelle sich vor, man geht auf eine Hausbaumesse, und findet dort gewagte Exponate über Luftschlösser, Zeichnungen von überwältigenden Fassadengestaltungen oder schwindelerregende Treppenkonstruktionen, aber kein einziges Exponat über Ziegelsteine oder andere Baumaterialien. Unwahrscheinlich? Vielleicht. Aber so oder zumindest so ähnlich kam ich mir letzte Woche auf der Kongressmesse 3GSM World in Barcelona vor.

An allen Ecken und Enden sieht man Fotos und Werbetafeln für Smartphones. Die Messestände preisen den Datenturbo HSDPA oder die Alternative WiMAX an. Weitere Themen sind Navigation und andere Location Based Services per GPS, Synchronisation von Daten, mobile E-Mail, bessere Displays und Kameras, bessere Chips für die Grafik- und Videoverarbeitung. Multimedia allerorten.

Man könnte auf der Handy-Messe glatt vergessen, dass Handys mal zum Telefonieren entwickelt worden sind. "Könnte" deswegen, weil man genügend Messegäste mit Handy am Ohr sieht, die ihr Gerät also allen großen Displays, Video-Funktionen und Tastaturen zum Trotz immer noch ausgiebig zum Original-Zweck verwenden. Und deswegen, weil ab und zu ein Redner auf einer der zahlreichen Kongressveranstaltungen daran erinnert, dass die Erträge der Branche zu über 80 Prozent mit Sprachtelefonie erzielt werden.

"Neue" Datendienste mit geringen Umsatzanteilen

Sämtliche "neuen" Datendienste zusammengenommen, also WAP, E-Mail, GPRS, EDGE, UMTS und HSDPA, haben Umsatzanteile im Bereich einer "single digit number", also unter 10 Prozent. Genaue Zahlen werden von den meisten Netzbetreibern geheim gehalten - offiziell, um der Konkurrenz nicht allzu große Einblicke zu ermöglichen, inoffiziell aber sicher auch aus Gründen der Scham. Selbst mit den simplen SMS, die quasi als Abfallprodukt der digitalen Signalisierung entstanden sind und anfangs gar nicht als eigenständiges Produkt geplant waren, machen die Netzbetreiber den vielfachen Umsatz als mit den ganzen später eingeführten, ungleich aufwändigeren breitbandigen Datendiensten.

Dabei ist seit der Vorstellung von WAP vor gut sieben Jahren eine lange Zeit vergangen. Zeit, in der die Verbraucher die Gelegenheit hatten, so manchen Datendienst zu testen, und sich dagegen entschieden haben. Aber auch Zeit, in der die Netzbetreiber hätten merken müssen, dass der Daten-Gaul lahmt, und sie schlicht und einfach aufs falsche Pferd setzen, wenn sie weiterhin so massiv und vor allem exklusiv in ihn investieren. Würde es nämlich gelingen, zum Beispiel durch Verbesserungen der Sprachqualität die Umsätze mit mobilen Telefonaten um nur 5 Prozent zu steigern, würde das wahrscheinlich mehr Umsatzzuwachs bringen, als mobile Portale, UMTS, HSDPA, EDGE usw. zusammengenommen!

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