IoT-Feinstaub-Test mit o2: Liegen wir über den Grenzwerten?
Ein Messgerät der Firma TerraTransfer
Bild: teltarif.de, Alexander Kuch
Internet of Things nennt man es, wenn im Internet nicht nur Menschen mit Smartphones, sondern auch Sensoren und andere vernetzte Geräte miteinander kommunizieren. Möglicherweise wird dabei über längere Zeit kein direkter Eingriff des Menschen notwendig - oder der Mensch liest einfach die von den Geräten erhobenen Daten aus.
Genau das testeten wir in unserem IoT-Test mit o2 und vernetzen Feinstaub-Sensoren. Bereits separat vorgestellt haben wir die o2 Kite Plattform für die Verwaltung des IoT-Tarifs, die TerraTransfer-Plattform, auf der die eigentlichen Feinstaub-Messwerte ankommen sowie die eingebauten Sensoren und Module.
Wie versprochen schauen wir uns nun abschließend die konkret mit den Sensoren erhobenen Feinstaub-Messwerte an.
Umweltbundesamt: PM10 und PM2,5 zur Orientierung
Das Umweltbundesamt informiert auf seiner Webseite über alle Belange der Feinstaub-Belastung in Deutschland. Gegenüber den 1990er Jahren habe die Feinstaubbelastung bereits erheblich reduziert werden können. Die Ländermessnetze führen offenbar allerdings erst seit dem Jahr 2000 flächendeckende Messungen von Feinstaub in Deutschland durch.
Hierbei gibt es zwei Orientierungs- und Vergleichswerte, die bundesweit gemessen werden: Die Partikelgröße ("particulate matter") PM10 (Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von 10 Mikrometer oder kleiner) wird seit dem Jahr 2000 erfasst, und seit 2008 zusätzlich auch die Partikelgröße PM2,5, also Partikel mit einem aerodynamischen Durchmesser von 2,5 Mikrometer oder kleiner.
Während zu Beginn der 1990er Jahre im Jahresmittel großräumig Werte um 50 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m³) gemessen worden seien (Spitzenwerte lagen auch deutlich höher), würden heute PM10-Jahresmittelwerte zwischen 15 und 20 µg/m³ auftreten. Um das (und später auch unsere Messwerte) einordnen zu können, muss man allerdings wissen, was die empfohlenen bzw. gesetzlich vorgegebenen Grenzwerte sind.
Ein Messgerät der Firma TerraTransfer
Bild: teltarif.de, Alexander Kuch
Die Grenzwerte von WHO und EU
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat am im September 2021 neue Leitlinien zur Luftqualität veröffentlicht. Laut dem science media center wurden dabei die WHO-Empfehlungen für die Belastungen mit Feinstaub und Stickstoffdioxid zum Teil massiv abgesenkt.
Die WHO-Empfehlung für die Langzeitbelastung mit Feinstaub PM2,5 liegt laut den Angaben bei 5 statt bisher 10 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Zum Vergleich: Der EU-Grenzwert beträgt weiterhin 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die Empfehlung der WHO für Feinstaub PM10 liegt nun bei 15 statt bisher 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Der EU-Grenzwert liegt hingegen bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.
Nationale und damit rechtlich verbindliche Grenzwerte werden vom nationalen Gesetzgeber festgelegt, für Deutschland gelten damit die EU-Grenzwerte. Wichtig zu wissen ist: Die WHO-Empfehlungen haben keine rechtliche Verbindlichkeit und stellen lediglich Empfehlungen dar.
Sensor während des Urlaubs in der Wohnung: Da ist natürlich weniger Feinstaub
Screenshots: teltarif.de / Alexander Kuch
Gesundheitsgefährdung und Gerichts-Prozesse
PM10 kann beim Menschen laut der Umwelthilfe wie bereits berichtet in die Nasenhöhle, PM2,5 bis in die Bronchien und Lungenbläschen und ultrafeine Partikel bis in das Lungengewebe und sogar in den Blutkreislauf eindringen. Bei dauerhaften Überschreitungen der Grenzwerte hat es in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen Kommunen gegeben, die regional auch zu Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fahrverboten im Autoverkehr geführt haben. Da darüber umfangreich berichtet wurde, müssen wir das an dieser Stelle nicht nochmals aufgreifen.
Die uns von o2 und TerraTransfer zur Verfügung gestellten Sensoren erfassen übrigens noch deutlich mehr Partikelgrößen als die Umwelthilfe, nämlich zusätzlich zu PM10 und PM2,5 noch PM4,0, PM1,0 und PM0,5. Für jede der Partikelgrößen außer PM0,5 wird die Massenkonzentration angezeigt, die Nummernkonzentration wird auch für PM0,5 angezeigt. Bei unserem Vergleich konzentrieren wir uns aber auf die Werte bei PM10 und PM2,5, da uns nur hierzu Vergleichswerte des Luftmessnetzes Hessen vorliegen.
Unser Testaufbau
Als Testort für die Feinstaubmessung haben wir - wie bereits berichtet - einen innerstädtischen Bereich in Südhessen gewählt, der ziemlich genau zwischen zwei offiziellen Messtationen des Hessischen Luftmessnetzes liegt. Insbesondere eine dieser beiden staatlichen Messstationen war über mehrere Jahre dafür bekannt, sehr hohe Feinstaubmesswerte zu übermitteln, da sie an einer Hauptverkehrsstraße direkt am Ausgang eines innerstädtischen Tunnels liegt. Inzwischen wurde dort eine Tempo-30-Zone eingerichtet, die den Schadstoffausstoß trotz des weiterhin hohen Verkehrsaufkommens reduziert hat.
Auf unserem Test-Balkon, der nur wenige hundert Meter von dieser offiziellen Teststation entfernt liegt, ist die Luftverschmutzung bereits mit bloßem Auge zu sehen. Diese schlägt sich nämlich in Form eines feinen Staubs dauerhaft auf dem Balkon nieder. Hier haben wir von Mitte April bis Mitte Juni Messungen durchführt.
Die Graphen in der TerraTransfer-Plattform zeigen auch auf einen Blick, wann wir die Messgeräte nicht im Einsatz hatten: Während eines einwöchigen Urlaubs im April hatten wir beispielsweise die beiden Messgeräte sicherheitshalber nicht auf dem Mess-Balkon gelassen, sondern in die Wohnung hereingeholt. Für diesen Zeitraum ist zu sehen, dass Temperatur und Luftfeuchte in der Wohnung natürlich viel konstanter waren als draußen. Und natürlich wurde in der Wohnung auch deutlich weniger Feinstaub gemessen als auf unserem Test-Balkon direkt über einer zum Teil stark befahrenen Straße.
Ein Ausschnitt aus der Messkurve zu PM2,5
Screenshot: teltarif.de
Die konkreten Durchschnitts-Werte
Die offiziellen Messwerte des Hessischen Luftmessnetzes werden beispielsweise auf der Seite des Hessischen Landesamtes für Naturschutz, Umwelt und Geologie angezeigt, es handelt sich um die beiden Messstellen Darmstadt Rudolf-Müller-Anlage und Darmstadt Hügelstraße. Grafisch auch interessant aufbereitet werden diese Werte vom "World Air Quality Project" (Rudolf-Müller-Anlage und Hügelstraße).
Im großen und Ganzen stimmen die von uns gemessenen Werte mit den offiziellen Werten überein. Die PM10-Werte liegen meist unter den PM2,5-Werten. Die Messstellen ermittelten (genauso wie wir), dass die Werte für PM10 in der Regel zwischen 3 und 20 µg/m³ liegen. Für die Partikelgröße PM2,5 schwanken sie zwischen 5 und 45 µg/m³. Dabei fällt auf, dass die oben genannten Grenzwerte der WHO teilweise über längere Zeit überschritten werden, sie erreichen teilweise sogar die Grenzwerte der EU, wenn man noch die Ausreißer mitrechnet.
Die Ausreißer
Während unseres Messzeitraums gab es bei PM2,5 sechs kurzzeitige, aber eklatante Ausreißer. Was dazu geführt haben mag, können wir im Nachhinein nicht mehr nachvollziehen, da nur einer dieser Werte zur Hauptverkehrszeit auftrat. Alle anderen traten um die Mittagszeit oder in der Nacht auf. Die sechs Werte sind 85 µg/m³, 100 µg/m³, 133 µg/m³, 147 µg/m³, 302 µg/m³ und 602 µg/m³.
Bei PM10 gab es ebefalls sechs besonders hohe Werte, und zwar 86 µg/m³, 112 µg/m³, 136 µg/m³, 172 µg/m³, 306 µg/m³ und 686 µg/m³.
Im Übrigen lässt sich bei den gemessenen Werten kein direkter Zusammenhang zu der ebenfalls von unseren Sensoren erhobenen Lufttemperatur und Luftfeuchte ablesen. Man kann also nicht sagen, dass bei einem gewissen Temperatur- oder Luftfeuchte-Anstieg bzw. -Abfall die Feinstaubwerte gleichermaßen steigen oder fallen. Eine Abhängigkeit konnten wir hierbei nicht entdecken.
Unser Testfazit
In unserem etwa zwei Monate dauernden Test fanden wir es interessant, einmal mit Messsensoren und einer IoT-Plattform zu arbeiten, die normalerweise nur Experten auf diesem Gebiet zur Verfügung stehen, die aber Messwerte erheben und auf einer Plattform aufbereiten, die für uns alle relevant sind. Denn wenn man schon nach zwei Test-Monaten (oder eben aus den seit rund 20 Jahren erhobenen Werten der offiziellen Messstellen) ablesen kann, dass die gesetzlichen Werte mehrfach überschritten werden, kann man nachvollziehen, dass dadurch tatsächlich unsere Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen werden kann.
So sehr Autofahrer sich über die vielfältigen Klagen der Deutschen Umwelthilfe geärgert haben, die in zahlreichen Städten zu Fahrverboten und Tempolimits geführt haben: Die Messwerte sprechen eine deutliche Sprache, wenn man auch sagen muss, dass sie deutlich unter denen vor etwa 30 Jahren liegen. Die Menscheit hat in dem Bereich also tatsächlich Fortschritte gemacht - es gibt aber noch einiges zu tun.